BEST OF Otto Brenner Preis 2010 - Otto Brenner Shop
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Begründung der Jury<br />
Wenn man einen Text schreibt, wie den, für den Carolin Emcke ausgezeichnet wird,<br />
muß man vor allem mit Widerwärtigkeiten rechnen. Dann kriegt man nicht nur die Briefe<br />
der Ewiggestrigen, die ihre Geiferei und ihre Tiraden mit einem Hakenkreuz unterschreiben.<br />
Dann kriegt man nicht nur maßlose Beschimpfungen und Beleidigungen, wie<br />
sie jeder kennt, der für ein gutes Miteinander von Alt- und Neubürgern in Deutschland<br />
wirbt. Wenn man Muslime gegen Pauchalverdammungen verteidigt, wie Carolin Emcke<br />
das in brillanter Weise getan hat, erlebt man Reaktionen, wie man sie in einer halbwegs<br />
aufgeklärten Gesellschaft nicht für möglich gehalten hätte. Es ist, als sei ein Teil der<br />
bürgerlichen Gesellschaft mit dem Buch von Sarrazin im Marschgepäck zu einem<br />
neuen Kreuzzug aufgebrochen.<br />
Aber Carolin Emcke ist keine, die sich einschüchtern lässt. Carolin Emcke ist eine Ausnahmejournalistin.<br />
Sie ist es nicht nur deswegen, weil sie oft in den Ausnahmegebieten<br />
der Welt arbeitet, also im Irak, im Iran oder in Afghanistan. Sie ist es deswegen, weil<br />
sie (früher beim „Spiegel“, heute vor allem für die „Zeit“) mit einer gedanklichen und<br />
sprachlichen Präzision arbeitet, die ihresgleichen sucht – und mit einem intellektu -<br />
ellen Mut, der bewundernswert ist. Wer wissen will, was aufklärerischer Journalismus ist,<br />
der muss Carolin Emcke lesen. Wer wissen will, warum die Debatte über den Islam in<br />
Deutschland so schauerlich falsch läuft, der muss ihren ausgezeichneten Text studieren.<br />
Der ausgezeichnete Text heißt: „Liberaler Rassismus“. Schon diesen Titel halten die<br />
liberalen und die bürgerlichen Anhänger von Sarrazin und Co für eine Unverschämtheit,<br />
und sie haben recht, weil dieser Text ihnen sagt, warum sie sich schämen müssen:<br />
deshalb, weil der liberale Rassismus sein eigenes Wertesystem missbraucht, wenn er<br />
scheinbar gegen den Rassismus vorgeht, aber den Islam als Ganzes verteufelt. Er missbraucht<br />
sein eigenes Wertesystem, wenn er gegen die Unterdrückung der Frau kämpft,<br />
aber tatsächlich die freie Ausübung des Glaubens verhindern will.<br />
Der neue, modische Rassismus macht alle Muslime für die Fundamentalisten haftbar.<br />
Der belgische Extremist Wilders treibt das auf die Spitze, indem er den Islam auf ei ne<br />
Stufe stellt mit dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus. Aber damit ist Wilders<br />
wohl gar nicht Extremist, sondern Exponent und Exponat des breiten liberalen<br />
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