Historischen Teil - Carl Stumpf Gesellschaft
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Margret Kaiser-el-Safti 38<br />
die Philosophie sich des Sieges in dieser grundlegenden erkenntnistheoretischen<br />
Frage sicher sein. Aber nachdem diese Urteile vor aller Erfahrung suspekt<br />
geworden waren, bedurfte es erneuter Anstrengung, das Wesen des Urteils als<br />
erkenntnistheoretisches Vehikel aufzuklären. Cassirer macht dazu keine<br />
Anstalten, vielmehr war seine idealistische Grundeinstellung gegen die<br />
Psychologie der Relationen und die Psychologie insgesamt schon mit den<br />
einleitenden Grundsätzen vorprogrammiert: Cassirer behauptet nämlich, dass<br />
„der Gedanke der wissenschaftlichen Psychologie auf Platon zurückgehe“ (S.<br />
434) und deutet an, dass die modernen Aporien der Erkenntnispsychologie auf<br />
die Lehre des Aristoteles zurückzuführen seien. Diese Auffassung könnte<br />
(wenngleich ohne Namensnennung) auf Brentanos „Psychologie des<br />
Aristoteles“ gemünzt gewesen sein, der ja anstelle der Ideenlehre und Platons<br />
Seelenlehre Aristoteles für eine moderne wissenschaftliche Psychologie in<br />
Anspruch nehmen wollte. Die sinnliche Seite der menschlichen Erkenntnis und<br />
die Bedeutung der Wahrnehmung im Erkenntnisprozess wird freilich mehr von<br />
Aristoteles gewürdigt, und Aristoteles verfasste auch als erster ein systematisches<br />
Buch über die Seele; sodass richtiger zu veranschlagen gewesen wäre,<br />
dass die metaphysischen Seelenlehren auf Platon fußen, die wissenschaftliche<br />
Psychologie hingegen auf Aristoteles rekurriert.<br />
II. <strong>Teil</strong><br />
2. Vorbemerkungen:<br />
2. 1. Im Folgenden werden Positionen des letzten, 1939-1940 posthum<br />
erschienenen Werks, der „Erkenntnislehre“ <strong>Stumpf</strong>s (hauptsächlich § 14-15,<br />
2011), nah am Originaltext entlang referiert, die an <strong>Stumpf</strong>s spezifische Verwendung<br />
der Begrifflichkeit „Ganzes“, „<strong>Teil</strong>“, „Gestalt“, „Komplex“ erinnern<br />
sollen. Diese Begrifflichkeit ist nicht isoliert zu gebrauchen, sondern kontextuell<br />
im Rahmen der Logik und im Sinne einer von <strong>Stumpf</strong> initiierten Relationslehre<br />
zu ventilieren; sporadisch sind andeutungsweise die Reaktionen der Schüler<br />
<strong>Stumpf</strong>s und die Inflation der Gestaltbegrifflichkeit nach 1900 anzusprechen, die<br />
einer verwendbaren Einschätzung der Relevanz der Gestaltpsychologie eine<br />
nicht unerhebliche Problematik bescherte (ausführlicher über die Abweichungen<br />
der Berliner Gestaltpsychologen von <strong>Stumpf</strong>s Lehre in Kaiser-el-Safti 2001, S.<br />
370 ff.).<br />
<strong>Stumpf</strong> wäre in Bezug auf die primäre Namensgebung – die durch Christian<br />
von Ehrenfels kreierte Bezeichnung „Gestaltqualität“ – nicht als Gestaltpsychologe<br />
zu bezeichnen. Man könnte den Eindruck gewinnen, als sei durch<br />
Ehrenfels„ Artikel „Über ,Gestaltqualitäten„“ (1890) gewissermaßen über Nacht<br />
eine neue Richtung in der Psychologie aus dem Boden gestampft worden. Indes