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BEITRÄGE<br />

100<br />

verzichten. Der gesellschaftliche Reichtum<br />

habe dazu geführt, dass das Leistungsprinzip<br />

seine Funktion <strong>als</strong> Maßstab<br />

für die Verteilung von Lohn und<br />

Strafe verloren habe. Da brach noch<br />

einmal Lenins alter Traum von einer<br />

Gesellschaft auf, in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m einzelnen<br />

nicht nach seinen Fähigkeiten gegeben<br />

wird, son<strong>de</strong>rn sich je<strong>de</strong>r nach Maßgabe<br />

seiner Bedürfnisse bedienen darf. Wie<br />

weit dieser Kin<strong>de</strong>rglaube seinerzeit verbreitet<br />

war, lässt <strong>de</strong>r Strukturplan ermessen,<br />

mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Deutsche Bildungsrat<br />

die Schule auf die Höhe <strong>de</strong>r<br />

Zeit führen wollte. Dort heißt es wörtlich:<br />

„Das Leistungsprinzip, wie es im<br />

gesellschaftlichen Wettbewerb gilt,<br />

kann nicht auf <strong>de</strong>n Bildungsprozess <strong>de</strong>r<br />

Jugendlichen o<strong>de</strong>r gar Kin<strong>de</strong>r übertragen<br />

wer<strong>de</strong>n“. Die naheliegen<strong>de</strong> Frage,<br />

was <strong>de</strong>nn an seine Stelle treten sollte,<br />

haben die Strukturplaner nicht mehr aufgeworfen,<br />

geschweige <strong>de</strong>nn beantwortet.<br />

Tatsächlich sind die Alternativen ja<br />

auch überaus spärlich und allesamt<br />

nicht attraktiv. Soll man, um nicht nach<br />

Leistung gehen zu müssen, nach Herkunft,<br />

Stand, Gesinnung o<strong>de</strong>r was weiß<br />

ich urteilen, auswählen und zuteilen?<br />

Die Antwort heißt, dass es zur Leistung<br />

keine gangbare, keine <strong>de</strong>mokratisch<br />

akzeptable Alternative<br />

gibt. Diejenigen,<br />

die es an<strong>de</strong>rs<br />

wollten und<br />

an<strong>de</strong>rs versprochen<br />

hatten, haben die Jugend<br />

gleich doppelt<br />

geprellt. Zunächst natürlich um die<br />

Chance, in <strong>de</strong>r Schule all das zu lernen,<br />

was sie brauchen, um im Leben zurechtzukommen,<br />

<strong>als</strong>o selbstverantwortlich<br />

statt abhängig zu leben und an<strong>de</strong>ren <strong>als</strong><br />

Zuwendungsempfänger nicht dauerhaft<br />

auf <strong>de</strong>r Tasche zu liegen. Sie haben<br />

sie aber auch um etwas ganz an<strong>de</strong>res<br />

betrogen, und das wiegt min<strong>de</strong>stens genauso<br />

schwer, um die Freu<strong>de</strong> nämlich,<br />

die das Lernen zwar nicht selbst bereitet,<br />

die sich allerdings einstellt, wenn<br />

man mit <strong>de</strong>m Lernen fertig ist, wenn<br />

man ausgelernt hat, etwas beherrscht<br />

und nun wirklich kann. Der Wahlenglän<strong>de</strong>r<br />

Joseph Conrad hat das sehr<br />

Dr. Konrad Adam<br />

» Nicht Eudämonismus, das<br />

Streben nach Glück, son<strong>de</strong>rn<br />

Hedonismus, Spaß-<br />

Leben, heißt die Botschaft<br />

<strong>de</strong>r Spaßpädagogen.<br />

schön beschrieben, <strong>als</strong> er sich über die<br />

von <strong>de</strong>n Sozialisten betriebene Arbeitsvergötzung<br />

lustig machte: „Nein, Arbeit<br />

mag ich nicht“, bekannte er, „viel lieber<br />

hätte ich herumgefaulenzt und mir<br />

allerlei feine Sachen ausgedacht. Arbeit<br />

