BEST OF Otto Brenner Preis 2010 - Otto Brenner Shop
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Die Freuden der Denunziation<br />
Geschichte eines Niedergangs: Einst besaß der Verrat Größe –<br />
inzwischen geht es um Datenhehlerei und Steuerbetrug *<br />
Der Wachmann Christoph Meili, 28 damals, gelangte am 8. Januar 1997 auf<br />
seinem nächtlichen Rundgang in einen Kellerraum der Schweizerischen Bankgesellschaft<br />
(SBG), in dem Akten geschreddert werden sollten. In einer Bank<br />
fällt viel Papier an, und das Vernichten von Akten ist ein normaler Vorgang. Die<br />
Lagerkapazität ist bald erschöpft, und irgendwann endet selbst fürs Finanzamt<br />
die Aufbewahrungsfrist. Meili langweilte sich auf seiner nächtlichen Tour; später<br />
erzählte er, dass er sich dort in aller Ruhe ein Pin-up-Mädchen anschauen wollte.<br />
Dann jedoch entdeckte er etwas noch viel Interessanteres: Alte Kontobücher lagen<br />
da, Protokolle über Zwangsversteigerungen in Berlin, Gutschriften, Verbuchungen,<br />
normale Geschäfts post, über fünfzig Jahre alt. Meili war im Zweiten Weltkrieg<br />
noch nicht am Leben, er war kein Historiker, er hatte Computer verkauft und<br />
schließlich mit viel Glück diesen Job ergattert, der ihm erlaubte, seine Frau und<br />
seine beiden Kinder zu ernähren.<br />
Aber wer immer es ihm eingegeben haben mag: Meili bemerkte in diesem mitternächtlichen<br />
Bankverlies, dass es sich bei dem Altpapier um die Belege für ein<br />
Verbrechen handelte. Die SBG, die heute UBS heißt und weltweit operiert, hatte<br />
nicht nur die für die Schweiz üblichen Geschäfte mit Diktatoren und Waffenhändlern<br />
gemacht, sondern das nationalsozialistische Deutschland dabei unterstützt,<br />
als die Juden vor und nach ihrer Ermordung auch noch ausgeplündert wurden.<br />
Der Wachmann ging petzen<br />
Ein Schweizer Gesetz sah seit 1996 vor, dass solche Unterlagen aufbewahrt<br />
werden müssten, denn die Schweiz wollte sich endlich zu ihrer wenig ruhm -<br />
reichen Vergangenheit als kollaborierende Finanzmacht bekennen. Die UBS<br />
dagegen wol lte dem lieber aus dem Weg gehen und suchte die Abkürzung über<br />
den Schredder. Christoph Meili stahl die Unterlagen und brachte sie zur Jüdischen<br />
Cultusgemein de in Zürich. Deshalb wurde er von seinem Wachdienst entlassen,<br />
die Staatsanwaltschaft erstattete Anzeige wegen Diebstahls, denn Meili war<br />
* Der preisgekrönte Beitrag ist erschienen in der Süddeutschen Zeitung am 13.02.<strong>2010</strong>.<br />
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