Spur - Hochschule für bildende Künste Hamburg
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menschlichen Körpers hieß und das als<br />
Wortstamm gleichermaßen dem Begriff<br />
"Odem" zugrundeliegt, wie dem "Odeur",<br />
womit früher der Duft, der Duftstoff, der<br />
Wohlgeruch bezeichnet worden war. ",ch<br />
rieche Menschenfleisch", lauten die drohenden<br />
Worte im Märchen von des Teufels<br />
drei goldenen Haaren, und erst der in Feuer<br />
und Rauch gegarte Braten vermag diesen<br />
Geruch zu überdecken. Nurdurch die Verbindung<br />
der asemit dem Gaumen gelingt<br />
gleichsam die Ablenkung von jenem<br />
Hauch, der den Duft mit dem Leben<br />
vereinte.<br />
Ist das nicht der Absturz des Geheimnisses<br />
in die Banalität? Als der niedere Sinn<br />
wird das Riechen mittlerweile angesehen,<br />
weil ohne ihn auszukommen leichter zu<br />
verkraften sei als der Verlust des Sehens,<br />
des Hörens, des Schmeckens, des Tastens.<br />
Dabei ist es naheliegend, daß in einer Welt<br />
von Blinden das Sehen wenig zählt. Der<br />
Einäugige wird König.<br />
Was fur ein Schrecken durehRihre uns,<br />
wenn wir plötzlich von Dunkelheit umgeben<br />
wären. Was fur eine Trauer, wenn das<br />
Ohr nicht mehr hörte, Zunge und Gaumen<br />
nicht mehr schmeckten, die Haut nichts<br />
mehr spürte. Wie anders die Nase. Kein Organ<br />
ist eitler gegenüber dem Unschönen.<br />
Und das Schöne bleibt beschränkt auf eine<br />
seltene Überraschung. Die Sinnlichkeit<br />
und Intimität des Wohlgeruchs wird lediglich<br />
wiedererkannt. Der kurze Anflug einer<br />
Erinnerung, der im Duft des Frühlings, im<br />
Parfum der Geliebten auillackert. Der Abstrakteste<br />
der Sinne ist der Geruch und<br />
längst ist er auf dem Wege, das Schicksal<br />
des sechsten Sinns zu teilen.<br />
Wie anders dagegen bewegen sich viele<br />
Tiere. Sie erkennen die Dinge an den Gerüchen.<br />
Sie begrüßen sich mit Wolken. Sie<br />
vermehren sich duftend.<br />
Während wir der Allmacht des Auges<br />
unterliegen, identifizieren jene ihre Welt<br />
schnüffelnd. Schnüiller wird wiederum abwertend<br />
der genannt, der seine ase zu<br />
weit in etwas steckt, was verborgen bleiben<br />
soll. Sehen genügt. Dabei können Dinge in<br />
der Luft liegen, die einem Sehen und Hören<br />
vergehen lassen. Wer dann nicht einen Rieeher<br />
hat fur das Kommende, der wird bald<br />
die Nase voll haben und verduften wollen,<br />
weil ihm alles stinkt. War es in den magischen<br />
Zeiten nicht einzig der Geruch von<br />
Pech und Schwefel, der den Satanall seiner<br />
Täuschungskünste zum Trotz entlarven<br />
konnte? Doch schon damals hatte nicht jeder<br />
eine Nase fur die Gefahr und hielt so<br />
manches fur dufte, was seine Nasenspitze<br />
besser hätte wissen sollen. ,Jemanden nicht<br />
riechen können" - was davon blieb ist oft<br />
genug nur das "nicht riechen können".<br />
Doch nicht allein die Fähigkeit ist es, die<br />
verschwand, auch die Gerüche selbst haben<br />
vielfach die Welt verlassen. Anstelle<br />
des Gestanks der Epidemien in den Straßen<br />
trat das Desinfektionsmittel in den Hospitälern.<br />
Statt der Kloaken riecht die Hygiene.<br />
Die Drüsen sind still geworden, und das<br />
Blut wird konserviert. Der Kunstdünger hat<br />
den Odem abgelöst und der Wohlgefallen<br />
über das gelungene Essen wird entsprechend<br />
mit Worten statt mit lutheranischer<br />
Geste gelobt. In ihren Anfangen wußten<br />
später dann die Maschinen noch, wie man<br />
