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Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht

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Vortragsveranstaltungen der Jahre 2001 <strong>und</strong> 2002 Dialogforum Naturschutz 77<br />

Heimatschutzes, eine neue Eindeutigkeit aufzurichten, ist aber nach Sieferle letztlich gescheitert, weil die alten Traditionen<br />

nicht in Kontexte transportiert werden konnten, die nach ganz anderen Prinzipien organisiert seien. Dieses Missverständnis<br />

gelte im Übrigen auch <strong>für</strong> den heutigen Naturschutz. „Alle Versuche, sich über die Systembedingungen der<br />

Transformation hinwegzusetzen, konnten immer nur zur Karikatur führen, <strong>und</strong> zwar vor allem dann, wenn die Kulturlandschaft<br />

imitiert werden sollte“ (Sieferle 1998, 163). Der zum Heimatschutz alternative Weg der Moderne in der Architektur<br />

als Neues Bauen habe hingegen Eindeutigkeit in der Verwirklichung geometrischer <strong>und</strong> stofflicher Elementarformen<br />

gesucht, denen zugleich vage eine bestimmte Funktionsgerechtigkeit zugeschrieben wurde. Durch die Materialgerechtigkeit<br />

<strong>und</strong> Funktionalität sollten die Prinzipien der Rationalität verwirklicht werden. Heimatschutz <strong>und</strong> Moderne<br />

seien aber weit davon entfernt geblieben, eine neue Eindeutigkeit zu stiften <strong>und</strong> hätten letztendlich lediglich die Pluralität<br />

der Stile bestätigt, gegen die sie angetreten waren. Im Unterschied zur älteren Kulturlandschaft hätte sich also kein konsistenter<br />

<strong>und</strong> dauerhafter Stil mehr verdichten können: „Die mobilisierte Stillosigkeit wird zum übergreifenden Merkmal<br />

dieser Zwischenlandschaften, deren einzige dauerhafte Eigenschaft die Permanenz des Wandels ist“ (ebd., 164 f.).<br />

Aufgr<strong>und</strong> dieser Stillosigkeit erscheinen die Zwischenstädte <strong>und</strong> -landschaften als unästhetisch <strong>und</strong> können keiner Eigenart<br />

zugeordnet werden, so dass sie aus unserer an traditionellen Landschaftsbildern geschulten Wahrnehmung herausfallen.<br />

Sieferle erwartet eine Veränderung dieses Zustandes erst dann, wenn die Ressourcen des industriellen Wachstumsprozesses<br />

erschöpft sind <strong>und</strong> die Entwicklung u. U. mit Brüchen, Konflikten <strong>und</strong> Katastrophen gezwungenermaßen wieder<br />

in einen stationären Zustand einmündet. Welche Auswirkung das jedoch auf die Landschaft der Zukunft, auf eine<br />

Ausbildung neuer Stile, habe, lasse sich nicht prognostizieren. Er beurteilt also die Möglichkeiten der politischen Steuerung<br />

dieses Prozesses äußerst skeptisch. Diesen zu lenken, um zu verhindern, dass eine Katastrophe eintritt, ist das Ziel<br />

der Nachhaltigkeitsdebatte. Als Mittel dazu gilt im Bereich der Stadtplanung die urbane Innenentwicklung.<br />

4. Die urbane Innenentwicklung als Königsweg nachhaltiger Siedlungsentwicklung?<br />

Die urbane Innenentwicklung erscheint als der Königsweg, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Erstens soll sie<br />

die Landschaft schonen <strong>und</strong> zweitens Urbanität <strong>und</strong> damit städtische Kultur verwirklichen. Die Erfüllung dieser Rolle<br />

wurde aber auf der Tagung „Urbane Innenentwicklung: Ökologie <strong>und</strong> Planung“ vom 22.-23.2.2002 in Dresden aus unterschiedlichen<br />

Gründen bezweifelt. Insbesondere sprechen dagegen klimatische <strong>und</strong> andere stadtökologische sowie soziale<br />

