BEST OF Otto Brenner Preis 2010 - Otto Brenner Shop
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Kopf, entdeckt das Corpus Delicti auf<br />
seiner Schulter und ruft aus: „huuch!!“<br />
So erging es dem „Spiegel“, der sich<br />
anschließend wirklich Mühe gegeben<br />
hat, die Scharte auszuwetzen. Am besten<br />
hat mir der jüngste „Kinder-Spiegel“<br />
gefallen: Der wird aufgemacht mit einer<br />
16-jährigen Gymnasiastin, die erklärt<br />
„Warum ich ein Kopftuch trage“.<br />
Das Problem an der gesamten Bericht -<br />
erstattung über Sarrazin besteht darin:<br />
Es ging vornehmlich um Sarrazin, es<br />
ging nicht um die eigentliche Frage:<br />
Wie finden wir in unserem Land ein<br />
Verhältnis zwischen den verschiedenen<br />
Bevölkerungsgruppen? Gegen Ausländer<br />
wird gern vorgebracht, dass sie<br />
dem Staat auf der Tasche lägen. Das<br />
gilt für viele Menschen mit fremdem<br />
Pass aber gar nicht. Für viele Deutsche<br />
hingegen gilt es. In kaum einem europäischen<br />
Land ist die Gesellschaft –<br />
statistisch gesehen – so undurchlässig<br />
wie in Deutschland: Wer arm geboren<br />
wird, bleibt arm. Die Bundesrepublik<br />
ist, was das angeht, hermetischer,<br />
ungerechter als viele andere Länder –<br />
Länder, deren Bruttosozialprodukt weit<br />
unter dem unseren liegt. Chancengleichheit:<br />
darum geht es. Bei uns ist sie<br />
weniger ausgeprägt als in den meisten<br />
anderen europäischen Ländern.<br />
Unsere Medien neigen dazu, auch noch<br />
die wichtigsten Themen zu persona -<br />
lisieren. So kommt es dann dazu, dass<br />
Thilo Sarrazin in der Tageszeitung „Die<br />
Welt“ verteidigt wird: Er sei ein „Sündenbock“,<br />
er werde dafür angeklagt,<br />
dass er ausgesprochen habe, was viele<br />
denken. Die Wahrheit ist: Die Ausgegrenzten<br />
sind die Sündenböcke: Sie<br />
müssen dafür zahlen, dass die Gesellschaft<br />
seit Jahrzehnten verabsäumt,<br />
für alle Kinder und Jugendlichen gute<br />
Ausbildungsstätten einzurichten.<br />
Stichwort: Personalisierung. Das ist<br />
generell ein Trend, der in der Presse<br />
von Übel ist. Manche Wirtschaftsteile<br />
lesen sich streckenweise wie die ausgewalzte<br />
Form der beliebten Rubrik<br />
„Das Vermischte“. Da werden Firmenchefs<br />
und Firmenchefinnen porträtiert<br />
so wie sonst Filmstarlets. In der Politik<br />
erleben wir das seit langem. Das ist ja<br />
auch verständlich: Mühsam ist es aus<br />
dem Wörterwust der Politiker Überzeugungen<br />
zu destillieren. Viel einfacher ist<br />
es, über die Leute selbst zu schreiben.<br />
– Dies dann auch gern so oberflächlich,<br />
dass es schon statistisch messbar ist.<br />
Angela Merkel hat bekanntermaßen in<br />
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