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Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht

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Dialogforum Naturschutz Vortragsveranstaltungen der Jahre 2001 <strong>und</strong> 2002<br />

„Nichtplanung durch Nichtbeachtung“ könnte wenigstens zum Teil aufgelöst werden durch die zeitliche Begrenzung von<br />

Freiheitsräumen, z. B. vergeben als ‚Claims‘, unter den Bedingungen der Selbstorganisation.<br />

Eine solche versuchsweise konstruktive Einstellung gegenüber partieller Anarchie würde vielleicht ein wichtiges Zeichen<br />

setzen können <strong>für</strong> die Vitalität <strong>und</strong> Beweglichkeit unserer Gesellschaften.<br />

9. Wahrnehmung, Ästhetik <strong>und</strong> Anästhetik<br />

Die Bedeutung der Wahrnehmung <strong>für</strong> die Orientierung <strong>und</strong> <strong>für</strong> die innere Einstellung zur Stadt ist vor mehr als vierzig<br />

Jahren von Kevin Lynch mit seiner Frage nach den Innenbildern, den ‚mental maps‘ der Stadt aufgeworfen <strong>und</strong> bearbeitet<br />

worden – wir haben seinerzeit, wie angedeutet, seine Fragestellungen mit Begeisterung zusammen mit Architekturstudenten<br />

bearbeitet <strong>und</strong> mit Berliner Schulkindern aufgegriffen. Kevin Lynchs Fragestellungen sind immer noch aktuell:<br />

Im Gegensatz zur kompakten traditionellen Stadt ist Zwischenstadt unanschaulich, deswegen bedarf es umso mehr der<br />

bildhaften, einprägsamen Orientierungsbilder.<br />

Inzwischen hat sich die Frage nach der Art der Wahrnehmung von Stadt <strong>und</strong> ihrer Bedeutung <strong>für</strong> den Städtebau radikalisiert:<br />

Was wird überhaupt, <strong>und</strong> was wird wie <strong>und</strong> mit welcher Intensität in der Zwischenstadt wahrgenommen, <strong>und</strong> wie<br />

wirkt sich die Art der Wahrnehmung auf Stadtpolitik <strong>und</strong> praktischen Städtebau aus? Die Wahrnehmung gerade der Zwischenstadt<br />

ist uneindeutig, denn Zwischenstadt ist besonders offen <strong>für</strong> unterschiedliche Lesarten, je nach persönlicher<br />

Vorgeschichte, Einstellung <strong>und</strong> spezifischen Interessen, das macht ja ihren ästhetischen Reichtum aus. Man muss aber<br />

nicht nur zwischen unterschiedlichen Lesarten unterscheiden, sondern auch zwischen verschiedenen Wahrnehmungsintensitäten,<br />

vom einfachen meist auch zerstreuten, ungerichteten Sehen über das konkrete Erkennen zur gezielten, verstehenden<br />

Wahr-Nehmung <strong>und</strong> weiter zur sinngebenden Interpretation bis schließlich zur Identifikation, in der es zur Tiefenresonanz<br />

zwischen Wahrgenommenem <strong>und</strong> Seelenregungen kommt, die wir traditionell mit dem Begriff ‚Heimat‘<br />

verbinden.<br />

Die Art des Lesens einer Stadt <strong>und</strong> die Art der Wahrnehmung lassen sich zusammenführen im Begriff einer zeitgemäßen<br />

Ästhetik: Die neue ästhetische Theorie unterscheidet zwischen ‚Anästhetik‘ <strong>und</strong> ‚Ästhetik‘, wobei nicht der Gegensatz<br />

zwischen ‚hässlich‘ <strong>und</strong> ‚schön‘ gemeint ist, sondern die Form des Verständnisses <strong>und</strong> die Art <strong>und</strong> Intensität der Wahrnehmung.<br />

Anästhetik bedeutet Verständnis <strong>und</strong> Wahrnehmung mit vermindertem Bewusstsein bis zur nahezu ‚betäubten‘ Wahrnehmung:<br />

Und ist es nicht so, dass wir weite, sogar wachsende Teile von Zwischenstadt nicht eigentlich verstehen <strong>und</strong><br />

damit auch nicht wirklich wahrnehmen geschweige denn bewusst interpretieren <strong>und</strong> dass sich damit die ‚Anästhetischen<br />

Wüsten‘ ausbreiten in Form von Stadtbereichen, die wir nur dann partiell <strong>und</strong> rein instrumentell-funktional verstehen <strong>und</strong><br />

wahrnehmen, wenn wir etwas in ihnen brauchen, aber ohne innere emotionale Beteiligung?<br />

Im Gegensatz hierzu ist ‚Ästhetik‘ immer mit emotionaler Wahrnehmung verb<strong>und</strong>en, mit Lust oder Schmerz, mit innerem<br />

Erhobensein oder Niedergeschlagenheit: Kurz: Es ist ihrem Wesen nach eine ‚sorgende‘, innerlich beteiligte Wahrnehmung,<br />

als eine unverzichtbare Bedingung <strong>für</strong> ein zugewandtes, sorgfältiges Umgehen mit Stadt. Ästhetik ist damit<br />

eine Gr<strong>und</strong>voraussetzung <strong>für</strong> einen qualifizierten Umgang mit Zwischenstadt überhaupt <strong>und</strong> keine ‚schöne Zutat‘, auf die<br />

man notfalls verzichten könnte. Denn an der Frage von Anästhetik <strong>und</strong> Ästhetik wird sich letztlich die Zukunft der Zwischenstadt<br />

entscheiden.<br />

Es ist eine Sache von ‚Gebrauch <strong>und</strong> Ausdruck‘, wie die neue Zeitschrift heißt, die Achim Halm herausgibt: Zwischenstadt<br />

wird sich uns nur dann erschließen, wenn wir uns ihr zuwenden <strong>und</strong> wenn wir sie uns aneignen <strong>und</strong> umfassend<br />

Gebrauch von ihr machen. Mit Aneignung <strong>und</strong> Zuwendung wird sich auch ihr Ausdruck ändern <strong>und</strong> öffnen.<br />

10. Wechselwirkungen <strong>und</strong> Gegensätze<br />

Diese sieben ganz unterschiedlichen, voneinander auch weitgehend unabhängigen Zugänge halte ich <strong>für</strong> unverzichtbar<br />

<strong>für</strong> ein komplexes Verständnis von Zwischenstadt. Sicherlich gibt es noch weitere Zugangskategorien von gleicher Bedeutung,<br />

aber ich meine, schon mit diesen wenigen Kategorien ist es möglich, die Eigenart von Zwischenstadt zu begreifen<br />

<strong>und</strong> darüber hinaus als Möglichkeitsraum zu interpretieren, der qualifiziert <strong>und</strong> gestaltet werden kann.<br />

Die unterschiedlichen Deutungsansätze <strong>und</strong> die damit charakterisierten Wirkkräfte stehen in Wechselwirkungen untereinander:<br />

Sie können sich verstärken oder auch abschwächen. Zwei Beispiele: Steigende Kaufkraft, schnelle technische<br />

<strong>Landesamt</strong> <strong>für</strong> <strong>Umwelt</strong>, <strong>Wasserwirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Gewerbeaufsicht</strong>

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