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Der Matrosen- anzug Der Matrosen- anzug - Reklamehimmel

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«1925 noch zögernd, dann kräftiger, um 1929 eine<br />

zweite Blütezeit zu erleben». Nach dem von<br />

Hävernick ausgewerteten Klassenfotomaterial<br />

blieb er «auch in den Jahren 1921-39 ein fester<br />

Bestandteil der Kleidungsformen. Allerdings<br />

begegnet er nicht mehr in der uniformartigen<br />

Ausschließlichkeit wie in der Epoche 1900/20.<br />

Nur in Ausnahmefällen wird er von 54% der<br />

Schüler einer einzelnen Klasse getragen; sonst liegen<br />

die Werte höchstens bei 20-30%.»<br />

Mit seiner Rückkehr in die Kinder- und Klassenzimmer<br />

kam eine hochnotpeinliche Qual wieder,<br />

an die sich selbst heute 70jährige nur mit allen<br />

Zeichen des Entsetzens erinnern mögen: Die Pein<br />

der langen schwarzen, schrecklich kratzenden<br />

Strümpfe, die man damals im Winter trug.<br />

Diese langen Strümpfe wurden in den Jahren zwischen<br />

1920 und 1930 zum erbittertsten Streitobjekt<br />

im Generationskampf zwischen Müttern<br />

und Kindern. Dabei blieben die Mütter die – zumindest<br />

bürgermoralischen – Sieger. Hävernicks<br />

schwarzer Strumpfkampfbericht:<br />

«Vergeblich versuchen die Jungen zwischen 1920<br />

und 1930, die Vorrechte der Sommerkleidung<br />

auch auf die Winterkleidung auszudehnen …<br />

Hier gab aber die Müttergeneration nicht nach;<br />

die Strümpfe mußten von Sextanern ebenso wie<br />

von Obertertianern angelegt werden … Die Jungen<br />

erhielten die Erlaubnis zur Ablegung nicht.<br />

Sie halfen sich jedoch unerlaubterweise selbst, indem<br />

sie auch bei stärkster Kälte gleich nach Verlassen<br />

der elterlichen Wohnung die Strümpfe von<br />

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den Strumpfbändern lösten und unterhalb des<br />

Knies rollten. So galt das Zeigen der bloßen Knie<br />

selbst im Hochwinter als ‹abgehärtet›, während<br />

die Beibehaltung als Zeichen der Verweichlichung<br />

verspottet wurde. Die vielen gerollten<br />

schwarzen Strümpfe lassen ahnen, daß dieser<br />

Kampf auch während der Sommermonate andauerte.<br />

Immer aber – von 1921 bis 1931 – behalten<br />

einige Jungen die langen Strümpfe korrekt an,<br />

sogar im Sommer. Dann aber, ab 1933 sind die<br />

schwarzen langen Strümpfe schlagartig verschwunden.<br />

Seitdem gibt es nur noch die hellfarbenen<br />

Kniestrümpfe.»<br />

Den beginnenden Niedergang des <strong>Matrosen</strong><strong>anzug</strong>s<br />

datiert Hävernick auf das Jahr 1931. In der<br />

Zeit danach sank die Zahl der <strong>Matrosen</strong><strong>anzug</strong>träger<br />

auf den Klassenfotos kontinuierlich, «das Absterben<br />

dieser Kleidungsform (ist) vorauszusehen».<br />

Doch zuvor, von 1925 bis 1929, kommt es<br />

noch einmal zu einem Boom, laut Hävernick<br />

«eine selten beobachtete Erscheinung in der<br />

Kostümgeschichte, deren Untersuchung interessante<br />

Einblicke in den Mechanismus der geistigen<br />

Triebkräfte aller Modebewegungen gibt».<br />

Die Hamburger Klassenfotos jener Jahre zeigen<br />

zweifelsfrei: «Von Quarta an zunehmend bis<br />

Obertertia wird der <strong>Matrosen</strong><strong>anzug</strong> immer mehr<br />

zum Zeichen der ‹führenden› Kreise – erstaunlich<br />

bei einer Anzugsform der 13- und 14jährigen, daß<br />

das Vorkommen bei den niederen Klassen nicht<br />

den Zeichenwert für die Größeren minderte …<br />

Es kann kein Zweifel sein, daß 1925/27 der Ma-<br />

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