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Historischen Teil - Carl Stumpf Gesellschaft

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Margret Kaiser-el-Safti 9<br />

in der Tat eine besondere Rolle spielte und gerade in diesem Kontext auch als<br />

bedeutender ,Vorläufer„ der Gestaltpsychologie zu würdigen ist, wie weiter<br />

unter zu erhärten sein wird. Was die Nahtstelle zwischen einem neuen<br />

Seelenbegriff im Rahmen gestaltpsychologischer Ansätze und der akustischmusikalischen<br />

Wahrnehmung anbelangt, ist der historische Rekurs auf Herbart<br />

unverzichtbar.<br />

1. 3. Johann Friedrich Herbart als Pionier der wissenschaftlichen<br />

Psychologie in Deutschland<br />

Während Herbart heute noch von pädagogischer Seite gewürdigt wird, geriet in<br />

Deutschland in Vergessenheit, was er für die wissenschaftliche Psychologie<br />

geleistet hatte (vgl. dazu Kaiser-el-Safti 2001; 2009; 2010); dass Herbart als<br />

Philosoph in Deutschland nicht gewürdigt wird (vgl. dazu Heesch 1999),<br />

begünstigte die Haltung, die subtilen Schwierigkeiten der Kantischen „transzendentalen<br />

Ästhetik“ gar nicht erst zur Diskussion gelangen zu lassen, und<br />

beispielsweise eine Arbeit, wie die von Ulrich Sonnemann „Zeit ist<br />

Anhörungsform Über Wesen und Wirken einer kantischen Verkennung des<br />

Ohrs“ (1983) zu ignorieren oder zu relativieren (vgl. dazu Eidam 2007, S. 211<br />

f.). Sonnemann greift eine Thematik auf, die bereits einen zentralen Punkt in<br />

Herbarts Kantkritik ausmachte, die sich allerdings nicht allein auf eine Kritik der<br />

„transzendentalen Ästhetik“ begrenzte, sondern sich auch auf Kants Logik und<br />

Ethik (insbesondere die Kantische Willens- und Freiheitslehre) erstreckte.<br />

Herbart scheint mit seiner Kantkritik den im 19. Jahrhundert tonangebenden<br />

Neukantianismus aller erst ins Leben gerufen zu haben, der sich einerseits zu<br />

profilieren vermochte, weil er von Herbarts Kritik an Hegel, Schelling und<br />

Fichte profitierte und andererseits Herbart als Gegner namhaft machen und zur<br />

eigenen Profilierung benutzen konnte. Insbesondere der Marburger Neukantianer<br />

Paul Natorp verfolgte eine Strategie, die Herbart als Pädagogen zu würdigen<br />

vorgab, aber als Philosoph mit einer an Beleidigung grenzenden Polemik zu<br />

diskreditieren suchte, weil Herbart die Ethik Kants durch eine Psychologie der<br />

Moral zu ersetzen suchte (vgl. Natorp 1898). Allerdings hatte Herbart sich schon<br />

früh ablehnend über die Freiheitslehre Kants geäußert (in 1806 SW Bd. 1, S. 259<br />

ff.). Eine Pädagogik auf der Basis einer psychologisch fundierten Ästhetik statt<br />

auf religiöse oder auf die metaphysischen Fundamente des „kategorischen Imperativs“<br />

zu gründen, galt als ein Vergehen an der größten deutschen philosophischen<br />

Autorität. Hier interessiert aber vornehmlich die Kritik an Kants metaphysischen<br />

und erkenntnistheoretischen Prämissen. Sowohl Ethik als Erkenntnistheorie<br />

betreffend empfahl Herbart:<br />

Wir wollen unseren Geist kennen lernen, wie er wirklich ist, und wir halten uns<br />

weit entfernt von idealistischen Träumen, wie wir ihn gern haben möchten, wenn<br />

wir uns selbst beliebig machen und einrichten könnten. (SW Bd. 6, S. 130)

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