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BEITRÄGE<br />
102<br />
nannte Kin<strong>de</strong>rvater Friedrich Fröbel,<br />
Erziehung ist Beispiel und Liebe. Und<br />
er fügt ausdrücklich hinzu: sonst nichts!<br />
Uns braucht man das nicht zu erklären,<br />
<strong>de</strong>n Pädagogen o<strong>de</strong>r Anti-Pädagogen<br />
muss man es aber wohl. Es ist noch gar<br />
nicht lange her, dass <strong>de</strong>r Amerikaner<br />
Uri Bronfenbrenner die Wie<strong>de</strong>rent<strong>de</strong>ckung<br />
<strong>de</strong>s Vorbil<strong>de</strong>s <strong>als</strong> die größte Errungenschaft<br />
<strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Erziehungswissenschaft<br />
feiern konnte; schön für<br />
ihn und seine Leute,<br />
überflüssig für uns.<br />
Das Beste, was man<br />
von <strong>de</strong>n Erzeugnissen<br />
dieser überbor<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Forschungsindustrie<br />
sagen kann,<br />
ist doch, dass sie uns<br />
ab und an in <strong>de</strong>m<br />
bestätigt, was uns auch ohne sie geläufig<br />
ist. In diesen Fällen wollen wir sie<br />
<strong>als</strong> Bun<strong>de</strong>sgenossin begrüßen und willkommen<br />
heißen; aber auch nur dann!<br />
Eine solche Verbün<strong>de</strong>te haben wir<br />
in <strong>de</strong>r schon erwähnten Hirnforschung<br />
gefun<strong>de</strong>n. Sie hat vor allem Dreierlei<br />
klipp- und klargemacht:<br />
Erstens: Dass in <strong>de</strong>r Erziehung alle<br />
wichtigen Entscheidungen früh fallen,<br />
sehr früh sogar. Früh genug zumin<strong>de</strong>st,<br />
um später, im Alter von drei o<strong>de</strong>r mehr<br />
Jahren, wenn <strong>de</strong>r Staat mit seinem Zugriff<br />
beginnt, nur noch geringe Korrekturen<br />
zu erlauben, weil alles Wesentliche<br />
festgelegt ist, so o<strong>de</strong>r so. Schon<br />
<strong>de</strong>shalb ist <strong>de</strong>r Ruf nach einem flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>n<br />
Angebot von Betreuungseinrichtungen<br />
für Kin<strong>de</strong>r „von null bis<br />
drei Jahren“, wie es im Wahlprogramm<br />
<strong>de</strong>r Grünen heißt, im besten Falle naiv,<br />
im schlimmsten ein Experiment an leben<strong>de</strong>n<br />
Objekten, gegen das die Grünen<br />
aber nur dann Einwän<strong>de</strong> zu haben<br />
scheinen, wenn es an Tieren stattfin<strong>de</strong>t<br />
o<strong>de</strong>r mit gentechnisch verän<strong>de</strong>rtem<br />
Mais. Klar ist bei <strong>de</strong>r von ihnen favorisierten<br />
Betreuungspolitik doch nur, dass<br />
wir, die Eltern, zurückgedrängt wer<strong>de</strong>n<br />
sollen. Wer sich davon Gewinn verspricht,<br />
sollte doch immerhin so fair<br />
und so ehrlich sein, auch die Verluste<br />
zu überschlagen, die bei diesem Geschäft<br />
auftreten können; von <strong>de</strong>nen<br />
»Wir wissen, dass Kin<strong>de</strong>r<br />
we<strong>de</strong>r unbeschriebene Blätter<br />
noch fertige Menschen<br />
sind, son<strong>de</strong>rn Geschenke,<br />
Angebote o<strong>de</strong>r Versprechungen,<br />
die erst noch wer<strong>de</strong>n<br />
müssen, was sie sind.<br />
aber hört man nichts. Eltern und Elternhaus<br />
wer<strong>de</strong>n nur noch <strong>als</strong> Risikofaktoren<br />
wahrgenommen, <strong>de</strong>ren be<strong>de</strong>nklicher<br />
Einfluss durch <strong>de</strong>n Eingriff <strong>de</strong>r Staatsgewalt<br />
in Schach gehalten wer<strong>de</strong>n muss.<br />
Zweitens hat uns die Hirnforschung<br />
beigebracht, dass <strong>de</strong>r uralte Streit zwischen<br />
Erbe und Umwelt und das relative<br />
Gewicht, das <strong>de</strong>m einen und <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
für die Entwicklung <strong>de</strong>s Menschen<br />
zukommt, gegenstandslos ist. Innen<br />
und Außen, nature<br />
und nurture, wie<br />
es im Englischen<br />
plastisch heißt, sind<br />
so eng miteinan<strong>de</strong>r<br />
verwoben, dass es<br />
pure Willkür wäre,<br />
das Eine vom An<strong>de</strong>ren<br />
trennen, prozentual<br />
aufschlüsseln und gegeneinan<strong>de</strong>r<br />
abwägen zu wollen. Das Hirn <strong>de</strong>s<br />
Neugeborenen enthält ein überaus reiches,<br />
im Einzelnen aber noch nicht festgelegtes<br />
Angebot von Verschaltungen,<br />
die durch Außenreize aktiviert und festgelegt<br />
wer<strong>de</strong>n, meist endgültig und unwi<strong>de</strong>rruflich:<br />
