Spur - Hochschule für bildende Künste Hamburg
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Media Burn, 1975<br />
kende) Erfahrung erlaubt. Mühelos bewegt<br />
sich der Akzeptanzforscher, ob echt, ob<br />
falsch, ob real, ob fiktiv in beiden Lagern:<br />
dem der Freunde, dem des Feindes. Die<br />
Grenzen spielen fur ihn keine Rolle, auch<br />
nicht die Widerstandsformen, ob Folklore,<br />
ob Gewaltakt. Ihm stehen gleich dem Saboteur<br />
in einem Industriesystem alle Möglichkeiten<br />
offen. Die inszenatorische Erfindungdes<br />
Films entzieht sich der Herrschaft<br />
der Theorieproduktion und der der Handlungsanleitung.<br />
"Zwischenzeit" verwischt<br />
die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit,<br />
öffuet die Realität, macht sie operabel<br />
und nirnmtdieAngstvordem,zu dem<br />
der Fälscher, endlich, freien Zugang hat.<br />
Der Film klopft das Vorgefundene zum eigenen<br />
Gebrauch ab. Seine ästhetische Strategie<br />
ist daher der Einsatz (vorgefundener)<br />
Reportage-, Interview- und Statement<br />
Technik und der Einsatz (vorgefundener)<br />
Texte: vom Anarchisten und Revolutionär<br />
Alexander Herzen (Paris 1848) über das<br />
Kauderwelsch der Zeitschrift fur Semiotik<br />
(Tübingen 1983) bis zu den amtlichen Verlautbarungen<br />
der Bundesrepublik von<br />
1985. Seine politische Strategie ist die der<br />
utzung (des vorhandenen Arsenals) zum<br />
eigenen Gebrauch. Was ist die Jahre geschehen?<br />
Was macht man damit? Die "Zwischenzeit"<br />
entdeckt ihreGeschichte. Die<br />
neue Wissenschaft ist fröhlich. Vorbei die<br />
dumpfe Erwartung des Eintritts der nächsten<br />
Utopie.<br />
Es wäre zu wenig, "Zwischenzeit" dem<br />
Filmmedium zu überlassen (vgl. epd Film<br />
1/86), da hier Kultur und Lebensweise einen<br />
Ausdruck findet, die sich von keiner<br />
Herrschaft sagen läßt, was zu tun ist. Ich habe<br />
versucht, die Strategie, die selbstredend<br />
vor den Grenzen der diversen Medien keinen<br />
Halt macht, zu beschreiben (in einem<br />
Beitrag fur "Kultur auf der Kippe", Elefanten<br />
Press 1985). Aber vielleicht sollte man<br />
es dabei belassen, ein Bild zu finden: einen<br />
Vergleich zwischen dem zentralen Platz<br />
des sozialdemokratischen Alstervergnügens<br />
fur alle (dem <strong>Hamburg</strong>er Rathausmarkt)<br />
und der inszenierten Platzwirklichkeit<br />
vom Winterfeldtplatz und Roten Platz,<br />
in der weder die Stadt Berlin noch die Stadt<br />
Moskau was zum Herrschen haben.<br />
Erstens. Ein Fest auf dem Rathausmarkt.<br />
1983. Von allen fur alle. Ein Schalmeienzug<br />
in weißroten Uniformen. Eine<br />
Pantomimin. Auf den Planken einer historischen<br />
Barkasse aus dem Schiffsmuseum<br />
bietet eine Aerobicgruppe das Allerneueste.<br />
Die Menge treibt weiter, vom Bierausschank<br />
zum Würstchenstand. Der Verkehr<br />
wird um die Bannmeile herumgeleitet. Das<br />
Volk des Volksfestes ist im Herrschaftszentrum.<br />
Der Blick geht auf das Rathaus, es ist<br />
so gut wie besetzt. Die neue Herrschaft simuliert<br />
die alte. Karnevalsstimmung in<br />
<strong>Hamburg</strong>. Was an den Rand geraten ist, da,<br />
wo der Alltag der Stadt weitergeht, beeilt<br />
sich, auf die Platzmitte zu kommen. Im<br />
Zentrum ist die Welt in Ordnung.<br />
Zweitens. Der Rote Platz, der wie von<br />
ungefähr in den Berliner Winterfeldtplatz<br />
übergeht, kommt in der Musik-, Film-, Mal-<br />
Performance der Gruppe Notorische Reflexe<br />
in Unordnung. Der Platz der Plätze ist<br />
dezentralisiert. Einer der vielen neuen Mittelpunkte<br />
ist die Berliner Kamera, die am<br />
Rand steht und einen Stechschritt vorm<br />
Leninmausoleum aufuimmt und gleichdraufPassauten<br />
in irgendwelchen Straßen<br />
Moskaus. Für sie sind die Bilder gleich nah<br />
und weit. Die Hierarchie ist abgeschafft.<br />
Breschnews Portrait hängt als Diaprojektion<br />
während der Performance über der<br />
Bühne. Aufseinen Mund wird ein Film projeziert:<br />
volle rote Lippen in Bewegung, ein<br />
Synchronton auf russisch. Der rote Herrscher<br />
ist von den Notorischen Reflexen liebevoll<br />
entthront. Als lebendes Poster gereicht<br />
er der Berliner Gruppe zur Zierde -<br />
wie die anderen vielen Medienstücke auch.<br />
Mehr noch : die Notorischen Reflexe arbeiten<br />
mit ihm von gleich zu gleich. Er dient<br />
jetzt ihren Zwecken, und doch bleibt er der<br />
gute alte Breschnew. Auf dem Winterfeldtplatz<br />
geraten die vielen neuen Zentren in<br />
lebhafte Bewegung. Die Filmprojektion<br />
zeigt Videoaufnahmen von einer Wanne,<br />
die geschaukelt wird, bis sie endlich kippt.<br />
Und brennt. Überblendet sind Finger, die<br />
auf einer Gitarre spielen: Das Spiel geht<br />
weiter: an einem anderen Zentrum, das in<br />
die großen Computer nicht einprogrammiert<br />
ist und der Erfassung durch die<br />
Obrigkeit sich entzieht. Auch die Allschlußszene<br />
wird nicht hinterfragt. Schlagstöcke<br />
sausen auf die Demonstranten, und<br />
spräche man jetzt vom Bullenterror, wäre<br />
es mit der Fortsetzung der Aktivität vorbei,<br />
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