Thermikfliegen Sonderheft Thermikfliegen Sonderheft (Vorschau)
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nach oben auf, bis sie sich mit der kühleren Luft weiter oben ausgleicht.<br />
Und das kann, je nach Wetterlage, erst deutlich jenseits der 800 Meter sein<br />
– höher fliegen Sie wohl kaum.<br />
Jetzt aber diese unfreundliche Inversion: Unser erwärmtes Luftpaket<br />
steigt los, klettert einige Dutzend Meter und kommt plötzlich an die Inversionsschicht,<br />
die wärmer ist – nun kann die warme Luft in gleich warmer<br />
Umgebungsluft logischerweise nicht mehr höher steigen. Das ist die<br />
Decke, gegen die Sie mit Ihrem Segler an solchen höhenreduzierten, aber<br />
frustreichen Tagen kreisen.<br />
Das Fazit dieses hochdramatischen Einakters: Ohne künstliche Hilfe<br />
kommen Sie durch diese Schicht nicht hindurch! Hilfe welcher Art? Ich<br />
kann das böse Wort kaum aussprechen: b-r-u-s-h-l-e-s-s. Nein, wir schummeln<br />
nicht, wir nicht ...<br />
Und wie lange dauert so eine Inversion, ist die nach ein paar Stunden<br />
auf Nimmerwiedersehen verschwunden? Leider nicht! Abgase und die<br />
Staubverunreinigungen in der Luft bleiben oft tagelang als Teil dieser Inversionsschicht<br />
über der Landschaft liegen. Und da in Ballungsräumen über<br />
Großstädten immer mehr an Schadstoffen nachgefüttert wird, aber (durch<br />
den schwachen Wind) nichts davon wegkann, wird die Suppe Tag für Tag<br />
immer dicker – und schon nennt man das Smog. Das ist dieser unübersehbare<br />
Schleier, den Sie deutlich an solchen Tagen sehen. Und als ob das<br />
nicht schon schlimm genug wäre, so eine Inversionsschicht kann durchaus<br />
einige hundert Meter dick sein. Augen zu und durch – und dahinter munter<br />
weiterfliegen – geht also auch nicht. Es gibt aber eine Ausnahme von der<br />
Regel. Sie fliegen in den Alpen. Dann haben Sie exklusiv die Möglichkeit,<br />
mit Ihrem Segler an einem Hang über der im Tal liegenden Inversionsschicht<br />
zu kreisen. Was natürlich von den örtlichen Gegebenheiten (Sie<br />
probieren das bitte nicht in der Matterhorn-Nordwand!) und der realen<br />
Dicke der dunstigen Schicht abhängt. Gut ist: Von oben und der Seite können<br />
Sie die Grenze der Inversion bestens erkennen. Falls Sie neu vor Ort<br />
oder im Urlaub sind: Ortsansässige „alte Hasen“, die wissen immer ganz<br />
genau, wann es wo geht.<br />
Gerade in den Herbst- und Wintermonaten sind diese Inversionswetterlagen<br />
sehr oft zu beobachten, meist in Verbindung mit einer stabilen<br />
Hochdrucklage. Und das bleibt dann gleich über Tage oder Wochen so. Im<br />
späten Frühjahr und Sommer ist das alles kein Thema: Schon früh besitzt<br />
die Sonne viel Kraft und löst die leichten Inversionsschichten, die sich über<br />
die Nacht angesammelt haben, sehr schnell in Wohlgefallen auf.<br />
Was heißt das für uns? Im Herbst und Winter ganz auf ausgedehnte<br />
Thermikflüge verzichten und rund um die Uhr am Simulator im Keller bei<br />
flackerndem Neonlicht „Thermik spielen“? Ein<br />
klares Nein! Gemischtes Wetter mit Sonne, Wolken,<br />
mal ein paar Millimeter Regen oder Schnee,<br />
das alles stört Ihre Kreise in der Thermik selbst in<br />
der kühleren Jahreszeit nicht. Denken Sie daran,<br />
beim Spiel mit der Thermik geht es um Temperaturunterschiede!<br />
Ein Hochsommertag mit vorhergehender<br />
tropischer Nacht ist nicht weniger<br />
frustrierend als eine Inversionslage.<br />
Und wenn Sie an einem Tag mit eindeutiger<br />
Inversion (bei der Sonne und dem blauen<br />
Himmel kann ich einfach nicht stillsitzen!) halt<br />
doch nicht vor dem Fernseher hocken mögen –<br />
greifen Sie zu einem kleinen Segler oder einem<br />
handlichen HLG oder DLG mit einem Meter<br />
Spannweite oder darunter. Kreisen Sie halt nur<br />
die vielleicht 50 Meter bis zum Beginn der blockierenden<br />
Schicht aus, enge, bodennahe Thermik<br />
suchen und finden kann richtig viel Spaß<br />
machen – Übung macht den Meister! Und im<br />
kommenden Frühjahr zeigen Sie Ihren Fliegerkollegen,<br />
wie sich ein ausgebuffter Profi wie Sie<br />
von nur Nasenhöhe bis in den tiefblauen Himmel<br />
schraubt. So hat selbst die lästige Inversion ihre<br />
schönen Seiten ...<br />
Tiefenblick: So sieht das aus, wenn uns im Herbst<br />
oder Winter eine stabile Hochdrucklage die gute Laune<br />
verhagelt. Aufgenommen an einem kühlen Novembernachmittag<br />
2011 auf einer bergigen Anhöhe, etwa<br />
120 Meter über dem Tal. Aber nicht hoch genug, denn<br />
wir sehen noch nicht von oben auf die bräunliche Inversionsschicht<br />
hinab. Lassen Sie das Modell im Auto<br />
und gönnen Sie sich eine leckere Pizza!<br />
Thermik 2012 61