Der Matrosen- anzug Der Matrosen- anzug - Reklamehimmel
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Die Passion des blaublütigen «shiplovers» (Wilhelm<br />
zwo nach eigener Einschätzung), in der beschönigenden<br />
Sprache der Hofschranzen zur «Allerhöchsten<br />
Marinepassion» verniedlicht, zeigte<br />
sich schon ziemlich früh. Seine navale Disposition<br />
war sozusagen natal vorgeprägt:<br />
- In Wilhelms Geburtsjahr (1859) wagt Preußen,<br />
mit der Entsendung einer Schiffsexpedition ins<br />
ferne Ostasien, zum ersten Mal einen kolonialistischen<br />
Ausflug auf die Weltmeere. Es ist<br />
Deutschlands «erster Griff nach der Seemacht»<br />
(M. Salewski).<br />
- Mit drei Jahren bekommt der Kronprinz von<br />
seiner englischen Oma Victoria den (vermutlich)<br />
ersten original englischen <strong>Matrosen</strong><strong>anzug</strong><br />
auf deutschem Boden geschenkt. Stolz posiert<br />
er darin vor der Kamera (vgl. S. 29).<br />
- Mit zehn Jahren erlebt Wilhelm zum ersten Mal<br />
den im Wortsinn überragenden Anblick eines<br />
riesigen Schlachtschiffes in seiner vollen<br />
bedrohlich–beschützenden Grüße, nämlich aus<br />
der Froschperspektive der neben dem gepanzerten<br />
Koloß ankernden königlichen Yacht:<br />
«Was das wohl für eine Freude wäre, war mein<br />
Gedanke, ein solches Schiff kommandieren zu<br />
können!»<br />
19 Jahre später konnte er kommandieren, nicht<br />
bloß ein solches Schiff, sondern gleich eine ganze<br />
Flotte - nur daß die ihm inzwischen viel zu klein<br />
war. Die Träume waren mit Wilhelm gewachsen.<br />
Als er 1888, 29 Jahre jung, den Kaiserthron bestieg,<br />
hatte er längst mächtigere Phantasien.<br />
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Wilhelm schielte nach England und träumte von<br />
deutscher Weltmacht, er schwärmte von «deutscher<br />
Seegeltung» und wähnte «Deutschlands<br />
Zukunft auf dem Wasser». «Bitter not ist uns eine<br />
deutsche Flotte», tönte er 1895 bei der Eröffnung<br />
des Nord-Ostsee-Kanals. Und bei anderer Gelegenheit:<br />
«<strong>Der</strong> Dreizack gehört in unsere Faust.»<br />
Mit solchen Macht-Worten – die eher seine innere<br />
Unsicherheit und Ohnmacht verrieten – machte<br />
er sich, wie Wilhelm Bittorf in einem klugen Aufsatz<br />
über die Skagerrak–Schlacht schrieb, «zum<br />
Exponenten, Propagandisten und Sloganschmied<br />
eines ‹Navalismus›, der Rang und Prestige einer<br />
Nation nach der Menge und Qualität ihrer<br />
Kriegsschiffe bemaß und die Marine zum<br />
Statussymbol, zum Staatsheiligtum erhob».<br />
Die oppositionellen Sozialdemokraten warnten<br />
frühzeitig vor soviel großdeutscher Hybris. Und<br />
nicht nur sie: Selbst Wilhelms eigene Mutter, die<br />
Kaiserin Viktoria, bekam es mit der Angst. Entsetzt<br />
schrieb sie kurz nach der Thronbesteigung<br />
ihres Sohnes an ihre Mutter: «Wilhelm will eine<br />
so starke Flotte haben wie England, das ist doch<br />
Wahnsinn.»<br />
<strong>Der</strong> Kieler Historiker Michael Salewski hat die<br />
Wilhelminische Großmachtssucht psychologisch<br />
zu deuten versucht. Seine interessante These: Wilhelm<br />
II. stand unter dem Zwang, aus dem langen<br />
Schatten seines inzwischen zum Mythos gewordenen<br />
Übergroß–Vaters Wilhelm I. herauszutreten,<br />
jenes legendären «Reichsschmiedes» und<br />
«Heldenkaisers», den man nach des Enkels Mei-<br />
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