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Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht

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Vortragsveranstaltungen der Jahre 2001 <strong>und</strong> 2002 Dialogforum Naturschutz 49<br />

3. Problemhintergr<strong>und</strong>: Entwicklungstendenzen von Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft<br />

Die 90er Jahre sind durch besonders intensive <strong>und</strong> tiefgreifende Wandlungsprozesse in Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft in<br />

Deutschland gekennzeichnet, die sich besonders auf die Stadtlandschaften als "Gesellschaftsbarometer" <strong>und</strong> ihren ökologischen<br />

Zustand auswirken.<br />

Die Globalisierung der Wirtschaft <strong>und</strong> die Entwicklung eines gemeinsamen europäischen Wirtschaftssystems führen zu<br />

Veränderungen der Wirtschaftsstruktur, die sich direkt auf die Städte auswirken. Dazu gehören: Abwanderung von wesentlichen<br />

Teilen produzierender Industriezweige aus den Städten, Zunahme <strong>und</strong> Stabilität von Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> weiterer<br />

wirtschaftlicher Bedeutungsverlußt der Landwirtschaft.<br />

Der sektorale Strukturwandel der Wirtschaft ist in den Städten ausgeprägter als in der Gesamtwirtschaft (Tertiärisierung).<br />

Er betrifft neben personengeb<strong>und</strong>enen vor allem produktionsorientierte Dienstleistungen (u.a. Finanzdienstleistungen,<br />

Informationsverarbeitung <strong>und</strong> -vermittlung, knowledge-based industries, Kultur <strong>und</strong> Tourismus). Demgegenüber haben<br />

die großen deutschen Städte in den vergangenen Jahren einen relativen Bedeutungsverlust als Standorte des produzierenden<br />

Gewerbes erfahren (Mäding 1997).<br />

Die Intregration der ehemaligen DDR in Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft der B<strong>und</strong>esrepublik ist eine auch 10 Jahre nach der<br />

Wiedervereinigung noch nicht abgeschlossene Aufgabe. Eine massive Deindustrialisierung betraf vor allem die Städte,<br />

die zwischen 75% <strong>und</strong> 90% ihrer industriellen Arbeitsplätze innerhalb von nur 5 Jahren verloren <strong>und</strong> rasch zu Zentren<br />

der Arbeitslosigkeit wurden. Ihre ökonomische Situation hat sich prekär zugespitzt (Mäding 1997). Diese Entwicklung<br />

trifft die altindustrialisierten ostdeutschen Städte (z.B. Leipzig, Chemnitz, Halle, Magdeburg) besonders hart, da sie einen<br />

wirtschaftlichen Bedeutungsverlust ohne ausreichende Kompensation in wenigen Jahren (im Vergleich zu einem längeren<br />

Anpassungsprozess im Westen Deutschlands) haben hinnehmen müssen. Von 1989 noch 100.000 industriellen Arbeitsplätzen<br />

in Leipzig bestanden 1995 nur noch 15.000. Dies führt zu einem bis dahin beispiellosen Wandel in Stadtstruktur<br />

<strong>und</strong> <strong>Umwelt</strong>situation.<br />

Trotz Wirtschaftswachstums ist in Deutschland die Arbeitslosigkeit in den 90er Jahren erheblich angewachsen <strong>und</strong> hat<br />

einen bisher ungekannten Höchststand von über 4 Mio erreicht, der auch trotz wachsender Wirtschaft nicht weiter reduziert<br />

werden kann. Mit einer polarisierten Einbindung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in den Arbeitsmarkt ist<br />

auch eine soziale Polarisierung verb<strong>und</strong>en, die in den Städten, den Zentren der Arbeitslosigkeit, besonders deutlich sichtbar<br />

wird. Ein prognostiziertes "Ende der Arbeitsgesellschaft" wird die Städte vor völlig neue Aufgaben als Motoren der<br />

Gesellschaft stellen.<br />

Der Verlust der Bedeutung der Landwirtschaft führt zum reichlichen Flächenangebot ehemaliger Landwirtschaftsstandorte<br />

zu günstigen Preisen als Bauland. Die darauf aufbauende Suburbanisierung entwickelt sich damit weiter. Während sie<br />

in Westdeutschland in den 80er Jahren weitgehend abgeschlossen war <strong>und</strong> gegenwärtig eine Entwicklung der bestehenden<br />

urbanen Flächen stattfindet (Sieverts 1998a: "Abschluss der klassischen Moderne"), erfahren ostdeutsche Agglomerationen<br />

in den 90er Jahren einen nachholenden Suburbanisierungsprozess bedeutenden Ausmaßes <strong>und</strong> raschen Vollzugs.<br />

Die alten administrativen Kernstädte unterliegen in der Angebotskonkurrenz mit den Vorteilen des Stadtumlandes angesichts<br />

wachsender Nachfrage nach baulich nutzbaren Flächen <strong>und</strong> verlieren damit mehr <strong>und</strong> mehr ihre wirtschaftliche<br />

Basis <strong>und</strong> leistungsfähige Teile ihrer Bevölkerung. Dies ist jedoch in der Regel nicht mit einem Bedeutungsverlust der<br />

Stadtregion als Ganzes, sondern nur mit einer "Umverteilung" der Funktionen zwischen Kernstadt <strong>und</strong> Umland bzw. mit<br />

der Auflösung des tradierten administrativen Stadtbegriffes verb<strong>und</strong>en. Die Stabilität ausdrückenden politischadministrativen<br />

Einheiten bleiben hinter der Dynamik ökonomisch begründeter Entwicklungen zurück. Die Stadt wird<br />

zur urbanen Landschaft.<br />

Diese Entwicklung geht mit einer Zunahme der Individualisierung der Lebensstile <strong>und</strong> einem Anwachsen des Anteils der<br />

Seniorengeneration an der Stadtbevölkerung (ergraute Gesellschaft) einher. Beides führt zu neuen Ansprüchen an den<br />

Stadtraum, zu veränderten Freizeitbedürfnissen, zum weiteren Wachstum der Wohnansprüche (Zunahme der Größe der<br />

Wohnfläche, Einzelhaus als präferierte Wohnform, Zunahme der Anzahl der Wohnungen <strong>und</strong> Haushalte) <strong>und</strong> zur "Versingelung"<br />

der Stadtbevölkerung.<br />

Die vergleichsweise billige Massenmobilität durch private Kraftfahrzeuge <strong>und</strong> die Zunahme des Gütertransports auf den<br />

Straßen zu Lasten des Bahntransports hat zum weiteren autogerechten Umbau der kernstädtischen Baugebiete <strong>und</strong> zum<br />

schnellen Wachstum der Kernstädte ins Stadtumland geführt, ja dies erst möglich gemacht (Suburbanisierung, s. u.).<br />

<strong>Landesamt</strong> <strong>für</strong> <strong>Umwelt</strong>, <strong>Wasserwirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Gewerbeaufsicht</strong>

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