«Das Meer» Aus «Bilder zum Anschauungsunterricht für die Jugend», Band I (um 1890) 164 165
gel alles beim alten sei, nur sollten Leonhard und Konrad künftig im Gastzimmer wohnen. Hier warfen sich die Brüder denn auch gleich nach der Begrüßung in ihr langersehntes Ferienkostüm. Leonhard hatte nach langem Betteln erreicht, daß die neuen blauen Waschanzüge mit richtigen <strong>Matrosen</strong>blusen ohne Latz ausgeführt wurden. <strong>Der</strong> Halsausschnitt war also bis zur Krawatte herunter offen, und das versprach ein Gefühl von göttlicher Freiheit, denn das Kindervolk kannte damals noch nicht die leichte Freilufttracht von heute. Die Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Es gewährte eine wahre Wonne, die bloße Brust den Lüften entgegenzuwerfen, und wo hätte dies besser geschehen sollen als auf der Schaukel! Die stattliche doppelbreite Schaukel im Kreuzgarten bei den Ginkgobäumen war natürlich von jeher geschätzt worden. Jetzt aber wurde sie zum Werkzeug all des Aufschwungs, der den Sagitta– Sommer verklärte. Die Kräfte Leonhards reichten seit neuestem aus, die gebäumte Planke, auf der er stand, zu ihren äußersten Höhen hinaufzutreiben. Er flog so hoch empor, daß er sich mit dem Fuß an der Mauer über dem Kirchenfenster abstoßen konnte und in die Dachrinne des Seitenschiffs hineinsah. Er zwang in den Fäusten die starken Doppelseile zusammen, als seien es Taue, und kam sich so recht als Blaujacke vor. Sicheren Standes trotzte er dem Wellengang. Konrad, der Passagier, mußte manche Mutprobe bestehen, vereinte aber auch oft seine Bärenkräfte mit denen des leichtbeschwingten Bruders, so daß eine ge- 166 wichtige Menschenfracht gen Himmel reiste und wieder in die Tiefen stürzte. Mühelos und mächtig waren diese Höhenflüge; sie förderten an die äußersten Ränder der Loslösung und lehrten Lagen in der Luft kennen, die fast schon einem Schwimmen im Raume entsprachen. Dazu ließen sie den Anprall des Elementes spüren mit herrlichem Brausen und den Kühlungen der köstlichen Brise. Die ganzen Ferienwochen hindurch wurde Leonhard des Schaukelvergnügens nicht überdrüssig. Er drängte nach allem hin, was das Hochgefühl des freien Äthers verschmecken ließ. <strong>Der</strong> Pfeil, das Segelboot, die Schmetterlinge, die Schaukel, alles hatte im Grunde denselben Sinn. <strong>Der</strong> Matrose im Mastkorb war der freieste Mensch. Hermann Heimpel: <strong>Der</strong> Mantelkauf Bob brauchte einen neuen Mantel. <strong>Der</strong> alte war noch gut, denn der Stoff war unverwüstlich, aber die Ärmel blieben allzuweit hinter den Handgelenken zurück, diesen dünnen Handgelenken, die so oft Gegenstand schwesterlicher Forschungen nach «Schatten», den Spuren mangelhaften Seifengebrauchs, waren. <strong>Der</strong> Kauf war einfach, denn etwas anderes als <strong>Matrosen</strong>anzüge, <strong>Matrosen</strong>mützen und <strong>Matrosen</strong>mäntel trugen die Buben in jener Zeit des Flottenvereins eigentlich nicht. Das Fräulein bei Höfling wußte auch genau, was die Mama wollte. 167
- Seite 1 und 2:
Der Matrosenanzug Kulturgeschichte
- Seite 3 und 4:
Robert Kuhn / Bernd Kreutz Der Matr
- Seite 5 und 6:
Dabei fing alles so vernünftig an
- Seite 7 und 8:
John Locke, englischer Philosoph (1
- Seite 9 und 10:
«moderne, geschmackvolle und fast
- Seite 11 und 12:
Gisela Jaacks verweist darauf, daß
- Seite 13 und 14:
(so auch der Titel des Basedowschen
- Seite 15 und 16:
plimente, daß er seine schicke neu
- Seite 17 und 18:
Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) mit
- Seite 19 und 20:
Der russische Grossherzog Alexander
- Seite 21 und 22:
38 39
- Seite 23 und 24:
schwalbenschwanzförmigen Form der
- Seite 25 und 26:
Beim Portrait-Photographen Erinneru
- Seite 27 und 28:
50 51
- Seite 29 und 30:
54 55
- Seite 31 und 32:
Mit Schlips und Kragen Ein modegesc
- Seite 33 und 34: 62 63
- Seite 35 und 36: chen befestigt wurden. Vom gesundhe
- Seite 37 und 38: Festkleidchen aus Tüll und Spitze
- Seite 39 und 40: Die Passion des blaublütigen «shi
- Seite 41 und 42: nung «den Großen» nennen sollte.
- Seite 43 und 44: Postkarte (um 1914) 82 83
- Seite 45 und 46: cheln, sondern ernsthaft fürchten
- Seite 47 und 48: Marine-Manie garantierte höchste A
- Seite 49 und 50: Kind seiner Zeit: Als furchtloser U
- Seite 51 und 52: 98 99
- Seite 53 und 54: schen Instrumente liegen, wie erwä
- Seite 55 und 56: hat. Stehen Jaegers hygienischen Wo
- Seite 57 und 58: 110 111
- Seite 59 und 60: mußte er sich in der ersten Zeit d
- Seite 61 und 62: 118seinem - in jeden Artikel eingen
- Seite 63 und 64: Kleidersitte als Äußerung der Vol
- Seite 65 und 66: für die individuellere, weniger un
- Seite 67 und 68: trosenanzug schnell das in der Zwis
- Seite 69 und 70: Donald Duck, der berühmteste Matro
- Seite 71 und 72: «Die Blechtrommel» (1978) 138 139
- Seite 73 und 74: freude. In Fontanes (1895 erschiene
- Seite 75 und 76: Thomas Mann: Der Musensohn Der klei
- Seite 77 und 78: «Der Freundschaftsring» - Zeichnu
- Seite 79 und 80: kleidet und allgemein gehalten schi
- Seite 81 und 82: Rückreise zu verabreden, und da sa
- Seite 83: Unwissenheit ausgezeichnet, schon d
- Seite 87 und 88: «one day verletzt ihr euch, und wi
- Seite 89 und 90: Bernhard Minetti (rechts), Schauspi
- Seite 91 und 92: Gert Bastian (links), General a. D.
- Seite 93 und 94: Ernst von Khuon, Journalist (geb. 1
- Seite 95 und 96: Manfred von Ardenne, Wissenschaftle
- Seite 97 und 98: Iring Fetscher, Politologe (geb. 19
- Seite 99 und 100: Beate Uhse, Kauffrau (geb. 1919) He
- Seite 101 und 102: Heinz Maier-Leibnitz, Physiker (geb
- Seite 103 und 104: (wie sich generell in der Silhouett
- Seite 105 und 106: Plagemann, Volker (Hrsg.): Übersee
- Seite 107: Es gibt wohl kaum ein Kleidungsstü