Spur - Hochschule für bildende Künste Hamburg
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Susanne Klippel<br />
Foreign Affairs<br />
Der Taxifahrer. Ich bin nicht sicher, ob<br />
er mich verstanden hat. I want to go to<br />
the government, to the prime minister<br />
office, überschrei ich seine laute Musik.<br />
No problem. Ganz Souveränität, wie<br />
schon in undurchschaubaren Kreisverkehren,<br />
weist er auf das eiserne Tor. Botanic<br />
gardens and zoo, lese ich, die Buchstaben<br />
geschmiedet, jeder einen Meter<br />
groß.<br />
Go up so, sagt der Fahrer und wendet.<br />
Ich wandle unter Königspalmen. Die<br />
Wipfel ganz hoch oben, stehen sie rechts<br />
und links des Weges, 8 aufjeder Seite. Hier<br />
sind alle Bäume mit handgeschriebenen<br />
Schildern versehen, auf denen rot auf weiß<br />
ihr Name steht. Cinnamon, das heißt wohl<br />
Zimt.<br />
Ich sehe Schafe und Pfauen, sehe Käfige,<br />
von Schlingpflanzen überwuchert und<br />
leer. Ich sehe einen Käfig, in dem fiinfZoowärter<br />
stehen. Sie haben Schrubber in der<br />
Hand und Eimer mit Putzwasser und mit<br />
Futter.<br />
Ich sehe einen Affen, der, den Wärtern<br />
seinen roten Hintern zuwendend, durch<br />
die Käfigtür verschwindet und sich zu den<br />
Schafen gesellt, die, das tägliche Ritual offensichtlich<br />
gewöhnt, erst ein paar Schritte<br />
weit die F1ucht ergreifen um dann blökend<br />
stehen zu bleiben, den Affen in ihre Gesellschaft<br />
aufZunehmen. Ich sehe die Staatskarosse,<br />
geflaggt. Morgen wird Präsident<br />
Reagan dem Land einen Staatsbesuch bescheren.<br />
Ein flaches weißes Gebäude. Man<br />
schickt mich in den Keller. Ich finde einen<br />
Stuhl und sitze eine lange Zeit im Flur. Sehe<br />
Frauen und Männer hinter Türen verschwinden.<br />
Die Männer in dunkelblauen<br />
Anzügen, die Frauen in Faltenröcken-festlich.<br />
Hinter jeder Tür ein Ministerium. Ich<br />
sitze vor dem Ministry of Foreign A.ffairs.<br />
Weil ich so lange warten muß, studiere ich<br />
die Tür des Ministry for Foreign A.ffairs. Eine<br />
graue Holztür. Niemand geht rein und<br />
niemand kommt raus. Das Schild über der<br />
Tür ist handgeschrieben und rot auf weiß<br />
wie die Schilder an den Bäumen. Über dem<br />
Schild kommen Kabel aus der Wand. Mindestens<br />
dreißig verschiedenfarbige Stränge.<br />
Sie sind völlig ineinander verknäult.Jedes<br />
einzelne Kabel ist unten in seine kupfernen<br />
Bestandteile aufgelöst. Ein Gestrüpp.<br />
Ein Etwas, fiir das es keinen Namen gibt,<br />
das meine Blicke anzieht und abstößt und<br />
anzieht und abstößt, weil es dafii.r keinen<br />
Namen gibt.<br />
Ein gefräßiger Regenwald-Schmarotzer<br />
an einer glatten weißen Wand. Ein<br />
Wirrkopf mit verwuschelten Haaren. Ein<br />
Pflänzchen aus Plastik und Kurzschluß,<br />
Stromschlag und Metall. Ein Dickicht, das<br />
es zu durchdringen gilt. Als ich lange genug<br />
gewartet habe, entdecke ich in seinem Innern<br />
ein Vogelnest<br />
Eine dicke Frau sitzt vor ihrer Hütte<br />
und fragt: the president, what is he more<br />
than me? More than you? gibt ihre Nachbarin<br />
die Frage zurück. Listen: he's got airplanes,<br />
he's got cars und he's got a lifeguard.<br />
And what you got? You got two children.<br />
Am nächsten Tag kommt der Präsident<br />
auf dem neuen F1ughafen an.<br />
Der Konvoi befährt die neue Straße. Sie<br />
ist ein Entwicklungshilfeprojekt aus den<br />
Vereinigten Staaten und gestern Nacht mit<br />
Ach und Krach fertig geworden. Sie fUhrt<br />
vom Flughafen zum Stadion, wo die Volksmassen<br />
warten.<br />
Da es nur eine wirkliche Staatskarosse<br />
gibt, fährt man den Präsidenten im Leichenwagen.<br />
Ein gut erhaltener amerikanischer<br />
Straßenkreuzer. Er gehört dem offensichtlich<br />
wohlhabenden Beerdigungsunternehmer<br />
und unterscheidet sich kaum<br />
von einer Staatskarosse. Lediglich die beiden<br />
Fähnchen vorne rechts und links auf<br />
den Kotflügeln, die die Aufschrift Funeral<br />
tragen, sind entfernt und durch amerikanische<br />
Fähnchen ersetzt worden.<br />
Im Stadion, wo tausend Schulkinder<br />
mit Fähnchen in der Hand seit Stunden<br />
warten, wo hundert Händler Erfrischungen<br />
und Mangos, selbstgebackene Kuchen und<br />
Erdnüsse verkaufen, sehe ich den alten<br />
schwarzen Mann. Er ist fast zwei Meter<br />
groß. Auf Krücken gestützt, bahnt er sich<br />
einen Weg durch die Menge. Weil er keine<br />
Hand frei hat, trägt er einen Hut aus P:::ppe.<br />
Der Hut ist bunt bemalt. Auf seiner Spitze<br />
ist ein Schild befestigt. Darauf steht in bunten<br />
Buchstaben: welcome mister president.<br />
Jedes seiner Worte war mit begeistertem<br />
Beifall quittiert worden.<br />
Jetzt kommt der bejubelte Präsident<br />
zum Schluß seiner Rede.<br />
Man hat mir, sagt der Präsident, eine<br />
Geschichte erzählt. Diese Geschichte hat<br />
sich hier in diesem Land zugetragen. Es ist<br />
schon eine Weile her, vielleicht vierzigJahre,<br />
die älteren werden sich vielleicht noch<br />
daran erinern, da hat es hier in diesem Hafen<br />
ein Wettschwimmen gegeben. Ein kleiner<br />
Junge, der als letzter auf das Ziel zuschwamm,<br />
war plötzlich von Haifischen<br />
umzingelt. Die Aufregung war groß. Alle,<br />
die diese Szene beobachteten, die älteren<br />
werden sich noch daran erinnern, waren<br />
starr vor Schreck. Aber glücklicherweise<br />
gelang es einigen beherzten Männern, den<br />
kleinen Jungen zu retten, ihn an Land zu<br />
ziehen, die Haifische zu vertreiben.<br />
So wie die älteren von euch damals voller<br />
Sorge auf das Geschehen im Hafen geschaut<br />
haben, so haben wir im weißen Haus<br />
jahrelang auf dieses Land geschaut. Ja, ihr<br />
alle seid dieser Schuljunge gewesen, und<br />
danken wir Gott, daß es gelungen ist, die<br />
Gefahr von euch abzuwenden.<br />
Der erwartete Beifall bleibt aus. Ein<br />
paar Sekunden ist es völlig ruhig. Etwas wie<br />
ungläubiges Staunen liegt in der Luft.<br />
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