Eine Erkenntnis, die alle<br />
Eltern darin bestärken sollte, <strong>de</strong>n ihnen<br />
von <strong>de</strong>r Natur überkommenen Auftrag<br />
ernst zu nehmen und sich für das Zusammensein<br />
mit ihren Kin<strong>de</strong>rn Zeit<br />
und Kraft zu nehmen. Es ist die beste<br />
Art, sie auf <strong>de</strong>n sogenannten Ernst <strong>de</strong>s<br />
Lebens vorzubereiten.<br />
Drittens und letztens hat uns die<br />
Hirnforschung darin bestätigt, dass wir<br />
nicht durch Belehrung klug wer<strong>de</strong>n,<br />
son<strong>de</strong>rn durch Han<strong>de</strong>ln. Zuschauen und<br />
Zuhören reicht nicht,<br />
sagt Wolf Singer,<br />
Direktor <strong>de</strong>s Max-<br />
Planck-Instituts für<br />
Hirnforschung in<br />
Frankfurt, Selbermachen<br />
entschei<strong>de</strong>t.<br />
Daher die kaum zu überschätzen<strong>de</strong><br />
Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Spiels, über <strong>de</strong>ssen<br />
Wert wir im Schiller-Jahr nicht lang<br />
und breit zu re<strong>de</strong>n haben sollten, da<br />
niemand das Spiel so einfühlsam gewürdigt<br />
hat wie er. Spielen, das meint<br />
we<strong>de</strong>r die Lieblosigkeit, mit <strong>de</strong>r die<br />
Spaßpädagogen <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn zurufen:<br />
» Wir haben mächtige Verbün<strong>de</strong>te<br />
im Kampf für unsere<br />
Rechte und Pflichten<br />
<strong>als</strong> Eltern, allen voran die<br />
mo<strong>de</strong>rne Hirnforschung.<br />
„Macht, was ihr wollt!“, noch <strong>de</strong>n<br />
Lehr- und Lernfuror, <strong>de</strong>r <strong>als</strong> Antwort<br />
auf <strong>de</strong>n Exzess in die eine Richtung <strong>de</strong>n<br />
Exzess in die an<strong>de</strong>re predigt. Nach<strong>de</strong>m<br />
die Kin<strong>de</strong>rgärten unter <strong>de</strong>m Kommando<br />
<strong>de</strong>r GEW zu Wärmestuben ausgebaut<br />
wor<strong>de</strong>n waren, sollen sie jetzt unter<br />
Aufsicht <strong>de</strong>s BDI zu Lernfabriken umgerüstet<br />
wer<strong>de</strong>n: Offenbar sind die mit<br />
Bildungspolitik befassten Stellen konstitutionell<br />
unfähig, <strong>de</strong>n Weg durch die<br />
Mitte zu fin<strong>de</strong>n und zu nehmen. Wir<br />
Eltern sind das keineswegs. Wir kennen<br />
<strong>de</strong>n Weg; weshalb wir auch nicht<br />
unbeschei<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r überheblich sind,<br />
wenn wir <strong>de</strong>n Staat und seine Ei<strong>de</strong>shelfer<br />
in <strong>de</strong>r Wissenschaft darum bitten,<br />
sich in einem Geschäft zurückzuhalten,<br />
das wir besser beherrschen <strong>als</strong> sie.<br />
Über richtige und f<strong>als</strong>che, über gelungene<br />
und misslungene Erziehung<br />
lässt sich nun einmal nicht viel Neues<br />
sagen, seit zweieinhalb Jahrtausen<strong>de</strong>n<br />
nicht. Es bleibt bei <strong>de</strong>m, was Lessing in<br />
seinem Aufsatz über die Erziehung <strong>de</strong>s<br />
Menschgeschlechtes geschrieben hatte:<br />
„Erziehung gibt <strong>de</strong>m Menschen nichts,<br />
was er nicht auch aus sich selbst haben<br />
könnte; sie gibt ihm das, was er aus sich<br />
selber haben könnte, nur geschwin<strong>de</strong>r<br />
und leichter“. Der Pädagoge, <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rführer,<br />
wie ihn die Griechen genannt<br />
und damit einem ganzen Berufsstand<br />
<strong>de</strong>n Namen gegeben haben, hatte<br />
die Aufgabe, die Kin<strong>de</strong>r zu begleiten<br />
und dafür zu sorgen, dass ihnen außer<br />
Hause nichts Böses zustieß. Das ist ein<br />
Auftrag, <strong>de</strong>r mit Kuschelecken und<br />
Computerprogrammen zunächst einmal<br />
wenig, mit <strong>de</strong>r<br />
Frage, wie ich ein<br />
Kind davor bewahre,<br />
sich von <strong>de</strong>r<br />
Hand zu reißen und<br />
über die Straße zu<br />
rennen, aber ziemlich<br />
viel zu tun hat. Ob sich einer <strong>de</strong>r<br />
vielen Ratgeber, die uns dazu einla<strong>de</strong>n,<br />
<strong>de</strong>m Kind seinen Willen zu lassen,<br />
schon einmal überlegt hat, was es unter<br />
<strong>de</strong>n Bedingungen <strong>de</strong>s heutigen Straßenverkehrs<br />
be<strong>de</strong>uten wür<strong>de</strong>, dieser<br />
Empfehlung zu folgen? Wahrscheinlich<br />
nicht. <strong>Diese</strong>n Teil <strong>de</strong>r Erziehung,<br />
INFO 34 · 2/2005