Thermikfliegen Sonderheft Thermikfliegen Sonderheft (Vorschau)
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◀ Teamwork: Zwei Spitzenpiloten in einem Bild – Martin<br />
Herrig und Henrik Vogler fliegen seit Jahren zusammen<br />
im F3K-Team Germany. Wer die beiden live<br />
bei einem Wettbewerb erlebt hat, lernt schnell die folgende<br />
Regel: Wenn man selber keine Thermik findet,<br />
einfach die beiden im Auge behalten. Das Problem<br />
dabei ist nur: Da, wo die beiden kreisen und steigen,<br />
kommt Otto Normalflieger nicht einmal in die Nähe ...<br />
tern ist. Es ist aber mit Sicherheit die in Bezug<br />
auf Thermik unmittelbarste Flugaufgabe. <strong>Thermikfliegen</strong><br />
bei F3B heißt großräumiger denken<br />
und die thermischen Abläufe in einem weiträumigeren<br />
Zusammenhang zu verstehen: Mit der hohen<br />
Gleitleistung dieser Segler können innerhalb<br />
der Rahmenzeit von zehn Minuten sehr große<br />
Distanzen zurückgelegt werden. Damit ergeben<br />
sich potenziell sehr viele Möglichkeiten, Thermik<br />
aufzuspüren. Andererseits sind sie wesentlich<br />
schwieriger eng und flach zu kreisen.<br />
Die Klasse F3F erfordert die Fähigkeit des Piloten,<br />
sich während des Wertungsflugs auf thermisch<br />
verändernde Bedingungen einzustellen<br />
und seinen Flugstil entsprechend anzupassen.<br />
Modell: Gib unseren Lesern bitte einen Tipp aus<br />
der Praxis – was sind für dich die deutlichsten<br />
Anzeichen für gute Thermik?<br />
Martin Herrig: Für mich sind die deutlichsten<br />
Anzeichen starke Temperaturschwankungen in<br />
Bodennähe in Verbindung mit deutlichen Sprüngen<br />
in Windrichtung und -stärke.<br />
Modell: Jeder Profi hat eine andere Meinung:<br />
Kreist du im Bart GEGEN die Drehrichtung des<br />
Bartes oder MIT dem Bart – und warum?<br />
Top-Pilot: Martin Herrig gehört international zu den<br />
Spitzenpiloten der F3K-, F3B- und F3F-Szene. Bei allen<br />
diesen Wettbewerbsklassen geht es nicht ohne<br />
Thermik, und Martin weiß, wie man sie aufspürt, zentriert<br />
– und dann optimal nutzt<br />
Thermik 2012<br />
Martin Herrig: Aus meiner Erfahrung gesehen passiert es relativ selten,<br />
dass ein Bart eine deutliche Drehrichtung besitzt. In jedem Fall ist er dann<br />
sehr stark und eng. Das heißt für mich alles daranzusetzen, nicht aus der<br />
Thermik herauszufallen. Kreist man gegen die Drehrichtung, passiert das<br />
häufiger als umgekehrt. Allerdings wechsle ich in derartigen Fällen nur<br />
selten die Kreisrichtung, da sich dadurch das Risiko, aus der Thermik zu<br />
fallen, wesentlich erhöht.<br />
Modell: „Zentrieren“ ist eines der heiß diskutierten Themen an den Flugplätzen.<br />
Wie achtet ein Spitzenpilot wie du darauf, dass er nicht aus dem<br />
Bart fällt?<br />
Martin Herrig: Die Grundregel lautet, immer zum stärksten Steigen zu<br />
versetzen. Das ist bei schwach windigem Wetter ziemlich einfach. Ist es<br />
dagegen eher windig, muss mit der Thermik versetzt werden. Da ist es oft<br />
besser, sich grundsätzlich etwas mehr in Richtung Lee zu orientieren und<br />
im Gegenwindabschnitt eines Kreises den Punkt mit dem besten Steigen<br />
abzupassen. Dies ist dann der beste Zeitpunkt, wieder ins Lee abzubiegen.<br />
Modell: Welchen Vögeln vertraust du am meisten bei der Thermiksuche?<br />
Martin Herrig: Schwalben, sofern es viele sind und sie sich längere Zeit an<br />