mag ich nicht, kein Mensch mag<br />

Arbeit – doch ich mag, was in <strong>de</strong>r Arbeit<br />

steckt, die Möglichkeit, zu sich<br />

selbst zu fin<strong>de</strong>n, zur eigenen Wirklichkeit<br />

vorzustoßen, <strong>de</strong>r<br />

Wirklichkeit, wie<br />

man sie selbst sieht,<br />

nicht, wie an<strong>de</strong>re sie<br />

sehen, und so zu erfahren,<br />

was kein an<strong>de</strong>rer<br />

erfahren kann“.<br />

Selbstverwirklichung <strong>als</strong>o, Selbsterfahrung<br />

und wie die Begriffe sonst<br />

noch heißen: all das, was dam<strong>als</strong>, vor<br />

30 Jahren, allenthalben propagiert, aber,<br />

wie man inzwischen wohl erkennt,<br />

gründlich missverstan<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>.<br />

Was Conrad von <strong>de</strong>r Arbeit sagt,<br />

lässt sich auch von <strong>de</strong>r Schule behaupten,<br />

die ihren Namen ja nicht zufällig<br />

von <strong>de</strong>r scholé, <strong>de</strong>r Muße im antiken<br />

Sinne, herleitet. Muße in dieser Be<strong>de</strong>utung<br />

meint gera<strong>de</strong> nicht die Untätigkeit,<br />

<strong>de</strong>n Urlaub o<strong>de</strong>r die Faulenzerei –<br />

die fremdbestimmte Arbeit natürlich<br />

ebensowenig –, son<strong>de</strong>rn das, was zwischen<br />

bei<strong>de</strong>n liegt: die frei bestimmte<br />

© Foto: Ossenkamp<br />

Tätigkeit, die ihren Lohn in sich trägt,<br />

weil sie dazu befähigt, das Leben nach<br />

eigenen Maßstäben einzurichten. Die<br />

Anstrengung, die dazu nötig ist, treibt<br />

das Gefühl <strong>de</strong>r Zufrie<strong>de</strong>nheit, <strong>de</strong>s Stolzes<br />

und <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> am En<strong>de</strong> aus sich<br />

selbst hervor. Man scheut sich fast, so<br />

abgestan<strong>de</strong>ne Weisheiten zu wie<strong>de</strong>rholen,<br />

kommt darum aber nicht herum,<br />

weil sich die Spaßpädagogik darin gefallen<br />

hat, alles Gewohnte und Vertraute<br />

auf <strong>de</strong>n Kopf zu stellen und <strong>de</strong>r Erfahrung<br />

kräftig ins Gesicht zu schlagen.<br />

Recht haben ihre Anhänger doch<br />

nur darin, dass Lernen – im Unterschied<br />

zum Wissen und zum Können –<br />

mit Unlust verbun<strong>de</strong>n ist. Das wusste<br />

und sagte schon Aristoteles. An<strong>de</strong>rs <strong>als</strong><br />

unsere Spaßpädagogen wusste er aber<br />

auch, dass erfolgreiches Lernen in Freu<strong>de</strong><br />

mün<strong>de</strong>t: „Das Endziel“, heißt es im<br />

achten Buch <strong>de</strong>r Politik, „trägt <strong>de</strong>n Genuss<br />

in sich“. <strong>Diese</strong>n Satz scheinen die<br />

Spaßlehrer und Spaßforscher übersehen<br />

zu haben; bestreiten lässt er sich ja<br />

kaum. Sie wollen <strong>de</strong>n leichten Sieg,<br />

<strong>de</strong>n Genuss ohne Mühe, und täuschen<br />

damit sich und ihre Schüler.<br />

Das müssen sie wohl auch, <strong>de</strong>nn ihre<br />

Absichten sind trübe. Die Älteren<br />

unter Ihnen wer<strong>de</strong>n sich vielleicht noch<br />

an die so genannten Kin<strong>de</strong>rfreun<strong>de</strong> erinnern,<br />

die vor 30 Jahren, in <strong>de</strong>r Sturm-<br />

INFO 34 · 2/2005

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