Thermikfliegen Sonderheft Thermikfliegen Sonderheft (Vorschau)
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Kleine Ornithologie<br />
für Modellflieger<br />
Torsten Falk<br />
Diese Vögel bringen Sie nach oben<br />
Es gibt tatsächlich immer noch Modellpiloten,<br />
die steif und fest behaupten:<br />
„Nur Bussarde kreisen in<br />
der Thermik, sonst nichts.“ Das ist,<br />
bei allem Respekt, natürlich völliger<br />
Unsinn. Und wenn Sie demnächst<br />
mit offenen Augen durch Mutter Natur<br />
laufen, ganz besonders in den<br />
thermisch hoch explosiven Frühjahrsmonaten<br />
– werden Sie mir blitzschnell<br />
zustimmen.<br />
Nehmen wir nur die Schwalben (Hirundinidae),<br />
wie bekannt, macht ja eine Schwalbe<br />
noch keinen Sommer. Monty-Python-<br />
Fans dürfen an dieser Stelle gern eine halbe<br />
Stunde über die Tragkraft der europäischen im<br />
Vergleich zu den afrikanischen Schwalben diskutieren!<br />
Es gibt tatsächlich 75 Arten in der Familie<br />
der Schwalben.<br />
Stimmt, die kreisen nicht nur in der Thermik.<br />
Die kreisen UND futtern in der Thermik! Und<br />
das pünktlich wie die Maurer! Alte Bauernregeln<br />
legen die Ankunft der Schwalben bei uns auf<br />
Ende März. Wie gut das zu der wilden Frühjahrsthermik<br />
passt. Sie haben sich letzte Saison<br />
gewundert, dass in einem goldenen Oktober mit<br />
herrlicher, milder Thermik keine Schwalben mehr<br />
Zwei „Geier“ im Hausbart: Nicht einmal 20 Meter über dem Boden kreisen hier die<br />
beiden Mäusebussarde. Typisch ist das Gekreische dabei. Idealerweise bemerken<br />
Sie das während Ihres Flugs und steuern diesen Bart an<br />
da sind? „Am Tag von Maria Geburt fliegen die Schwalben furt!“, sagen die<br />
alten Bauern – und das ist der 8. September.<br />
Manchmal sieht man Dutzende dieser ungewöhnlich stromlinienförmigen<br />
Federflieger nur fünf bis zehn Meter über dem Boden, wie sie alle<br />
zusammen – und das für die große Anzahl erstaunlich lautlos, wir hören<br />
nur ein leises Zwitschern und Rauschen – in einem Bart kreisen. Der Bart<br />
hat in dieser geringen Höhe vielleicht einen Durchmesser von vier oder fünf<br />
Metern. Die Schwalben kreisen eng, fünf Minuten und länger. Das ist kein<br />
wirkliches oder gar seltenes Naturschauspiel, das ist Frühstück, eine Art<br />
ornithologischer „Fly in“.<br />
Was ist passiert? Die aggressive Thermik reißt Abertausende winziger<br />
Insekten vom Boden und aus den Büschen hoch in die Luft. Die freuen<br />
sich – hach, ist das herrlich (Neudeutsch: chillig!), bei dem schönen Wetter<br />
ohne anstrengenden Flügelschlag in der lauen Luft zu schweben. Bis<br />
urplötzlich so ein scharfer Schnabel, riesig weit aufgerissen, aus der tief<br />
stehenden Sonne angeflogen kommt. Kreisch, denkt das Insekt entsetzt<br />
seinen letzten Gedanken! Schluck, freut sich die Schwalbe, kreist weiter<br />
in dem Bart und kann den kleinen Hals nicht voll genug bekommen.<br />
Achten Sie auch hier bitte auf die Details, ich muss zugeben, dies ist mir<br />
erst während der langen Stunden aufgefallen, in denen ich versucht habe,<br />
futternde Schwalben im Thermikflug zu fotografieren: Donnerwetter, sind<br />
die Viecher auf dem Weg von Bart zu Bart schnell! Zwischen den einzelnen<br />
Flügelschlägen legen die ihre kleinen Flügel eng an den Körper und „stürzen“<br />
so quasi zwei, drei Meter in der Horizontalen, ohne dabei großartig an<br />
Höhe zu verlieren – beeindruckend. Und damit nicht genug: Immer wenn<br />
die Schwalben in der Luft ein Insekt schlucken, schütteln sie sich kurz aber<br />
heftig nach links und rechts. Die Flugbahn wird in diesen Augenblicken<br />
total chaotisch. Das bringt selbst den modernsten Autofokus, der bei einem<br />
rasenden Formel-1-Renner ganz entspannt bleibt, blitzschnell an den Rand<br />
des Wahnsinns ...<br />
Und Sie? Sie fliegen bitte erst in diesen verlockenden, kaum zu übersehenden<br />
Bart hinein, wenn die kleinen Federviecher satt und am Boden<br />
22 Thermik 2012