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BEITRÄGE<br />
84<br />
Nahezu alle Gleichnisse Jesu haben<br />
eine bestimmte Struktur. Sie gehen<br />
von einem Schema aus, das <strong>als</strong> solches<br />
gut und nützlich ist, das aber,<br />
wenn es absolut gesetzt wird, hinter<br />
<strong>de</strong>m Willen Gottes weit zurückbleibt,<br />
um es vorsichtig zu sagen, und in bestimmten<br />
Situation ihm gera<strong>de</strong>zu zuwi<strong>de</strong>r<br />
läuft. Sie kennen die Beispiele: Im<br />
Sabbatgebot steckt die Vorschrift, o<strong>de</strong>r,<br />
wie ich jetzt sage, das Schema, keine<br />
Arbeit zu tun. Die Jünger rupfen am<br />
Sabbat Ähren, und Jesus verteidigt das:<br />
„Der Sabbat ist für <strong>de</strong>n Menschen da,<br />
und nicht <strong>de</strong>r Mensch für <strong>de</strong>n Sabbat“.<br />
Das Grundschema unserer Wirtschaft<br />
und unseres zwischenmenschlichen<br />
Verkehrs ist das Tauschprinzip:<br />
Ware gegen gleichwertige Ware, Ware<br />
gegen Geld, Ware gegen Arbeit, Arbeit<br />
gegen Geld. Das Gleichnis von <strong>de</strong>n Arbeitern<br />
im Weinberg schafft nicht das<br />
Schema Arbeit gegen Geld ab, aber das<br />
Schema wird überboten. Diejenigen,<br />
die <strong>de</strong>n ganzen Tag gearbeitet haben,<br />
bekommen einen Denar genauso, wie<br />
die, die nur eine Stun<strong>de</strong> gearbeitet haben.<br />
Gegen die Tauschgerechtigkeit<br />
steht die Überbietung, das Geschenk<br />
o<strong>de</strong>r, fromm gesagt, die Gna<strong>de</strong>.<br />
Der jüngere von zwei Söhnen hat<br />
sein Erbteil erhalten. Dass <strong>de</strong>r Vater<br />
<strong>de</strong>m verlorenen Sohn bei <strong>de</strong>r Rückkehr<br />
das Mastkalb schlachtet und damit <strong>de</strong>n<br />
Neid <strong>de</strong>s älteren und braven Bru<strong>de</strong>rs<br />
erregt, ist ein offener<br />
und kalkulierter<br />
Verstoß gegen das<br />
Tauschprinzip <strong>de</strong>r<br />
Gerechtigkeit. Dass<br />
Jesus bei Zachäus,<br />
<strong>de</strong>r es gera<strong>de</strong> nicht verdient hat, einkehrt<br />
und ihm die Ehre seiner Gastfreundschaft<br />
schenkt, ist ein Verstoß<br />
gegen die For<strong>de</strong>rung, das Wohlverhalten<br />
zu belohnen usw.<br />
Sie haben bemerkt, dass das letzte<br />
Beispiel kein Gleichnis ist, <strong>als</strong>o keine<br />
Geschichte von Jesus. Son<strong>de</strong>rn eine<br />
Geschichte über Jesus: Sie hat aber dieselbe<br />
Struktur wie die Gleichnisse. Ein<br />
Schema, das <strong>als</strong> solches nicht in Frage<br />
gestellt wird, wird transzendiert. Das<br />
ist kein Zufall. Und es gibt noch mehr<br />
» Gegen die Tauschgerechtigkeit<br />
steht die Überbietung,<br />
das Geschenk o<strong>de</strong>r,<br />
fromm gesagt, die Gna<strong>de</strong>.<br />
Beispiele. Die überführte Ehebrecherin<br />
in Johannes 8 wird von Schriftgelehrten<br />
eigens <strong>als</strong> Testfall für die Anwendbarkeit<br />
<strong>de</strong>s Steinigungsgesetzes bei Ehebruch<br />
herbeigeschleppt. Es geht um die<br />
Frage: Ist <strong>de</strong>r Wille Gottes in <strong>de</strong>r<br />
Schrift enthalten, müssen wir ihn nur<br />
noch umsetzen? O<strong>de</strong>r müssen wir aus<br />
<strong>de</strong>r Freiheit <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r Gottes mit <strong>de</strong>m<br />
Gesetz frei umgehen?<br />
Die erwischte Ehebrecherin steht<br />
<strong>als</strong>o da, und <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong> Gesetzesparagraph<br />
wird aufgerufen. Was tut<br />
Jesus? Er schreibt mit<br />
<strong>de</strong>m Finger auf die<br />
Er<strong>de</strong>. Er inszeniert<br />
Schrift. Er schreibt<br />
Gegenschrift. Es gibt<br />
gute Argumente, dass Johannes sich<br />
bei <strong>de</strong>m Finger Jesu, <strong>de</strong>r für ihn <strong>de</strong>r<br />
Finger <strong>de</strong>s fleischgewor<strong>de</strong>nen Logos<br />
ist, etwas gedacht hat. Schließlich war<br />
es ja auch <strong>de</strong>r Finger Gottes, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />
Exodus-Geschichte das Gesetz für Mose<br />
auf die steinernen Tafeln geschrieben<br />
hatte. <strong>Diese</strong> Demonstration, wo die<br />
Schrift eine Gegenschrift setzt, wird<br />
