28.04.2014 Aufrufe

Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht

Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht

Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Vortragsveranstaltungen der Jahre 2001 <strong>und</strong> 2002 Dialogforum Naturschutz 3<br />

Integration des Naturschutzes in die Landwirtschaftspolitik;<br />

Zwischenbilanz nach 15 Jahren Umsetzung in der Schweiz<br />

Daniel Zürcher<br />

Es begann mit der Rothenthurm-Initiative<br />

Die erste Frage, die beantwortet werden sollte, ist folgende: Warum eine Zwischenbilanz nach 15 Jahren? Die Antwort<br />

lautet: Weil alles mit der Rothenthurm-Initiative begann!<br />

Um dies zu verstehen muss man sich vor Augen halten, dass in der Schweiz ein Instrumentarium zur Beeinflussung politischer<br />

Entscheide auf Landesebene existiert, das gänzlich in der Hand des Volkes liegt, die so genannte Volksinitiative.<br />

Eine Volksinitiative kann gestartet werden durch eine Gruppe von Bürgern <strong>und</strong> Bürgerinnen, unabhängig von jeder Partei.<br />

Es müssen mindestens sieben Personen ein Initiativkomitee gründen <strong>und</strong> einen Vorschlag <strong>für</strong> die Änderung der B<strong>und</strong>esverfassung<br />

formulieren. Dieser Vorschlag wird zuerst von der B<strong>und</strong>eskanzlei auf seine formaljuristische Korrektheit<br />

geprüft (inklusive richtige Übersetzung in alle drei Landessprachen), um anschließend im offiziellen Publikationsorgan<br />

des B<strong>und</strong>es, dem B<strong>und</strong>esblatt, publiziert zu werden. Ab diesem Termin stehen dem Initiativkomitee 18 Monate zur Verfügung,<br />

um mindestens 100.000 Unterschriften zusammenzubringen. Werden diese Unterschriften in der genannten Zeit<br />

zusammengebracht, so müssen der B<strong>und</strong>esrat <strong>und</strong> die beiden Parlamentskammern ihre Meinung dazu abgeben. Bei einer<br />

Absage wird der Initiativtext dem Schweizer Volk in einer Abstimmung unterbreitet. Sagt das Volk zu, so müssen Regierung<br />

<strong>und</strong> Parlament den neuen Verfassungsauftrag gleichwohl umsetzen, obwohl sie in der ersten R<strong>und</strong>e eine Absage<br />

erteilt hatten.<br />

1985 wurde eine derartige Initiative gestartet. Sie trug den Namen „Rothenthurm-Initiative“. Rothenthurm ist ein kleiner<br />

Ort im Kanton Schwyz mit der schönsten Moorlandschaft der Schweiz. Das Militärdepartement plante ausgerechnet an<br />

diesem Ort den Bau einer neuen Kaserne mit Panzerübungsgelände <strong>und</strong> Schießplatz. Dies war gar nicht nach dem Geschmack<br />

der <strong>Umwelt</strong>verbände <strong>und</strong> der dort ansässigen Bauern. Deshalb starteten sie die Rothenthurm-Initiative „zum<br />

Schutze der Moore <strong>und</strong> Moorlandschaften“, um den Bau dieser Militäreinrichtung zu verhindern. Da jedoch in der B<strong>und</strong>esverfassung<br />

keine zu spezifischen Verfassungsartikel stehen können (es war zum Beispiel nicht möglich zu schreiben,<br />

dass in Rothenthurm keine Beeinträchtigung der Moorlandschaft durch Militäreinrichtungen geschehen dürfen,) war das<br />

Initiativkomitee gezwungen, folgende allgemeine Formulierung in den Initiativtext aufzunehmen:<br />

„Moore <strong>und</strong> Moorlandschaften von besonderer Schönheit <strong>und</strong> gesamtschweizerischer Bedeutung sind geschützt. Es dürfen<br />

darin weder Anlagen gebaut noch Bodenveränderungen vorgenommen werden. Ausgenommen sind Einrichtungen,<br />

die dem Schutz oder der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung der Moore <strong>und</strong> Moorlandschaften dienen.“<br />

Mit dieser Formulierung waren nun nicht nur die Moore <strong>und</strong> Moorlandschaften von Rothenthurm gemeint, sondern Moore<br />

<strong>und</strong> Moorlandschaften in der ganzen Schweiz. Als das Initiativkomitee nach wenigen Monaten 200.000 Unterschriften<br />

einreichte, war der B<strong>und</strong>esrat natürlich nicht sehr erfreut. Er empfahl die Initiative dem Volk zur Ablehnung. Um jedoch<br />

die Stimmbürger/innen auf seine Seite zu bringen, bemühte er sich trotz allem einen indirekten Gegenvorschlag zu machen<br />

(indirekt, weil nicht auf Verfassungsstufe, sondern auf Gesetzesstufe), der vom Parlament genehmigt wurde. Dieser<br />

indirekte Gegenvorschlag bestand darin, das Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzgesetz (NHG) im Bereich des Biotopschutzes aufzubessern.<br />

Diese Aufbesserung führte zur Aufnahme neuer Bestimmungen <strong>für</strong> die Zusammenarbeit zwischen Naturschutz<br />

<strong>und</strong> Landwirtschaft, so zum Beispiel in Art. 18c:<br />

„Schutz <strong>und</strong> Unterhalt der Biotope sollen, wenn möglich, aufgr<strong>und</strong> von Vereinbarungen mit den Gr<strong>und</strong>eigentümern <strong>und</strong><br />

Bewirtschaftern sowie durch angepasste land- <strong>und</strong> forstwirtschaftliche Nutzung erreicht werden.<br />

Gr<strong>und</strong>eigentümer oder Bewirtschafter haben Anspruch auf angemessene Abgeltung, wenn sie im Interesse des Schutzzieles<br />

die bisherige Nutzung einschränken oder eine Leistung ohne entsprechenden wirtschaftlichen Ertrag erbringen.“<br />

Im Juni 1987 war dann diese Aufbesserung des NHG unter Dach <strong>und</strong> der B<strong>und</strong>esrat hatte die Argumente, um die Rothenthurm-Initiative<br />

in der Volksabstimmung zu bodigen (= besiegen). Aber es kam alles anders als geplant: Wider<br />

Erwarten wurde die Initiative vom Volk angenommen <strong>und</strong> dessen Text wurde somit Teil unserer B<strong>und</strong>esverfassung.<br />

Aber auch die NHG-Revision blieb in Kraft! Die Zusammenarbeit von Naturschutz <strong>und</strong> Landwirtschaft wurde so mit<br />

einem Paukenschlag eröffnet <strong>und</strong> von Anfang an doppelt genäht.<br />

<strong>Landesamt</strong> <strong>für</strong> <strong>Umwelt</strong>, <strong>Wasserwirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Gewerbeaufsicht</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!