Diese Ausgabe als PDF herunterladen - Service.bistumlimburg.de ...
Diese Ausgabe als PDF herunterladen - Service.bistumlimburg.de ...
Diese Ausgabe als PDF herunterladen - Service.bistumlimburg.de ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
fristig planen. Und: Unser Leben macht<br />
Sinn, wenn wir human leben.<br />
Moralischen Entscheidungen liegen<br />
vernünftige, d.h. methodische und<br />
d.h. lernbare Gedankenschritte zu Grun<strong>de</strong>:<br />
Man beschreibt min<strong>de</strong>stens zwei<br />
Handlungen, fragt nach <strong>de</strong>m Nutzen je<strong>de</strong>r<br />
dieser Handlungen, fragt, welcher<br />
Nutzen einem humanen Leben dient.<br />
Man fragt, ob dieser Aspekt <strong>de</strong>s humanen<br />
Lebens <strong>de</strong>r eigenen Vorstellung von<br />
einem sinnerfüllten Leben gerecht wird.<br />
Moralisches Lernen geschieht <strong>als</strong>o<br />
<strong>als</strong> ganz methodisches Denken. Man<br />
lernt Moralität, in<strong>de</strong>m man die aufgezeigte<br />
Metho<strong>de</strong> anwen<strong>de</strong>t. Moralisches<br />
Lernen ist „vernunftkausal“: D.h. durch<br />
das regelhafte, methodische Anwen<strong>de</strong>n<br />
von Vernunft kommen wir zu allgemeingültigen<br />
Aussagen.<br />
Nun kann man einwen<strong>de</strong>n: Die Kin<strong>de</strong>r<br />
wissen das, aber sie han<strong>de</strong>ln nicht<br />
danach. Das stimmt: Das ist bei Kin<strong>de</strong>rn<br />
nicht an<strong>de</strong>rs <strong>als</strong> bei uns selbst.<br />
<strong>Diese</strong>s Missverhältnis zwischen Wissen<br />
und Tun hängt damit zusammen,<br />
dass <strong>de</strong>r Entschluss, gemäß <strong>de</strong>r eigenen<br />
Einsicht zu han<strong>de</strong>ln, nicht schon mit<br />
<strong>de</strong>r Einsicht gegeben ist. Wir bedürfen<br />
eines Grun<strong>de</strong>s, warum wir <strong>de</strong>nn moralisch<br />
han<strong>de</strong>ln sollten. Wir bedürfen einer<br />
Haltung zu unserer vernünftigen<br />
Einsicht.<br />
Haltungen lernt man nur zum Teil<br />
„vernunftkausal“. <strong>Diese</strong> Haltung kann<br />
man nicht völlig durch Einsicht lernen,<br />
weil ja gera<strong>de</strong> die Bindung an das, was<br />
wir eingesehen haben, gelernt wer<strong>de</strong>n<br />
soll. Gleichwohl müssen wir eine Haltung<br />
erlernen – wir haben sie ja nicht<br />
angeboren. (Wäre sie angeboren, dann<br />
gäbe es keine Moral: Wenn Moral von<br />
<strong>de</strong>r genetischen Ausstattung abhängt,<br />
dann kann es keine Erziehung, aber<br />
auch keine Sittlichkeit geben, son<strong>de</strong>rn<br />
nur die Herrschaft <strong>de</strong>r Gruppe mit Moral<br />
über die an<strong>de</strong>re Gruppe ohne Moral<br />
– o<strong>de</strong>r umgekehrt.)<br />
Wie erlernen wir Haltungen? In<strong>de</strong>m<br />
wir Vorbil<strong>de</strong>rn nacheifern; in<strong>de</strong>m<br />
wir immer wie<strong>de</strong>r moralische Entscheidungen<br />
treffen; in<strong>de</strong>m wir an unseren<br />
kleinen moralischen Entscheidungen<br />
Gefallen fin<strong>de</strong>n; in<strong>de</strong>m wir von<br />
einer Überzeugung, z.B. <strong>de</strong>r Religion,<br />
stimuliert wer<strong>de</strong>n; in<strong>de</strong>m wir unseren<br />
eigenen Verstand so achten, dass wir<br />
uns an ihn bin<strong>de</strong>n.<br />
Wir erlernen Haltungen, in<strong>de</strong>m wir<br />
moralisch relevante Geschichten lesen<br />
und über sie sprechen; in<strong>de</strong>m wir anhand<br />
von Erzählungen, Geschichten aus <strong>de</strong>m<br />
Alltag über Motive <strong>de</strong>r Personen sprechen,<br />
in<strong>de</strong>m wir darüber sprechen, ob<br />
es eine Gerechtigkeit gibt – auch wenn<br />
sie in <strong>de</strong>r Welt je kaum zu fin<strong>de</strong>n ist.<br />
An<strong>de</strong>rs <strong>als</strong> das Lernen mit Vernunftgrün<strong>de</strong>n<br />
ist dieses Lernen nicht<br />
vernunftkausal. Wir haben keine Garantie<br />
für <strong>de</strong>n Erfolg. Wir können <strong>de</strong>n<br />
Erfolg nicht mal messen: Denn über die<br />
Moralität o<strong>de</strong>r Sinnhaftigkeit einer Entscheidung<br />
weiß letztlich in vollem Umfang<br />
nur <strong>de</strong>r selbst Betroffene Bescheid.<br />