freilich von <strong>de</strong>n Schriftgelehrten nicht<br />
<strong>als</strong> solche erkannt, <strong>de</strong>swegen fragen sie<br />
hartnäckig weiter und Jesus sagt jenen<br />
wun<strong>de</strong>rbaren Satz: „Wer ohne Sün<strong>de</strong><br />
ist, werfe <strong>de</strong>n ersten Stein. Dann bückte<br />
er sich und schrieb weiter mit <strong>de</strong>m Finger<br />
auf die Er<strong>de</strong>.“ Der schreiben<strong>de</strong> Finger<br />
Jesu, und mit Johannes gelesen ist<br />
das <strong>de</strong>r schreiben<strong>de</strong><br />
Finger Gottes, rahmt<br />
<strong>als</strong>o diesen Satz ein.<br />
Wir erfahren keineswegs,<br />
was da geschrieben<br />
wur<strong>de</strong>,<br />
son<strong>de</strong>rn nur dass da geschrieben wur<strong>de</strong>.<br />
Jesus macht eine Art Lehr-Performance<br />
und zeigt, wie man mit <strong>de</strong>r<br />
Schrift, in <strong>de</strong>r alle Verhaltensschemata<br />
aufgeschrieben sind, umgehen muss.<br />
Den Gegensatz von Inhalt und Metho<strong>de</strong><br />
gibt es bei Jesus offensichtlich nicht.<br />
Seine Metho<strong>de</strong> ist das Transzendieren<br />
von Schemata, und das genau<br />
ist es auch, was er predigt. Er tut das,<br />
was er lehrt. Er macht es vor, und er<br />
ver<strong>de</strong>utlicht seine Handlung durch sein<br />
» Freiheit ist die Voraussetzung,<br />
um Schemata<br />
zu transzendieren.<br />
Re<strong>de</strong>n und durch seine Gleichnisse.<br />
<strong>Diese</strong> Einheit von Medium und Inhalt<br />
hat aber nichts zu tun mit methodischem<br />
Schnickschnack. Es hat aber etwas<br />
zu tun mit Freiheit. Freiheit ist die<br />
Voraussetzung, um Schemata zu transzendieren.<br />
Die Schemata sind nicht an<br />
sich schlecht, wir brauchen sie, um unser<br />
Leben zu meistern. Sie helfen uns,<br />
die Komplexität <strong>de</strong>s Lebens zu reduzieren.<br />
90 o<strong>de</strong>r 99 Prozent aller Probleme<br />
<strong>de</strong>s Alltags können wir nach bestimmten<br />
Vorbil<strong>de</strong>rn und Mustern lösen,<br />
wenn wir sie<br />
gelernt haben. Das<br />
macht uns und <strong>de</strong>m<br />
lieben Gott Freu<strong>de</strong>.<br />
Es ist wie<strong>de</strong>r dieselbe<br />
Freu<strong>de</strong> am Erfolg, von <strong>de</strong>r ich<br />
schon am Anfang gesprochen habe. Ich<br />
nenne sie einmal die Freu<strong>de</strong> Nr. 1, die<br />
Freu<strong>de</strong>, die wir empfin<strong>de</strong>n, wenn wir<br />
die Anfor<strong>de</strong>rungen, die das Schema an<br />
uns stellt, erfüllt haben und dafür auch<br />
<strong>de</strong>n Lohn bekommen. Nun gibt es aber<br />
eine an<strong>de</strong>re Freu<strong>de</strong>, die ich von dieser<br />
Freu<strong>de</strong> Nr. 1 unterschei<strong>de</strong>n möchte und<br />
die ich folglich Freu<strong>de</strong> Nr. 2 nenne.<br />
<strong>Diese</strong> Freu<strong>de</strong> kommt aber erst auf,<br />
wenn wir, die Nachkommen Adams,<br />
<strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r göttliche Atem eingespeist<br />
ist und die wir nach <strong>de</strong>m Bild Gottes<br />
geschaffen sind, <strong>als</strong> kleine Mitschöpfer<br />
kreativ sein dürfen und die Schemata<br />
transzendieren. Was macht – so hatte<br />
ich gefragt – <strong>de</strong>n Eltern und <strong>de</strong>m lieben<br />
Gott Freu<strong>de</strong>? Sollte man das auseinan<strong>de</strong>r<br />
dividieren? Natürlich nicht! Was<br />
<strong>de</strong>m lieben Gott Freu<strong>de</strong> macht, müsste<br />
eigentlich auch uns Eltern Freu<strong>de</strong> machen.<br />
Das wür<strong>de</strong> in dieser allgemeinen<br />
Formulierung sicher je<strong>de</strong>r und je<strong>de</strong> von<br />
uns unterschreiben. Aber ist das auch<br />
so? Akzeptieren wir tatsächlich die<br />
göttliche Perspektive? Ich stelle die<br />
Frage noch einen Moment zurück und<br />
versuche erst noch einmal, etwas genauer<br />
zu verstehen, wann die göttliche<br />
Freu<strong>de</strong> ausbricht. Was sagt <strong>de</strong>r Lehrer?<br />
Ich meine natürlich immer noch <strong>de</strong>n<br />
Lehrer Jesus. Wer freut sich in <strong>de</strong>n<br />
Gleichnissen Jesu?<br />
Es freut sich natürlich – darüber<br />
gibt es überhaupt keinen Zweifel – <strong>de</strong>r<br />
INFO 34 · 2/2005