Nasen zum Rümpfen bringt, ehe deren Abgase<br />
geruchlos vergifteten. Beiall dem handelt<br />
es sich um jenen Zivilisationsprozeß,<br />
der die Düfte und Gerüche beseitigte. Die<br />
Entwicklung zur Kultur ist die Entwicklung<br />
zum Deodorant und - sofern dieses Wort<br />
mit "Entdufter" übersetzt werden kann -<br />
selbst eine deodorante Entwicklung.<br />
Das Geheimnis ist verlorengegangen.<br />
Von allen Vieren sind wir aufgestanden. Mit<br />
erhobener Nase proben wir den aufrechten<br />
Gang. Das sei Verdrängung schlechthin,<br />
mutmaßte Sigmund Freud; die Abstraktion<br />
der Gerüche als Anfang der Zivilisation.<br />
Nicht mehr markiert werden die Räume,<br />
sondern umzäunt. Seither dann die Frage,<br />
wohin mit dem Mist?<br />
Die Vesuv-Straße in Pompeij verdeutlicht<br />
sie unmittelbar. Einem dreidimensionalem<br />
Zebrastreifen vergleichbar verbinden<br />
Steinblöcke die beiden Gehwege der<br />
Straßenseiten. Durch ihre Zwischenräume<br />
wühlen sich die Räder der Fuhrwerke im<br />
Morast. Die ausgetretene Oberfläche der<br />
Quader erlaubt die Überquerung mit trokkenem<br />
Fuß. Am 24. August des Jahres 79 ist<br />
es der Vesuv, der die Verdrängung rückgängig<br />
zu machen versucht. och einmal<br />
drückt er die Horden in den Staub und läßt<br />
sie riechen, wie die Erde riecht und der<br />
Tod. Sein Unternehmen bleibt eine einsame<br />
Tat. Denn längst ist der Mensch seßhaft<br />
geworden, und die Seßhaftigkeit ist es, die<br />
die Gerüche konzentriert. Die Seßhaftigkeit<br />
ist es, die die Hygiene nach sich zieht.<br />
So gehört es zu den Paradoxien des<br />
Duftes, daß die in freier Wildbahn lebenden<br />
Tiere den scharfen, ihm nunmehr eigenen<br />
Geruch des Menschen schon von weitem<br />
wittern, während er ihn selbst selten wahrnimmt.<br />
Auch "transpirieren" wilde Tiere<br />
nicht, weshalb der zweite Widerspruch besagen<br />
kann: Wer riechen kann, riecht nicht<br />
- wer riecht, kann nicht riechen. Und das<br />
dritte Gegenteil vollzieht sich über die deodorante<br />
Entwicklung, indem das Ausmerzen<br />
der Gerüche in selber Weise beginnt,<br />
wie durch die Zivilisation Gerüche erst erzeugt<br />
und virulent werden.<br />
" omos" nannten die alten Griechen<br />
das Gesetz. " omos" ist der Begriff der Philosophie,<br />
der das Ding an sich, das Wesen<br />
der Dinge umschreibt. Das Wesen des Duftes<br />
ist die Sprache des Körpers. Der Duft die<br />
Grammatik der atur. Instinktiv wird<br />
dieseGrammatik verwendet. Ihre Zweckmäßigkeit<br />
bedarfkeiner Übersetzung. Der<br />
Duftder ahrungistdie ahrung.DerDuft<br />
des Feindes der Feind. Der Tod des Artgenossen<br />
keine Vorstellung, sondern sein Geruch.<br />
Die Fortpflanzung keine Fantasie der<br />
Lust, sondern Duft der Arterhaltung. Der<br />
Duft ist das Leben. Geruch ist der Instinkt,<br />
der nichts Stinkendes kennt.<br />
Aus dem Wort "Nomos" wird im Lateinischen<br />
das Wort" omen". Aus dem Gesetz<br />
der "Eigenname". Denn aus der Grammatik<br />
der atur hatte sich das Geheimnis<br />
der Magie entwickelt. Nicht unmittelbar<br />
mehr ist die Sprache der Düfte, statt dessen<br />
bedeutungsvoll. Der Geruch der Verwesung<br />
ist nurmehr der Tod des Körpers, der<br />
die Seele befreit. Die vier Elemente wiesen<br />
uns den Code, demnach der "Spiritus"- der<br />
Geist, die Seele, verbunden ist mit "spirare"<br />
- atmen, und heute "transpirieren" - ausdünsten.<br />
Der Dunst, die Feuchtigkeit der<br />
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