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Spur - Hochschule für bildende Künste Hamburg

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Luft, die durch Erhitzen entsteht.<br />

Der Prozeß schritt voran. Aus dem "Nomen",<br />

der .,Eigenname", wird das Wort<br />

"Namen". Aus dem Geheimnis der Magie<br />

gehen die Bedeutungen verloren. Das daran<br />

"Eigene" verschwindet. Der Name der<br />

Düfte in der Zivilisation ist Effekt. Entsprechend<br />

werden sie ohne instinktiven Zweck,<br />

ohne mythologisches Ziel ausgesandt. Ungelesen<br />

bleiben sie und kennen nurmehr<br />

die Verwendung von angenehmn und<br />

unangenehm, von Lust und Tod. icht<br />

mehr Sprache sind die Düfte oder Bedeutung,<br />

sondern Wirkung. Geruch und Lust,<br />

Geruch und Tod, das eine ist die Wirkung<br />

aus dem anderen.<br />

Doch gleichzeitig beginnt eine parallele<br />

Entwicklung. Während "Nomos" in "Namen"<br />

sich verwandelt, wird allmählich sowohl<br />

das Geheimnis der Magie als auch die<br />

Grammatik der atur verdoppelt. Neben<br />

die Zivilisation tritt die Kultur. Neben den<br />

Nomos das Phänomen. Das ist die Poetik<br />

des Duftes, die aus dem Geheimnis entspringt<br />

und doch nicht das Geheimnis ist.<br />

Der Odeur der Seele kehrt wieder im<br />

Parfum. Das Od der menschlichen Ausstrahlung<br />

kehrt in den Duft der persönlichen<br />

Note. Einer Dame ein anderes Eau de<br />

Cologne zu schenken denn das von ihr gewählte<br />

verkennt die Einzigartigkeit der Edlen.<br />

Bereits die ägyptischen Göttinen waren<br />

an ihrem Duft zu erkennen. Das japanische<br />

Mittelalter hatte gar die Kultur der<br />

Düfte so weit entwickelt, daß die Hülle der<br />

Adligen kein zweitesmal zu finden war.<br />

Das ist die Poetik des Duftes, die aus der<br />

Natur entspringt und doch nicht die Natur<br />

ist. Die Kunst der Parfumeure wird die<br />

Kunst der richtigen Dosierung der Pfortengerüche.<br />

Nicht die Abwesenheit der sogenannten<br />

unangenehmen Gerüche ist es, die<br />

den Wohlgeruch auszeichnet, sondern die<br />

in ihm enthaltenen <strong>Spur</strong>en der Absonderung.<br />

Die Dame fuhrt den Hund an der Leine.<br />

Der Flieder verströmt vor dem Welken.<br />

Der Liebende ahnt die Künstlichkeit des<br />

Unterschieds und versinkt.<br />

"Dir zu mich neigend, Königin der Angebeteten,<br />

glaubte ich deines Duftes Blut<br />

zu atmen."<br />

54<br />

"Die Nacht verdichtete wie eine Wand<br />

sich, und meine Augen im Dunkeln errieten<br />

deine Augensterne, und ich trank deinen<br />

Hauch, o Süße, o Gift!"<br />

"Diese Schwüre, diese Düfte, diese<br />

unendlichen Küsse, werden sie aus einem<br />

Abgrund, den auszuloten uns verwehrt ist,<br />

wiederkehren einst, wie in den Himmel die<br />

verjüngten Sonnen steigen, nachdem sie in<br />

der Tiefe der Meere sich gebadet haben? -<br />

0 Schwüre! 0 Düfte! 0 unendliche Küsse!".<br />

Das ist die Poetik des Duftes, die Baudelaire<br />

1857 zu besingen wußte und mit deren<br />

"Symbolismen" sich eine neue Art, sie zu lesen,<br />

entwickelt.<br />

ImJahre 1884 veröffentlichtJoris-Karl<br />

Huysmans sein Buch "Gegen den Strich".<br />

Wenn sieben Jahre später Oscar Wilde seinen<br />

"Dorian Gray" ins Verderben stürzt, indem<br />

er ihm das "gelbe Buch" in die Hand<br />

gibt, so wird dieses Buch Huysmans symbolistischer<br />

Roman sein, in dessen Dekadenz<br />

die Kunst zum absoluten Gegensatz<br />

der Natur geworden ist. Die ästhetizistischen<br />

Neigungen, denenJean Des Esseintes<br />

darin nachgeht, sind allesamt von dem<br />

Motiv geleitet, die Sinnlichkeit vom Körper<br />

loszulösen und in die Kultur des Geistes zu<br />

transzendieren.<br />

Nicht dasRülpsen, Furzen, Saufen,<br />

Fressen, Schwelgen und Huren eines Rabelais<br />

regt hier die Sinne an, sondern das Einstellen<br />

der Nahrungsaufnahme, die durch<br />

Drogen erzeugten künstlichen Farb- und<br />

Geruchssynästhesien oder die Parfumorgel,<br />

die den Duft auftechnische Weise verströmt.<br />

Die Grammatik der Natur hat sich<br />

auf den Monolog des Menschen mit sich<br />

selbst reduziert, der Instinkt ist zum gezielten<br />

Stimulus geworden.<br />

Neben Baudelaire war es unter anderem<br />

Emile Zola, der Huysmans Symbolismus<br />

hervorbrachte. In dessen .,Naturalismus"<br />

wiederholt sich das "Symbol" natürlich.<br />

Er schrieb im Jahre 1875 den fiinften<br />

Roman seines Zyklus "Les Rougon-Macquart",<br />

der den Titel trägt : "Die Sünde des<br />

Abbe Mouret." Weibliche Hauptperson<br />

darin ist Albine, die Nichte des menschenfeindlichen<br />

PhilosophenJeanbernat. Während<br />

bei den Symbolisten die Blumen geruchlos<br />

sind, läßt Zola sein Mädchen Albine<br />

nach einer unglücklichen Liebe in einem<br />

Meer von Blumen, die einen geschlossenen<br />

Raum fiillen, den freiwilligen Tod suchen.<br />

Die Blumen atmen aus, diejungeFrau den<br />

Lebenshauch und Gandharva werden satt.

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