Ausgabe August 2007 - Martin-Luther-Viertel
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Haben Sie Kunst studiert oder auch Wirtschaftswissenschaften?<br />
Es ist doch die Aufgabe eines Künstlers, Prozesse<br />
zu visualisieren. Ich spüre eine Riesenlücke<br />
in der Vorstellung dessen, was ökonomisch<br />
Sache ist. Ich versuche, das mit Bildern<br />
zu verdeutlichen. Das ist ein starkes, visuelles<br />
Anliegen - neben der Neigung, hinter die Kulissen<br />
zu schauen, was politisch und ökonomisch<br />
eigentlich so abläuft.<br />
Sie haben offensichtlich eine Bildsprache entwickelt,<br />
die international verstanden wird. Wie<br />
hat sich das bei Ihnen entwickelt?<br />
Ich verlange zwar vom Betrachter sehr viel.<br />
Aber vieles, was ich zeige, ist nachvollziehbar.<br />
Meine Arbeit ist auf verschiedenen Ebenen<br />
lesbar. Man kann relativ schnell etwas verstehen.<br />
Bei "Trickle down" sieht man den Presscontainer,<br />
der beklebt ist mit Silhouetten von Tieren<br />
samt Städtenamen, wo überall diese Figuren<br />
für die Bewerbung der Innenstädte auftauchen.<br />
Man kann nachvollziehen, dass die Tiere, die<br />
ich vorher bemalt habe, mit diesem Container<br />
zerstört worden sind. An den Wänden des<br />
Erbdrostenhofes sieht man außerdem die<br />
Banderolen, die wie eine Bildgeschichte angelegt<br />
sind. Hier kann man lesen, welche Städte<br />
es warum betrifft, um was es geht, welche<br />
Theorien dahinterstecken. Und dann sieht man<br />
die zerstörten Figuren, bei denen es nicht nur<br />
um die Zerstörung ging, sondern auch um das,<br />
was sich um die Figuren herum gruppiert habe.<br />
Wer will, kann in die Tiefe gehen und alles im<br />
Glossar nachlesen.<br />
Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Kunst<br />
beim Betrachter?<br />
Es geht um Wissensvermittlung. Die vermisse<br />
ich auch in den Medien. Kunst muss lesbar<br />
bleiben. Dass sie zu einer Veränderung des<br />
Bewusstseins führt, ist meine Hoffnung. Diese<br />
Arbeit soll so etwas wie ein Rat an die Städte<br />
sein: Bitte hört auf mit diesen komischen Viechern!<br />
Das ist vom Image her provinziell und<br />
für den Künstler nicht gut. Denn es geht gar<br />
nicht darum, wie die bemalt sind.<br />
Sie meinen also nicht, dass die tierischen<br />
Farbtupfer immer noch besser sind als graue<br />
Tristesse?<br />
Diese Viecher sind einfach die Degradierung<br />
des Künstlerischen.<br />
Da hilft es auch nicht, wenn Künstler sie bemalen?<br />
Nein, denn es bleibt vorgedacht, vorgekaut.<br />
Künstler arbeiten anders, sie arbeiten aus den<br />
Räumen und den Situationen selbst heraus.<br />
Künstler sollen etwas machen, das den öffentlichen<br />
Raum herausfordert. Das ist ja alles nur<br />
billig, aber die werden extrem teuer verkauft.<br />
Der Materialwert von diesem abgelutschten Eis<br />
beträgt 50 Euro, aber wenn ich es kaufen will,<br />
kostet es 2500 Euro. Wer steckt sich das in die<br />
Tasche? Es ist eine Verkürzung des Künstlerischen,<br />
wenn man es sich nur bunt machen<br />
will. In ihrer Buntheit sind diese Figuren unterschiedslos.<br />
Portrait des Künstlers Andreas Siekmann<br />
Andreas Siekmann (*1961 in Hamm) ist ein<br />
deutscher Künstler (Zeichnungen, Malerei,<br />
Film, Objekte). In seinen Werken beschäftigt er<br />
sich mit der Ökonomisierung und Privatisierung<br />
des öffentlichen Stadtraumes. Seine Ar-<br />
beiten stehen in der Tradition der Kölner<br />
Progressiven.<br />
2002 nahm er an der Documenta11 teil, <strong>2007</strong><br />
dann an den münsterschen Skulptur Projekten.<br />
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