einer Stelle aufhalten. Am meisten lernen kann man aber von Bussarden,<br />
wenn man sich nur die Zeit nimmt, ihnen beim Fliegen zuzusehen und dabei<br />
eigene Flugsituationen zu reflektieren.<br />
Modell: Als DLG-Wettbewerbspilot ist es für dich selbstverständlich, dass<br />
du Thermik in Augenhöhe erwischst und oft minutenlang nutzt. Viele Leser<br />
haben so etwas noch nicht gesehen. Erkläre ihnen doch bitte, wie so etwas<br />
funktioniert, wie man in dieser Situation steuert.<br />
Martin Herrig: Ist man erst einmal so tief, dann braucht es einiges Glück,<br />
überhaupt noch Thermik zu finden. Beim Kreisen muss man versuchen,<br />
gleichzeitig flach, langsam und eng zu fliegen. Wer das gut kann, braucht<br />
nicht einmal viel zu steuern. Vielmehr kommt es auf den zeitrichtigen und<br />
präzisen Einsatz der Ruderfunktionen an. Eine Grundregel gilt in jedem<br />
Fall: Machst du auch nur den kleinsten Fehler, ist der Flug quasi zu Ende.<br />
Deshalb muss man hier sehr konzentriert sein.<br />
Modell: Wettbewerbssituation – nach ein paar Minuten trägt dein Bart nicht<br />
mehr. Niemand sonst ist in guter Luft. Wie suchst und findest du in der Eile<br />
einen neuen Bart?<br />
Martin Herrig: Indem ich mir noch während des Kreisens fortwährend ein<br />
Bild von dem mache, was um mich herum passiert und damit mögliche<br />
Szenarien für den weiteren Flug ableite. Trägt der Bart nicht mehr, brauche<br />
ich nur das aktuell beste Szenario weiterzuverfolgen.<br />
Modell: Erfahrene Modellflieger schwärmen oft von gigantischen<br />
Hammerbärten, die mit jeder weiteren Erzählung stärker werden. Bist du<br />
jemals in einem Bart geflogen, der dein Modell gefährdet oder sogar zerlegt<br />
hat?<br />
Martin Herrig: Nein, eigentlich nicht. Höchstens indirekt, weil die „Fallhöhe“<br />
bei begrenzter Geduld und starker Thermik entsprechend hoch ausfällt<br />
(er lacht). In der Regel bin ich jedoch eher materialschonend unterwegs.<br />
Modell: Was war der ungewöhnlichste Thermikbart, den du dir jemals geschnappt<br />
hast? Vielleicht im Regen, bei Dunkelheit oder über Schnee?<br />
Martin Herrig: Eine der schönsten Situationen habe ich hier an der Teck<br />
erlebt, als ich ganz allein mit meinem DLG im strahlenden Sonnenschein<br />
knapp über einer dichten, geschlossenen Nebeldecke im Tal minutenlanges<br />
„Thermik-hopping“ zwischen langsam aufsteigenden Nebelschwaden<br />
genießen durfte. Ein durchaus märchenhafter Moment mit einer schon fast<br />
unwirklich schönen Note.<br />
Modell: Thermik ist immer und überall! Stimmt diese Aussage für dich?<br />
Martin Herrig: Nein, leider nicht! Sonst hätte ich vielleicht noch ein paar<br />
Titel mehr gewinnen können (er lacht laut). Aber in der Tat sind die Zeiten<br />
„ohne“ Thermik eher seltener als umgekehrt. Man kann in vielen Wettersituationen<br />
Flüge erleben, die andere für undenkbar gehalten hätten. Oft ist es<br />
die Summe aus vielen Kleinigkeiten, die an diesen Tagen über den Erfolg<br />
beim <strong>Thermikfliegen</strong> entscheiden.<br />
Modell: Letzte Frage, kannst du dir ein Leben ohne Thermik vorstellen?<br />
Weg mit allen Seglern auf ebay und vom Erlös einen Brushless mit 30 Kilowatt<br />
kaufen?!<br />
Martin Herrig: Ohne Thermik geht es eigentlich nicht! Vielleicht ohne Modellflugzeuge:<br />
Dann würde ich wieder Zeit haben, Thermik hautnah beim<br />
Gleitschirmfliegen zu erleben.<br />
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