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Historischen Teil - Carl Stumpf Gesellschaft

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Margret Kaiser-el-Safti 3<br />

Seele-Verhältnis in positiver Weise zu ergründen oder zu beantworten suchte,<br />

sondern zukünftig nur noch dem Verweis auf die Grenzen der menschlichen<br />

Vernunft zu folgen und zu dienen hätte (vgl. Kant 1766/1968, Bd. 2, S. 982).<br />

Vor diesem Hintergrund einer ,negativen Metaphysik„ entschied Kant, dass auch<br />

über ,Seele„ und Seelenwissenschaft keine positiven Begriffe mehr beizubringen<br />

seien, nachdem sich ihm das Leib-Seele-Problem als ein prinzipiell unlösbares<br />

dargestellt hatte.<br />

Das Bemerkenswerteste an dieser ,negativen Methode„ ist für Kants<br />

Einschätzung der Psychologie nicht das Ergebnis, sondern der Weg dahin,<br />

nämlich Kants Bemühungen, bezüglich der hauptsächlich zu beantwortenden<br />

erkenntnistheoretischen Frage nach dem Verhältnis von sinnlicher Wahrnehmung<br />

und Intellektualität eine Antwort zu finden. Diese sollte aber auf der<br />

einen Seite das höchste übersinnliche Wesen (Gott) und die für moralisches<br />

Handeln verantwortliche nicht-sinnliche Geist-Seele nicht von dem philosophischen<br />

Diskurs ausschließen, weil in Zeiten eines um sich greifenden<br />

Materialismus und Atheismus durchaus zum religiösen Glauben motiviert<br />

werden musste, selbst wenn die Wissenschaft keine positiven Antworten auf<br />

,letzte Fragen„ zu geben vermochte; auf der anderen Seite wollte Kant der<br />

Grenzsetzung der Wissenschaft zugleich auch eine, den älteren, der Religion<br />

verpflichteten metaphysischen Perspektiven überlegene erweiternde Perspektive<br />

verschaffen. Dieses dialektische Kunststück konnte aber nur gelingen, indem<br />

,Wahrnehmung„ insgesamt auf rein formale Eckpfeiler (Raum und Zeit)<br />

reduziert, alle anderen sinnlichen Qualitäten eliminiert, respektive ,Sinnlichkeit„<br />

von ,Intellektualität„ abgespalten wurde.<br />

Dem Bemühen, der menschlichen Erkenntnis im Ganzen eine Begrenzung<br />

aufzuerlegen und zugleich der Naturwissenschaft eine Erweiterung zu<br />

verschaffen, erinnert an die Problematik der Quadratur des Kreises, auf die hier<br />

aber nicht weiter einzugehen ist, denn die sich im vorkritischen Werk<br />

anbahnende und zuletzt abzeichnende Lösung mit allen Konsequenzen für die<br />

wissenschaftliche Psychologie wurde bereits an anderer Stelle ausführlich<br />

dargestellt (vgl. Kaiser-el-Safti 2001, S. 175-266). Nur soviel hier dazu: Da nach<br />

Kant unter ,Wissenschaft„ nur kausal verfahrende Naturwissenschaft verstanden<br />

werden sollte und Psychologie, wenn sie Wissenschaft sein wollte, also auch<br />

Nuturwissenschaft zu sein hatte, musste sie auf ihren eigentlichen Seelenbegriff<br />

im Sinne eines rein mentalen Wesens verzichten, was im 19. Jahrhundert dann<br />

folgerichtig zu einer „Physiologie der Seele“ und zuletzt zu einer „Psychologie<br />

ohne Seele“ führte, und letztere Version das Dilemma einer ,Psychologie ohne<br />

Gegenstand„ erzeugte. Diese befasste sich dann aber umso eifriger mit der<br />

Erforschung der sinnlichen Wahrnehmung und ihrer physiologischen Grundlage.<br />

Letztere Entwicklung, die Konzentration auf die Wahrnehmung, äußere<br />

(sinnliche) und innere Wahrnehmung (Introspektion), verschaffte der deutschen

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