STRASSENBAHN MAGAZIN Steil hinauf (Vorschau)
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Aachen<br />
SLG. REINER BIMMERMANN<br />
Nie wieder Krieg!<br />
Der Zweite Weltkrieg in Aachen vor 70 Jahren In Vorbereitung einer Veröffentlichung<br />
fiel Reiner Bimmermann eine Aufnahme vom Geschehen vor den Toren der Stadt Aachen vor<br />
fast auf den Tag genau sieben Jahrzehnten in die Hände. Doch was hat es damit auf sich?<br />
Aachen im Oktober 1944: Nach den<br />
schweren Luftangriffen der Alliierten<br />
auf die alte deutsche Kaiserstadt<br />
im Vorjahr war die Straßenbahnverwaltung<br />
dazu übergegangen, alle<br />
Fahrzeuge nach Betriebsschluss aus dem<br />
Aachener Talkessel herauszufahren und auf<br />
den acht ins Umland führenden Außenstrecken<br />
abzustellen. Dazu gab es einen genauen<br />
Aufstellplan mit in alle Richtungen verkehrenden<br />
Personalwagen, die die Fahrer<br />
und Schaffner zu ihren Zügen brachten<br />
bzw. abholten.<br />
Auf der Linie 17 nach Altenberg fanden die<br />
im September 1944 auf deutschen Boden eingerückten<br />
amerikanischen Soldaten den<br />
abgestellten Bw 507 der Aachener Straßenbahn<br />
in der Ausweiche Bildchen. Als Propaganda<br />
für die amerikanische Soldatenzeitung<br />
„Stars and Stripes“ beschrieben sie den Zweiachser<br />
mit den Parolen „Aachen Express“,<br />
„Heil Heel“ (im Amerikanischen für „Hallo<br />
Schurke!“) sowie einem Spruch, der übersetzt<br />
„Einwegfahrt – nur nach Berlin“ heißt. In Anlehnung<br />
an die deutschen „Wunderwaffen“<br />
V1 bis V3 trugen die „GIs“ außerdem die Bezeichnung<br />
V13 auf. Danach beluden die Soldaten<br />
den Beiwagen mit Munition und<br />
Sprengstoff, wobei oben abgebildete Propagandaaufnahme<br />
entstand. Anschließend zog<br />
oder schob ein Jeep oder Lkw den Beiwagen<br />
auf dem Bahnkörper etwa einen Kilometer<br />
durch den Aachener Wald bergauf bis zum<br />
Brechpunkt der Strecke an der Waldschenke.<br />
Von dort ließen die Soldaten das Fahrzeug die<br />
fast neun Prozent steile Gefällstrecke in den<br />
Aachener Talkessel hinunterrollen. In der am<br />
Fuß der Steigung gelegenen Ausweiche<br />
Grundhaus explodierte der Wagen und<br />
brannte aus.<br />
Fakt ist, dass das ausgebrannte Gerippe<br />
nach 1945 dort spielenden Jungs als „Abenteuerspielplatz“<br />
diente. Ein noch lebender,<br />
1933 geborener Zeitzeuge bestätigte mir die<br />
Geschichte.<br />
Das Foto des beladenen Beiwagens erschien<br />
am 19. Oktober 1944 in der amerikanischen<br />
Soldatenzeitung „Stars and Stripes“<br />
und ging rund um die Welt. Sogar in<br />
australischen Blättern war der Aachener Beiwagen<br />
im Zusammenhang mit der Einnahme<br />
Aachens als erste deutsche Großstadt zu<br />
sehen. Zwei Tage später war der Zweite<br />
Weltkrieg in Aachen zu Ende. Am 21. Oktober<br />
1944 kapitulieren die letzten deutschen<br />
Soldaten in der total zerstörten alten<br />
Kaiserstadt. REINER BIMMERMANN<br />
<strong>STRASSENBAHN</strong> <strong>MAGAZIN</strong> 11 | 2014<br />
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