Das Re<strong>de</strong>n über moralische Entscheidungen<br />
ist gleichwohl nicht sinnlos.<br />
Im Gegenteil: Erst das Re<strong>de</strong>n über<br />
<strong>de</strong>n Sinn unseres Han<strong>de</strong>lns fin<strong>de</strong>t ja einen<br />
Grund für unser Han<strong>de</strong>ln. <strong>Diese</strong>r<br />
merkwürdige Bereich nichtkausalen<br />
Lernens hat für das vernunftkausale<br />
Lernen höchste Be<strong>de</strong>utung.<br />
Ich will es an einem Beispiel erklären:<br />
Wenn wir unser Lebensglück darin<br />
sehen, gut zu essen, zu trinken und Spaß<br />
zu haben, dann hat für uns alles das<br />
Sinn und höchste Priorität, was zu diesem<br />
Ziel führt, was diesem Lebensziel<br />
dient. Man wird für dieses Ziel hart arbeiten,<br />
notfalls Überstun<strong>de</strong>n machen,<br />
auf an<strong>de</strong>res Schönes verzichten.<br />
Abstrakt formuliert: Die Qualität<br />
vernunftkausalen Lernens hängt von<br />
<strong>de</strong>r Qualität ab, in <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Lebenssinn<br />
o<strong>de</strong>r sogar nach <strong>de</strong>m Weltensinn<br />
gefragt wird. Wer an etwas glaubt<br />
– sei es an Güter, sei es an sich o<strong>de</strong>r an<br />
eine ewige Gerechtigkeit –, wird an<strong>de</strong>rs<br />
leben, an<strong>de</strong>rs lernen und arbeiten<br />
<strong>als</strong> <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>m die Welt gleichgültig ist,<br />
<strong>de</strong>r an nichts Vergnügen hat und <strong>de</strong>r<br />
sich schließlich selbst gleichgültig ist.<br />
<strong>Diese</strong>s Wissen um die Be<strong>de</strong>utung<br />
von Sinnfestlegungen für das Han<strong>de</strong>ln<br />
<strong>de</strong>s Menschen hat Be<strong>de</strong>utung für das<br />
Lernen: Wenn es <strong>de</strong>m Unterricht gelingt,<br />
die Frage nach <strong>de</strong>m Handlungssinn<br />
authentisch im Horizont <strong>de</strong>r jeweiligen<br />
Schüler zu stellen, und wenn uns<br />
gemeinsam mit <strong>de</strong>n Schülern Antworten<br />
gelingen, dann optimieren wir das<br />
Lernen wirklich.<br />
„Erziehung“ ist <strong>de</strong>swegen kein Luxus,<br />
etwas, was kommt, nach<strong>de</strong>m man<br />
Kompetenzen abgeprüft hat. Erziehung<br />
ist vielmehr Bedingung optimalen Lernens.<br />
Die gegenwärtige Schulpolitik<br />
scheint diesen Zusammenhang von Lernen<br />
und Sinn völlig vergessen zu haben:<br />
Sie setzt auf Zwang (Standards)<br />
und Überprüfung – wobei je<strong>de</strong>r von uns<br />
weiß, wie ungern man bei Zwang und<br />
Kontrolle überhaupt etwas tut. Erst<br />
wenn wir einen Sinn in <strong>de</strong>r Sache sehen,<br />
han<strong>de</strong>ln wir optimal.<br />
Wirkliche Lernför<strong>de</strong>rung erfolgt<br />
dann, wenn es <strong>de</strong>n Schulen gelingt, etwas<br />
zu lehren, das für das Gelingen <strong>de</strong>s<br />
Lebens be<strong>de</strong>utsam ist. Wirkliche Lernför<strong>de</strong>rung<br />
erfolgt dann, wenn sie hilft,<br />
dass Schüler so lernen, dass es für <strong>de</strong>n<br />
Sinn ihres Lernens be<strong>de</strong>utsam ist – und<br />
wenn sie sich an diesen Sinn gebun<strong>de</strong>n<br />
fühlen. In dieser Hinsicht wäre es für<br />
mich interessant, <strong>de</strong>n Zusammenhang<br />
von Religiosität und Lernerfolg einmal<br />
zu thematisieren.<br />
Unterricht:<br />
Lernen heißt, eine Sache methodisch<br />
so zu <strong>de</strong>nken, dass sie<br />
Sinn macht.<br />
Erziehung:<br />
Lernen heißt, die Frage nach<br />
<strong>de</strong>m Handlungssinn authentisch<br />
im Horizont <strong>de</strong>r jeweiligen<br />
Schüler zu stellen und gemeinsam<br />
mit <strong>de</strong>n Schülern nach<br />
Antworten zu suchen.<br />
Ich möchte auch hier die Konsequenzen<br />
für die Schule aufzeigen: Dem<br />
Lehrgangslernen muss ein erfahrungsanaloges<br />
Lernen zugesellt wer<strong>de</strong>n.<br />
Denn hier stellt sich die Frage: Was be<strong>de</strong>utet<br />
das Gelernte, das zu Lernen<strong>de</strong><br />
für meine Lebenswelt?<br />
– Methodisch muss das Lehrgangslernen<br />
durch ein erfahrungsorien-<br />
BEITRÄGE<br />
95<br />
INFO 34 · 2/2005