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<strong>de</strong>r lästig, aber buchstäblich lebenswichtig<br />
ist, überlassen sie uns, <strong>de</strong>n Eltern.<br />
Warum <strong>de</strong>n Rest nicht auch?<br />
Natürlich sollen sich die Kin<strong>de</strong>r<br />
freuen, so viel und so oft wie möglich.<br />
Sie sollen sich aber nicht nur freuen,<br />
son<strong>de</strong>rn auch, wie Aristoteles im Zuge<br />
seiner längeren Ausführungen über <strong>de</strong>n<br />
erzieherischen Wert <strong>de</strong>r Musik bemerkt,<br />
sich auf die richtige Weise und<br />
an <strong>de</strong>n richtigen Dingen freuen. Nach<br />
seiner Überzeugung besitzt die Musik<br />
die Kraft, „ähnlich wie die Gymnastik<br />
<strong>de</strong>m Körper, so <strong>de</strong>m Charakter <strong>de</strong>s<br />
Menschen eine bestimmte Form aufzuprägen“.<br />
Zu diesem Zwecke eigne sich<br />
die Musik vor allem <strong>de</strong>shalb, weil sich<br />
die Jugend dank ihrer Jugendlichkeit<br />
freiwillig mit nichts abgeben wer<strong>de</strong>,<br />
was nicht zugleich<br />
Ȇber richtige und f<strong>als</strong>che,<br />
über gelungene und misslungene<br />
Erziehung lässt<br />
sich nun einmal nicht viel<br />
Neues sagen, seit zweieinhalb<br />
Jahrtausen<strong>de</strong>n nicht.<br />
Vergnügen macht.<br />
Und da die Musik<br />
zu <strong>de</strong>n angenehmen<br />
Dingen zählt,<br />
sei sie in beson<strong>de</strong>rer<br />
Weise dazu geeignet,<br />
„<strong>de</strong>n jungen<br />
Menschen die richtige Freu<strong>de</strong> und <strong>de</strong>n<br />
richtigen Hass (auch <strong>de</strong>n!) einzupflanzen“.<br />
Nichts sei durch Unterricht und<br />
durch Gewöhnung sorgfältiger auszubil<strong>de</strong>n<br />
<strong>als</strong> das richtige Urteil über und<br />
die richtige Freu<strong>de</strong> an schönen Charakteren<br />
und anspruchsvollen Handlungen;<br />
und, umgekehrt, die Abneigung gegen<br />
alles Gewöhnliche und Gemeine.<br />
Ihm stand <strong>de</strong>r Unterschied noch klar<br />
vor Augen – uns auch? Geben wir uns<br />
noch Mühe, die Kin<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n richtigen<br />
Rhythmen und <strong>de</strong>n richtigen Melodien<br />
bekannt zu machen und ihnen damit Abbil<strong>de</strong>r<br />
für Empfindungen und Verhaltensweisen<br />
vor die Seele zu stellen, die<br />
wir <strong>als</strong> vorbildlich betrachten? Wir können<br />
es versuchen, und viele von uns wer<strong>de</strong>n<br />
das auch tun; aber mit welchem Erfolg<br />
in einer Welt, in <strong>de</strong>r es üblich gewor<strong>de</strong>n<br />
ist, die Jugend mit einer Musik vollzudröhnen,<br />
die alles mögliche bewirken<br />
kann, nur keine Ruhe und Besinnung.<br />
Noch je<strong>de</strong>s Mal, wenn irgen<strong>de</strong>in jugendlicher<br />
Amokläufer seinen Mitschülern<br />
o<strong>de</strong>r Lehrern an die Gurgel gegangen<br />
war, hat man zunächst einmal seine Plattensammlung<br />
durchsucht und ist dabei in<br />
aller Regel fündig gewor<strong>de</strong>n. Sobald das<br />
ruchbar wur<strong>de</strong>, beeilten sich die Interessenten,<br />
die Fachleute für Rock und Pop,<br />
die aufkeimen<strong>de</strong> Debatte in <strong>de</strong>n Griff zu<br />
bekommen und in ihrem Sinne zu steuern.<br />
Was meistens auch gelang mit <strong>de</strong>r<br />
Folge, dass alles so bleib, wie es war, weil<br />
man <strong>de</strong>r Jugend ihre Freiheit lassen wollte.<br />
Die alles entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Frage nach<br />
<strong>de</strong>r richtigen Freu<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r richtigen<br />
Abneigung wird <strong>als</strong> unzulässig empfun<strong>de</strong>n<br />
und gar nicht mehr gestellt.<br />
Wir sollten uns dadurch nicht irre<br />
machen lassen, genauso wenig wie<br />
durch die vielen an<strong>de</strong>ren, leichtfertigen<br />
o<strong>de</strong>r törichten Ratschläge <strong>de</strong>r unerwünschten<br />
Miterzieher. Der Leiter <strong>de</strong>r<br />