Funktionen von Freiflächen, insbesondere von Brachen in der Stadt (vgl. Dettmar 2002, Finke 2002, Rebele 2002). Vor<br />

allem auch die Annahme, Innenentwicklung minimiere den Verkehr zwischen Stadt <strong>und</strong> Umland, habe sich in empirischen<br />

Studien in drei Londoner Bezirken nicht bewahrheitet (Rebele 2002, 4).<br />

Auch Finke, ein scharfer Kritiker der Suburbanisierung, kommt zu dem Fazit, dass „sich (bei einer Innenverdichtung;<br />

Zusatz des Autors) <strong>für</strong> die Bewohner der Stadt, insbesondere aus der Sicht eines Quartiers, kaum ökologische Vorteile in<br />

Gestalt einer qualitativen Aufwertung ihrer Lebensraumbedingungen ausmachen lassen“ (Finke 2002, 13). Man wird sich<br />

also, wenn man nicht wie Finke generell fordert, dass überall das Flächenwachstum auf Null zu bringen ist (ebd., 5), weil<br />

das – wie Finke selbst sagt – letztendlich bedeuten würde, unser Wohlstandsmodell generell außer Kraft zu setzen (ebd.,<br />

15), damit auseinander setzen müssen, dass es keine allgemeine Ideallösung <strong>für</strong> eine nachhaltige Stadtentwicklung gibt.<br />

Dieses Problem ist demnach nur fallbezogen zu lösen. Man wird dann auch die Realität von suburbanen Räumen <strong>und</strong> die<br />

Notwendigkeit, Zwischenstädte <strong>und</strong> -landschaften gestalterisch <strong>und</strong> ökologisch – z. B. durch den konsequenten Einsatz<br />

von Mulden-Rigolen-Systemen <strong>für</strong> die Wasserversickerung – zu qualifizieren, akzeptieren müssen. Damit stellt sich die<br />

Frage, welche Qualitäten bei dieser Aufgabe verwirklicht werden sollen, d. h. welche Qualitäten repräsentativ <strong>für</strong> die<br />

Kultur einer mobilen <strong>und</strong> urbanen Gesellschaft sein können. In der Beantwortung dieser Frage liegt die eigentliche Herausforderung<br />

<strong>für</strong> den Naturschutz <strong>und</strong> die Landschaftsgestaltung, denn es ist deutlich, dass sich der Naturschutz von der<br />

Fixierung auf die vorindustrielle Kulturlandschaft lösen muss, ohne dass jedoch der traditionelle Landschaftsschutz – vor<br />

allem auch aus Gründen der Erholung – generell abgeschafft werden sollte.<br />

Finke betont daher auch, dass Stadtökologie <strong>und</strong> nachhaltige Siedlungsentwicklung nicht bedeuten könnten, Konzepte <strong>für</strong><br />

den urbanen Naturschutz im Sinne der Erhaltung <strong>und</strong> Entwicklung allein der biologischen Vielfalt in der Stadt zu liefern.<br />

Es müsse auch eine humanökologische Sichtweise Berücksichtigung finden, „da ich den Menschen als Leitart im Ökosystem<br />

Stadt begreife. Es geht daher um die Beurteilung der Lebensraumqualitäten <strong>für</strong> den Menschen“ (ebd., 1). So ehrenwert<br />

die Absicht, so problematisch ist die Konnotation dieses Zitats: Der Mensch wird hier als wichtigste biologische<br />

Art im „Lebensraum“ Stadt behandelt, zwar mit dem respektablen Ziel, seine notwendigen Lebensqualitäten zu bestimmen,<br />

diese Qualitäten werden aber nicht als kulturell bestimmte kenntlich gemacht, sondern überwiegend im Sinne sehr<br />

allgemeiner materieller Ökosystemfunktionen benannt (bioklimatisch, lufthygienische Aspekte, Wasserhaushaltsfunktionen).<br />

Der einzige kulturelle <strong>und</strong> soziale Aspekt, der erwähnt wird, ist die Funktion des Naturerlebens in der Erholung <strong>und</strong><br />

<strong>Landesamt</strong> <strong>für</strong> <strong>Umwelt</strong>, <strong>Wasserwirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Gewerbeaufsicht</strong>

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