BEST OF Otto Brenner Preis 2010 - Otto Brenner Shop
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Rassismus, den Emcke so eindrucksvoll kritisiert. Carolin Emcke zeigt, wie die Ideale der<br />
Aufklärung pervertiert werden: weil man unter ihrem Deckmantel die Anhänger einer<br />
Weltreligion als Gefahrpersonen pauschalisiert. Emcke appelliert daher, nicht auf das<br />
Kopftuch zu schauen, sondern auf den Menschen darunter: Im Iran, darauf weist sie eindringlich<br />
hin, kämpfen kopftuchtragende Frauen gegen ein Regime der Unterdrückung.<br />
Emcke schwimmt gegen die gängige Meinung; aber sie schwimmt nicht nur; sie argu -<br />
mentiert: sie tut es klug, mit dem präzisen Blick der Kriegsreporterin und mit der<br />
Erfahrung der Journalistin, die die Krisengebiete der Welt kennt. Carolin Emcke schreibt<br />
an gegen die Mehrheitsmeinung – mit dem Mut, der sie als Reporterin in Kriegsgebiete<br />
geführt hat, die von anderen Journalisten nicht mehr betreten werden. Ihr Essay wider<br />
den liberalen Rassismus steht in einer großen geistigen Tradition, in einer Tradition<br />
wider die Kreuzzügler und die Islamophobie, in einer aufgeklärten Tradition des Rationalismus,<br />
die einst mit John Wiclif und Nikolaus von Cues begonnen hat.<br />
Vielleicht erstaunt es unsere <strong>Preis</strong>trägerin, wenn ich ihr einen katholischen Streit -<br />
genossen zur Seite stelle, den verstorbenen Wiener Kardinal Franz König, einen der<br />
ganz Großen der katholischen Religion im 20. Jahrhundert. Er hat vor zwölf Jahren in<br />
einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung gesagt: Europa sei zwar durch das<br />
Christentum geprägt und geformt worden; das könne aber heute nicht einfach kopiert<br />
und neu aufgelegt werden. Und auf die Frage, ob er denn die „islamistische Herausforderung“<br />
nicht sehe, antwortete er: „Wenn man nur in der Vergangenheit lebt, ist<br />
das richtig. In der Zukunft muss man zu einem gegenseitigen Respektieren kommen.<br />
Es mag sein, dass momentan das Interesse an einem Dialog nicht besonders groß ist,<br />
aber: Wir – Christentum und Islam, Türkei und Europa – müssen miteinander leben,<br />
nicht nebeneinander.“ Und dann sagte der alte Mann etwas Europäisch-Programmatisches:<br />
„Wir haben so viele verschiedene Kulturen auf heimatlichem Boden, dieser<br />
Reichtum darf nicht nivelliert werden, er muss das vereinte Europa prägen. Der Reichtum<br />
der Sprachen, der Kulturen, der Traditionen und Religionen – er muß hinein<br />
genommen werden in einer wirkliche Union.“<br />
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