Thermikfliegen Sonderheft Thermikfliegen Sonderheft (Vorschau)
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einen Berg, den 10-kg-Segler geschultert, nur um ihn eine halbe Stunde<br />
später von oben runterzuwerfen. Ein Verhalten, das unsere Mitmenschen<br />
wenigstens als „seltsam“ bezeichnen. Aber um dieses Kapitel zu verstehen,<br />
müssen Sie sich einfach mal ruhig und entspannt ins warme Gras setzen<br />
(vorher bitte gucken, ob das nicht die Gassi-Wiese für die naheliegende<br />
Großstadt ist!) – und dann genüsslich in den Himmel schauen, ins endlose<br />
Blau. Konzentration, suchen Sie sich eine schöne Cumulus-Wolke und<br />
lassen Sie diese nicht mehr aus den Augen. Okay, gelegentlich ein Griff an<br />
das kühle Pils, das ist erlaubt.<br />
Und, sehen Sie da, die Wolke verändert sich, sie durchläuft einen Zyklus.<br />
Vor ein paar Minuten war an der Stelle nur blauer Himmel, wie aus dem<br />
Nichts sammeln sich die ersten weißen Dunstschleier und verbinden sich<br />
zu einer kleinen, noch sehr zarten Wolke. Das Knäuel wird langsam während<br />
der nächsten Minuten größer, an den Seiten entdecken wir Wolkenfetzen<br />
in Spiralform – es sieht manchmal aus wie eine Galaxie im Miniaturformat.<br />
Diese Kringel sind Bereiche von starken Aufwinden, der Kenner weiß<br />
das und fliegt mit seinem großen und stabilen Modell in diese Richtung der<br />
vielversprechenden Thermik. Erinnern Sie sich bitte daran: Unser Thermikschlauch<br />
reicht vom Schatten der Wolke am Boden bis nach oben unter die<br />
Wolke. Natürlich nicht pfeilgerade, und in der Praxis sind es mehrere Bärte,<br />
die sich unter der Wolke vereinigen.<br />
Während wir weiter genüsslich an einem Grashalm kauend auf die<br />
wachsende Wolke starren, fliegen die ersten Kollegen bereits seit einigen<br />
Minuten in dem Bart unter der jungen Wolke. Wenige Minuten später hat<br />
die Wolke ihr „Erwachsenenalter“ erreicht, das erkennen wir an ihrer grauen<br />
Unterseite. Mittlerweile wird die Cumulus zum gigantischen Blumenkohl.<br />
Fachleute sagen dazu, die Wolke pilzt auf. Schneeweiß und dick schwebt<br />
sie jetzt über uns. Wenn Sie jetzt nicht endlich losfliegen, dann lohnt es<br />
sich nicht mehr – aber nein, Sie haben Geduld und beobachten weiter.<br />
Nebenbei bemerkt, bis jetzt sind erst wenige Minuten vergangen. Schauen<br />
Sie genau hin, unter der Wolke fliegen nicht nur Ihre erfahrenen Kollegen,<br />
darunter tummeln sich Bussarde, Schwalben. Nahezu alles, was Flügel<br />
hat, freut sich an dieser Cumulus: Im Innern der Wolke kocht es regelrecht,<br />
alles ist in Bewegung. Wolkenteile türmen sich gigantisch auf, die Wolke<br />
Thermik 2012<br />
Bunt gemischt. Ein typischer Himmel über unserem<br />
Flugplatz. Links eine große Cumulus mit grauer Unterseite,<br />
die noch gute Thermik verspricht, sie steht<br />
„voll im Saft“. Davor und dazwischen tummeln sich<br />
einige „Wolkenleichen“<br />
verändert ständig ihre Form, sie dreht sich – fast<br />
scheint es, als hätte sie ein Eigenleben.<br />
So prächtig, wie die Cumulus nun ist, bleibt<br />
sie relativ lange am Himmel, in dieser Form wird<br />
sie kilometerweit schweben, manche Wolken<br />
halten Stunden, sie wächst – und dann geht es<br />
auf einmal zu Ende, die Wolke verliert ihre klaren<br />
Strukturen, der gleißende, helle Ton verblasst,<br />
sie vergraut, die Ränder fransen wieder aus –<br />
eigentlich sieht es auf den ersten Blick aus wie<br />
zu Beginn. Physikalisch gesehen entsteht durch<br />
diesen Verdunstungsvorgang eine Abkühlung,<br />
unser geliebtes Luftpaket sinkt ab, ab sofort ist<br />
böses Saufen im Bereich unter und neben der<br />
Wolke angesagt.<br />
Innerhalb der nächsten Minuten zerfetzt sich<br />
die prächtige Cumulus zu vielen kleinen Wolkenschnipseln,<br />
die schließlich verblassen und sich in<br />
Nichts auflösen. Dieser Ablauf dauert wieder nur<br />
ein paar Minuten, so schnell geht das!<br />
Und wie unterscheiden Sie den Wolkenanfang<br />
vom Wolkenende? Rein optisch sind sich<br />
beide Zustände nämlich extrem ähnlich. Nur<br />
durch ständiges Beobachten des Himmels über<br />
Ihnen! Und natürlich rund um Ihr Fluggebiet.<br />
Alte, erfahrene Thermikschnüffler kriegen quasi<br />
aus den Augenwinkeln mit, wenn sich aus<br />
Dunstschleiern eine neue Wolke bildet. Das wird<br />
instinktiv auf der großen Karte im Kopf markiert<br />
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