Historischen Teil - Carl Stumpf Gesellschaft
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Margret Kaiser-el-Safti 54<br />
Physischen nach (vgl. dazu Kaiser-el-Safti 2012, S. 48 ff.), das ihn in jungen<br />
Jahren beschäftigt hatte, aber später ad acta gelegt wurde (vgl. dazu Ellen<br />
Aschermanns Beitrag in diesem Band).<br />
Sollte es nicht zu denken geben, dass die Gestaltpsychologie, obwohl der<br />
Begriff der Gestalt doch ein exquisit ästhetischer zu sein scheint, innerhalb der<br />
philosophischen Ästhetik im 20. Jahrhundert zwar häufig verbal verwendet<br />
wird, aber letztlich wenig zur Aufklärung des künstlerischen Schaffens, Geniesens<br />
und des Werkcharakters beigetragen hatte, sei es im Bereich der bildenden<br />
Kunst oder der Musik ? Wie sollte er auch, wenn spezifisch Ästhetisches, wie<br />
die Wahrnehmung von Verhältnissen und das ästhetische (Wert-)Urteil, durch<br />
die Berliner Gestaltpsychologen ausgemerzt und später (in Wolfgang Köhlers<br />
physikalischer Version) der Doktrin des Positivismus geopfert wurde? (Vgl.<br />
Köhler 1920)<br />
Wenn als letzte Grundlage eines empirisch verwendbaren genuin Psychischen<br />
das Zusammenspiel von Wahrnehmung (Anschauung, Vorstellung) und Kognition<br />
(Begriff, Urteil) in allen Bereichen – nicht nur der Wahrnehmung des<br />
physikalisch Dinglichen im Sinne seiner materialen Realität – sondern auch der<br />
Wahrnehmung und Wertschätzung des Ästhetischen und Ethischen zur Debatte<br />
gestellt werden soll, muss vermutlich noch einmal und mit einer gewissen<br />
Distanz zu den philosophischen und psychologischen Schulstreitigkeiten, unter<br />
Einbeziehung sowohl interdisziplinärer als auch internationaler Perspektiven<br />
(die ,Gestaltpsychologie„ war eine bemerkenswert deutsche Forschungsrichtung!)<br />
von vorne angefangen werden – allerdings einschließlich dessen, was<br />
schon vor dem Zweiten Weltkrieg von europäisch Denkenden wie Herbart,<br />
Brentano und <strong>Stumpf</strong> zu einer neuen, realistischeren Konzeption von<br />
Philosophie und Psychologie auf den Weg gebracht worden war.<br />
Innerhalb der neueren europäischen Philosophie scheinen sich nach mehreren<br />
Durchgängen der „Dekonstruktion“ des Alten in den vergangenen Jahrzehnten<br />
Ansätze abzuzeichnen, deren Kerngedanken – das Verhältnis von Philosophie<br />
(Metaphysik) und Wissenschaft, von Wissenschaft und Religion respektive von<br />
Wissenschaft und Kunst betreffend – schon vor Ausbruch des Zweiten<br />
Weltkrieges abgezeichnet hatten. Der heute wieder anvisierte Realismus in der<br />
Philosophie (vgl. dazu „Realismus Jetzt“ in der Herausgabe von Avanessian<br />
2013) war ja in der Tat schon von Herbart mit Nachdruck gegen die Philosophie<br />
des Deutschen Idealismus zur Debatte gestellt und durchzusetzen versucht, von<br />
<strong>Carl</strong> <strong>Stumpf</strong> weitergeführt worden. Aber auch in Sachen ,Seele„ und in Bezug<br />
aus ein neues Interesse an der akustischen Wahrnehmung sind bemerkenswerte<br />
Stellungnahmen von philosophischer Seite in Frankreich zu finden (vgl Nancy<br />
über ,Hören„ (2010) und über die „Ausdehnung der Seele“ (Nancy 2010). Jean-<br />
Luc Nancy fordert eine radikale Öffnung zu einem anderen Diskurs (vgl. Nancy<br />
2008, 2010), wobei der Ausgang aus metaphysisch-religiösen Denk- und<br />
Vorstellungsweisen bei diesem Autor einen schärferen Tenor annimmt als der