Ausgabe August 2007 - Martin-Luther-Viertel

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ekam einen Fön in die Hand gedrückt und munter einer anderen Kundin die Haare trocknen. Eines der Capkin-Kinder brachte Kaffee und so ging das fort. Die neue Kundin konnte hochzufrieden und in rekordverdächtiger Zeit neu gestylt den Saloon verlassen. Das erfreute auch den wartenden Ehemann so richtig. Was lernen wir daraus? Vielleicht einmal im Martin-Luther-Viertel vorbeischauen. Hier wird Kundendienst noch groß geschrieben. Documenta no 12 in Kassel Vom 12.06 bis zum 23.09.07 findet in Kassel die 12. documenta statt. Grund genug, endlich einmal hinzufahren. Die Fahrkartenbeschaffung dazu war trotz guter Vorbereitung wieder äußerst spannend. Wir hatten uns Zeiten und Fahrpreise über das Internet – DB- Bahnauskunft – ausgedruckt. Aber am Ende passte das alles nicht. Die erste Klasse war deutlich günstiger als die Zweite. Aber das machte uns nichts. Im Gegenteil! Am Sonntag, den 8.Juli ging es dann morgens per ICE zum Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe. Im Zug begann dann das erste vorsichtige Blättern in dem über 420 Seiten starken Ausstellungskatalog. Die Schrift war fast nur mit der Leselupe zu entziffern. Nach vierzehn Tagen Dauerregen und den ersten Sonnenstrahlen an diesem Sonntagvormittag regte uns das nicht weiter auf. Wir waren gespannt. Denn Keiner von uns Dreien war schon einmal auf der documenta. Weder der Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe 48
noch die Stadt Kassel selber sind unbedingt sehenswert. Das Gegenteil ist eher der Fall. Aber die documenta, sie findet alle fünf Jahre statt, diesmal zeitgleich mit der Biennale in Venedig und der Skulpturenausstellung in Münster, hat das Erscheinungsbild Kassels gewaltig verändert. Man achtet kaum noch auf soziale Problemecken, eine völlig langweilige Fußgängerzone, den ewig gleichen Billigläden. Die Blicke bleiben an den Documenta-Plakaten und Ausschilderungen, an der in üppiger Häufigkeit vertretenen Kunst, an dem interessierten Publikum haften. Und es waren Tausende, wenn nicht gar Zehntausende in der Stadt. Die Gesichter zeigten Vorfreude, Gelöst- und Interessiertheit. Es war ein buntes Publikum aus der ganzen Welt. Auffällig viele junge Menschen prägten das Kulturereignis. Am Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe wirkten mehrsprachig ausgebildete und sehr freundliche Kunsthostessen. Auch wir wurden mit Erstinformationen versorgt. Christiane schaffte aus dem Stand den Fahrkartenautomat. Bahnhof und öffentlicher Personennahverkehr sind in Kassel sehr gut miteinander vertaktet. Wir fuhren mit der Straßenbahnlinie 3 bis zum Hauptort des Geschehens. Und hier war bereits richtig was los. Die örtliche Gastronomie hatte tausende Stühle und Tische in den Außenbereichen aufgebaut. Viele Kunstinteressierte strebten ebenso wie wir zu den beiden ersten Werken auf dem Friedrichplatz. Mitten drauf und drin, das Standbild von Friedrich, dem Zweiten. Um ihn herum hatte Andreas Siekmann seine äußerst provokative Installati- on platziert. Siehe dazu auch die drei nachfolgenden Artikel. Die Sonne war mittlerweile richtig heiß, das Licht fast grell. Es gab ein zweites Kunstwerk auf dem Platz, riesengroß und doch nicht unbedingt sofort als Kunst erkennbar.Sakarin Krue-On hat hier das „Terraced Rice Field Art Projekt Kassel“ installiert. Es war an der Zeit, den Weg ins Museum Fridericianum zu nehmen. Vorher hatte der Herr noch die Taschenaufbewahrung gestellt. Meine Fototasche, Handtaschen ab bestimmten Größen durften nicht mit in die Ausstellungsräumlichkeiten genommen werden. Fotografieren ist erlaubt, die Nutzung von Blitzlichtern nicht. Dass alle sich ordentlich verhalten, wird von hunderten Ordnern und wahrscheinlich ähnlich vielen Videokameras überwacht. Im altehrwürdigen Museum angelangt, trafen wir als erstes auf viele, viele bunte Unterhosen, auf stabilen Leinen aufgehängt. Rundherum fand eine Performance junger Menschen statt, die immer wieder unterbrochen wurde, da sie in die Unterhosen klettern und auf den Seilen balancierend „Floor of the Forest“ wurde von Trisha Brown erschaffen. Einen Raum weiter bewegte sich ein großer weißes Segel in Wellenform von innen ans Gebäudeäußere. Je nach Standort im Raum wechselten dadurch ständig die Perspektiven und die Lichtbedingungen. Die Wände der Gänge, weiterer Räume waren mit unterschiedlichen Installationen mit unterschiedlichen Materialien verschiedener Künstler inszeniert. Auffällig an Kassel sind die vielen Foto- und Videoarbeiten von Kunstschaffenden, die meisten aus der dritten Welt stammten. Da der Autor selber fotografiert, reichte die Zeit zur inhaltlichen Aufnahme, zum Durchdenken, zum Kennen lernen der einzelnen Objekte überhaupt nicht. Zu sehen waren durchaus brisante Themen, deren Kausalität zum aktuellen Leben bestand. Besonders witzig war eine Videoperformance, in deren Folge ein Mann eine Mauer Stein für 49
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