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Die Freuden der Denunziation<br />

Geschichte eines Niedergangs: Einst besaß der Verrat Größe –<br />

inzwischen geht es um Datenhehlerei und Steuerbetrug *<br />

Der Wachmann Christoph Meili, 28 damals, gelangte am 8. Januar 1997 auf<br />

seinem nächtlichen Rundgang in einen Kellerraum der Schweizerischen Bankgesellschaft<br />

(SBG), in dem Akten geschreddert werden sollten. In einer Bank<br />

fällt viel Papier an, und das Vernichten von Akten ist ein normaler Vorgang. Die<br />

Lagerkapazität ist bald erschöpft, und irgendwann endet selbst fürs Finanzamt<br />

die Aufbewahrungsfrist. Meili langweilte sich auf seiner nächtlichen Tour; später<br />

erzählte er, dass er sich dort in aller Ruhe ein Pin-up-Mädchen anschauen wollte.<br />

Dann jedoch entdeckte er etwas noch viel Interessanteres: Alte Kontobücher lagen<br />

da, Protokolle über Zwangsversteigerungen in Berlin, Gutschriften, Verbuchungen,<br />

normale Geschäfts post, über fünfzig Jahre alt. Meili war im Zweiten Weltkrieg<br />

noch nicht am Leben, er war kein Historiker, er hatte Computer verkauft und<br />

schließlich mit viel Glück diesen Job ergattert, der ihm erlaubte, seine Frau und<br />

seine beiden Kinder zu ernähren.<br />

Aber wer immer es ihm eingegeben haben mag: Meili bemerkte in diesem mitternächtlichen<br />

Bankverlies, dass es sich bei dem Altpapier um die Belege für ein<br />

Verbrechen handelte. Die SBG, die heute UBS heißt und weltweit operiert, hatte<br />

nicht nur die für die Schweiz üblichen Geschäfte mit Diktatoren und Waffenhändlern<br />

gemacht, sondern das nationalsozialistische Deutschland dabei unterstützt,<br />

als die Juden vor und nach ihrer Ermordung auch noch ausgeplündert wurden.<br />

Der Wachmann ging petzen<br />

Ein Schweizer Gesetz sah seit 1996 vor, dass solche Unterlagen aufbewahrt<br />

werden müssten, denn die Schweiz wollte sich endlich zu ihrer wenig ruhm -<br />

reichen Vergangenheit als kollaborierende Finanzmacht bekennen. Die UBS<br />

dagegen wol lte dem lieber aus dem Weg gehen und suchte die Abkürzung über<br />

den Schredder. Christoph Meili stahl die Unterlagen und brachte sie zur Jüdischen<br />

Cultusgemein de in Zürich. Deshalb wurde er von seinem Wachdienst entlassen,<br />

die Staatsanwaltschaft erstattete Anzeige wegen Diebstahls, denn Meili war<br />

* Der preisgekrönte Beitrag ist erschienen in der Süddeutschen Zeitung am 13.02.<strong>2010</strong>.<br />

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