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Spur - Hochschule für bildende Künste Hamburg

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____ _<br />

(K)ein Nachruf auf<br />

QWERTZUIOPÜ<br />

Wer nicht gerade Rolf Roggenbucks einzigartigen<br />

Roman .. Der Nämlichkeitsnachweis" ( 1967 !) kennt<br />

und in erlesener Erinnerung bewahrt hat, um dessentwillen<br />

seinem Autor heute noch der Arno­<br />

Schmidt-Preis f.!achzuwünschen ist, der mag<br />

QWERTZUIOPU für die unerklärliche Entgleisung eines<br />

Setzcomputers oder launige Eigenmächtigkeit<br />

eines zeichengeplagten .. Säzzers" halten, beim<br />

Sprechversuch vielleicht auch für eine aleatorische<br />

Lautkombination -,für etwas Bezeichnendes jedenfalls<br />

kaum. Immerhin geriete er mit den Querverweisen<br />

aus der Hinterhand eigener Erfahrung - z.B. mißmutig<br />

an seiner bescheidenen Olivetti Lettera 36 C -<br />

tatsächlich auf eine aussichtsreiche <strong>Spur</strong> der scheinbar<br />

sinn- und regellosen Zeichenfolge. Aber gleich<br />

auf Anhieb offenbart es sich wohl nicht, dieses<br />

QWERTZUIOPÜ, um dennoch nachdrücklich Zeichen<br />

zu setzen, und zwar gerade auf Anhieb: nämlich<br />

dem der zweiten Tastenreihe von oben auf einer<br />

handelsüblichen Schreibmaschine, links beginnend.<br />

klassischen Typenhebelmechanik,<br />

wonach eine eher bedarfswidrige,<br />

also tempodrosselnde<br />

Buchstabenanordnung auf dem<br />

Tastenfeld geradezu angezeigt<br />

war, um jener fatalen Neigung<br />

derTypenhebelentgegenzuwi~<br />

ken, sich bei allzu rasanter Anschlagsgeschwindigkeit<br />

heftigst<br />

ineinander zu verklemmen.<br />

Also auch damals - wenngleich<br />

unter umgekehrten Vorzeichen<br />

- keine ars combinatoria,<br />

sondern wohldurchdachte<br />

Buchstabierung des technisch<br />

Machbaren.<br />

Und dennoch : Mit dem Verschwinden<br />

von QWERTZUIOPÜ<br />

verlieren wir nicht nur ein Souvenir<br />

des maschinierten Schreibens<br />

aus der Alltagsweit der Gegenwart<br />

an die bloße Erinnerung,<br />

sondern auch ein besonders<br />

anschauliches Stück konkreter<br />

Poesie, eine Fangzeile gewissermaßen<br />

und seit Rolf Rog ­<br />

genbucks .. Nämlichkeitsnachweis"<br />

zugleich ihr konkretestes<br />

Zustandswort -, genial erkannt,<br />

während er, sagen wir, über einer<br />

schlichten Adler Comtessa<br />

Reiseschreibmaschine die Zeichen<br />

der Zeit befragte. Roggenbuck<br />

war es, der QWERTZUIO­<br />

PÜ das angemessene literarische<br />

Denkmal setzte mit einem<br />

Roman, der die Was-Frage des<br />

Erzählens mit der Wie- Frage<br />

So unvertraut ist also zumindest<br />

der Anblick dieser Buchstabenkombination<br />

eigentlich nicht.<br />

Und wenn man bedenkt, wie viele<br />

Schreibmaschinengenerationen<br />

sie inzwischen überdauert<br />

hat, seit 1873 Philo Remington<br />

-nach Endedesamerikanischen<br />

Bürgerkriegs - von Schußwaffenserien<br />

auf typewriterumstellte,<br />

so nimmt es fast ein wenig<br />

wunder, daß QWERTZUIOPU<br />

oder doch wenigstens QWERTZ<br />

nicht auch - wie früher einmal<br />

Abc und später beispielsweise<br />

BTX- zum kulturtragenden Begriff<br />

geworden ist -, symbolisch<br />

zumindest für die technische Alphabetisierung<br />

des schriftsprachlich<br />

versierten Menschen.<br />

Obschon buchstäblich vor<br />

der Hand liegend, blieb diese<br />

sprachhistorische Gelegenheit<br />

eines sinnfälligen Neologismus<br />

ungenutzt, und inzwischen wird<br />

die Schreibtischaussicht auf die<br />

QWERT-Zeile wohl alsbald der<br />

Vergangenheit angehören :<br />

Denn aus Amerika dringt die<br />

Kunde eines neuen Tastenfeldes,<br />

das dort bereits einen<br />

Marktanteil von etwa 10% erobert<br />

hat. Entwickelt wurde es<br />

von dem 1975 gestorbenen Psychologen<br />

und Ergonomen August<br />

Dvorak an der Universität<br />

Washington, und die Neuerung<br />

dieses offenbar erfolgreichen<br />

opus posthumum langjährige<br />

Schreibbürostudien besteht<br />

eben in der völlig veränderten<br />

Zeichenanordnung auf dem Ta ­<br />

stenfeld : Nicht mehr QWERT­<br />

ZUIOPÜ fügt sich dort auf Fin ­<br />

gerkuppenabstand aneinander,<br />

sondern " ;.PYFGCRL?- gar nicht<br />

zu sprechen von den anderen Ta ­<br />

stenreihen oder erst von den<br />

notwendig werdenden Um- und<br />

Nachschulungskursen für .. perfekte<br />

Schreibmaschinenkenntnisse".<br />

Zweifellos soll die Dvorak­<br />

Tastatur dazu beitragen, auf<br />

möglichst angenehme Weise<br />

ein höheres Schreibtempo erreichen<br />

und durchhalten zu können.<br />

Schließlich sind auch die<br />

Zehn-Finger- Fertigsten noch<br />

immer weit davon entfernt, 15<br />

1 / 2 Zeichen zu Papier zu bringen,<br />

pro Sekunde, versteht sich<br />

(= 930 Anschläge in der Minute);<br />

dazu nämlich bot vor Jahrzehnten<br />

schon die elektrische<br />

Schreibmaschine alle technischen<br />

Voraussetzungen, und<br />

noch den eifrig bemühten Benutzer<br />

elektronisch ausgestatteter<br />

Kugelkopf- und Typenradmaschinen<br />

läßt man bis heute<br />

über die stets beibehaltene<br />

QWERTZ-Tastatur stolpern. Sie<br />

aber verdankt sich der pionierhaften<br />

und handfesten Einsicht<br />

in die Trägheitsmomente der<br />

J. F. Bory

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