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Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht

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Dialogforum Naturschutz Vortragsveranstaltungen der Jahre 2001 <strong>und</strong> 2002<br />

Sieben einfache Zugänge zum Begreifen <strong>und</strong> zum Umgang mit der Zwischenstadt <strong>und</strong> das Forschungs-<br />

<strong>und</strong> Entwicklungsprogramm des Ladenburger Kollegs<br />

Prof. em. Thomas Sieverts<br />

1. Zur Lage<br />

Im deutschsprachigen Raum wird erst seit etwa fünf Jahren die verstädterte Landschaft / verlandschaftete Stadt als ein<br />

eigenes, differenziert <strong>und</strong> abwägend zu erörterndes Thema wahrgenommen <strong>und</strong> diskutiert: In diesem Diskurs geht es um<br />

die produktive Problematisierung eines Typs von Stadtstruktur, der in den letzten Jahrzehnten entstanden ist <strong>und</strong> sich der<br />

geläufigen Einordnung in die Kategorie ‚Stadt‘ bzw. ‚Land‘ entzieht, auf den aber auch der ebenso geläufige Begriff des<br />

Vororts nicht mehr passt.<br />

Zu dieser produktiven Problematisierung haben Veröffentlichungen wie ‚Netzstadt‘ <strong>und</strong> ‚Zwischenstadt‘ beigetragen. Sie<br />

haben Pionierargumente geliefert in einer geistigen Situation, in der konventionelle, traditionelle Bilder der Stadt als<br />

Stadtideale <strong>und</strong> die tatsächliche Wirklichkeit der Stadt schon so weit auseinander gedriftet waren, dass die Differenz<br />

nicht mehr mit Wunschvorstellungen <strong>und</strong> Verdrängung erträglich zu machen war.<br />

Inzwischen wird das Phänomen in Fachzeitschriften breit diskutiert, Architektur- <strong>und</strong> Planungsstudenten greifen es als<br />

ein wichtiges zukünftiges Arbeitsfeld auf, unterstützt durch Medien, die den visuellen <strong>und</strong> erzählerischen Reiz der ‚Zwischenstadt‘<br />

entdecken.<br />

Freilich sollte man sich nicht täuschen lassen: Diese Diskussion ist noch ziemlich eng auf Fachkreise beschränkt, der<br />

Mainstream ist in Europa noch immer in den alten Bildern befangen <strong>und</strong> der Weg vom Erkennen über das Verwalten<br />

zum Gestalten der Zwischenstadt ist noch lang <strong>und</strong> ungewiss, aber immerhin gibt es in Europa eine lange politische <strong>und</strong><br />

administrative Tradition der Stadt- <strong>und</strong> Regionalplanung.<br />

In den USA, in denen die Stadtvorstellungen historisch bedingt unbefangener <strong>und</strong> offener sind, gibt es dagegen zwar eine<br />

vielfältige <strong>und</strong> breite öffentliche Diskussion zu Mängeln <strong>und</strong> Chancen des ‚Urban Sprawl‘ - von der Bewegung der den<br />

Traditionen der amerikanischen Kleinstadt verpflichteten ‚New Urbanists‘ bis zu Vertretern einer neuen Idee von ‚Urban<br />

Landscape‘- aber es fehlt fast überall an einer politisch-administrativ wirksamen, gemeindeübergreifenden Regionalplanung.<br />

In dieser Situation sich ergänzender Stärken <strong>und</strong> Schwächen könnte ein Diskurs zwischen den USA <strong>und</strong> Europa besonders<br />

fruchtbar werden <strong>und</strong> dazu beitragen, die Diskussion <strong>und</strong> Implementation zu befruchten <strong>und</strong> die Entwicklung voranzutreiben.<br />

Aber es werden auf jeden Fall viel Geduld <strong>und</strong> langer Atem vonnöten sein, denn auch wir, die ältere Generation<br />

der Städtebauer, die wir versuchen, zu einem neuen Verständnis von Stadt vorzustoßen, waren lange in den alten Bildern<br />

befangen <strong>und</strong> haben Jahrzehnte gebraucht, um uns allmählich von Leitbildern zu lösen, mit denen die Realität der<br />

Stadt des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts weder begreifbar noch gestaltbar ist.<br />

Zu diesem Ablöseprozess war auch viel Trauerarbeit nötig, um Abschied nehmen zu können von den geliebten alten<br />

Vorstellungen. Wir müssen aus diesen Erfahrungen heraus nun unseren Beitrag dazu leisten, dass nicht vorschnell wieder<br />

einfache neue Bilder an die Stelle der alten Bilder treten <strong>und</strong> alte Konventionen durch neue abgelöst werden: Das Untersuchungsfeld<br />

der verstädterten Landschaft / verlandschafteten Stadt darf nicht durch scheinbar griffige Bezeichnungen,<br />

wie Zwischenstadt, Netzstadt, Stadtlandschaft vorschnell geglättet <strong>und</strong> harmonisiert werden. Es muss in seinen Widersprüchen,<br />

in seiner Sperrigkeit <strong>und</strong> seinen Schwierigkeiten offengehalten werden <strong>für</strong> neue Lesarten <strong>und</strong> Gestaltungszugänge,<br />

<strong>für</strong> die Entdeckung von Neuem <strong>und</strong> Überraschendem.<br />

Das ist zugegebenermaßen ziemlich unbequem, zumal es noch an systematischer Analyse <strong>und</strong> forschender Unterstützung<br />

mangelt. In diesem Kontext bietet das Ladenburger Kolleg der Gottlieb-Daimler- <strong>und</strong> Karl-Benz-Stiftung ‚Zur Qualifizierung<br />

der Zwischenstadt im Kontext der europäischen Stadt‘ eine multidisziplinäre Diskurs- <strong>und</strong> Forschungsplattform<br />

<strong>für</strong> die erforderlichen offenen Diskussionen <strong>und</strong> das Aufspüren von Neuem <strong>und</strong> Überraschendem. Doch bevor ich näher<br />

auf die Struktur <strong>und</strong> Arbeit des Ladenburger Kollegs zu sprechen komme, möchte ich meine eigenen Versuche skizzieren,<br />

‚Zwischenstadt‘ zu begreifen.<br />

<strong>Landesamt</strong> <strong>für</strong> <strong>Umwelt</strong>, <strong>Wasserwirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Gewerbeaufsicht</strong>

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