Schule Salem, Bernhard Bueb, hat offensichtlich<br />
Recht,<br />
wenn er das Fernsehen,<br />
das Handy und<br />
die Computerspiele<br />
die größten Fein<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Jugend nennt,<br />
weil sie zum schnellen,<br />
<strong>als</strong>o f<strong>als</strong>chen<br />
Glück verführen, und dafür eintritt, die<br />
Medien an die Kandare zu nehmen und<br />
das Diskothekenwesen zu reglementieren.<br />
Nur dass es dabei, bei <strong>de</strong>r Warnung<br />
und beim Reglement, nicht bleiben darf.<br />
Wir müssen etwas<br />
an<strong>de</strong>res, Besseres<br />
und Verlocken<strong>de</strong>res<br />
dagegen setzen, und<br />
sind darum ja keineswegs<br />
verlegen.<br />
Auch hier gibt es<br />
nicht viel Neues zu ent<strong>de</strong>cken. Ich berufe<br />
mich auf die Forkel´sche Bach-<br />
Biografie, in <strong>de</strong>r man über <strong>de</strong>n Meister<br />
und sein Wohltemperiertes Klavier folgen<strong>de</strong>s<br />
liest: „Das Kind, das diese Stücke<br />
einmal geübt hat, – mag es auch noch<br />
so mechanisch dabei zugegangen sein –,<br />
hat eine Anschauung von Stimmführung<br />
bekommen, die nicht mehr verwischt<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Instinktiv wird es in je<strong>de</strong>m<br />
Tonstück eine ähnlich souveräne Bewegung<br />
<strong>de</strong>r klanglichen Linien suchen und<br />
ihr Fehlen <strong>als</strong> Armut empfin<strong>de</strong>n. Wer<br />
diese Stücke“, fährt Forkel dann fort,<br />
„vollends unter einem tüchtigen Lehrer<br />
»Wir müssen etwas an<strong>de</strong>res,<br />
Besseres und Verlocken<strong>de</strong>res<br />
dagegen setzen,<br />
und sind darum ja keineswegs<br />
verlegen.<br />
auch nach <strong>de</strong>r Seite <strong>de</strong>r formalen und ästhetischen<br />
Eigenschaften durchgegangen<br />
hat, trägt von da an die Maßstäbe <strong>de</strong>r<br />
wahren Tonkunst in sich“. Die aller<br />
wahren Freu<strong>de</strong> auch, möchte ich hinzusetzen.<br />
Ich habe das zitiert, um Ihnen Mut zu<br />
machen, die Erziehung Ihrer Kin<strong>de</strong>r<br />
selbst in die Hand zu nehmen und nach<br />
Ihren eigenen Maßstäben zu gestalten.<br />
Denn die geborenen Erzieher Ihrer Kin<strong>de</strong>r<br />
sind Sie. Die an<strong>de</strong>ren, die sich mit<br />
diesem Titel so gern schmücken, die Bildungsplaner,<br />
Bildungsforscher und Bildungspolitiker,<br />
kommen, wenn überhaupt,<br />
erst viel, viel später. Das Grundgesetz<br />
ist ein<strong>de</strong>utig, wenn es Pflege und<br />
Erziehung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r das Recht <strong>de</strong>r Eltern<br />
nennt und die zuvör<strong>de</strong>rst ihnen obliegen<strong>de</strong><br />
Pflicht; ein Satz, <strong>de</strong>r lei<strong>de</strong>r in<br />
Vergessenheit geraten ist, zu unser aller<br />
Scha<strong>de</strong>n. Das Zweite Vaticanum schließt<br />
sich <strong>de</strong>m an, in<strong>de</strong>m es die Eltern, die ihren<br />
Kin<strong>de</strong>rn das Leben geschenkt haben,<br />
auch <strong>de</strong>ren erste und wichtigste Erzieher<br />
nennt. Die ersten und wichtigsten, möchte<br />
ich ergänzen, die einzigen aber nicht.<br />
Wir sind auf Hilfe angewiesen, und wir<br />
sind dankbar, wenn diese Hilfe nicht immer<br />
nur von <strong>de</strong>nen kommt, die damit allzu<br />
eigensüchtige Motive verbin<strong>de</strong>n, vom<br />
Staat und seinen mächtigen Trabanten.<br />
Deswegen will ich<br />
nicht schließen, ohne<br />
die Kirche zu bitten,<br />
in ihrem Engagement<br />
für Kin<strong>de</strong>r<br />
und Schulen nicht<br />
nachzulassen. Ich<br />
habe dazu auch persönlich Grund, weil<br />
meine eigenen Kin<strong>de</strong>r eine kirchliche Institution,<br />
die Bischof-Neumann-Schule<br />
in Königstein, besucht haben. Alle drei<br />
sind dafür dankbar; und wir, die Eltern,<br />
auch.<br />
Dr. Konrad Adam ist Chefkorrespon<strong>de</strong>nt<br />
<strong>de</strong>r Tageszeitung „DIE WELT“ in<br />
Berlin.<br />
BEITRÄGE<br />
103<br />
INFO 34 · 2/2005