05.11.2012 Aufrufe

Ausgabe August 2007 - Martin-Luther-Viertel

Ausgabe August 2007 - Martin-Luther-Viertel

Ausgabe August 2007 - Martin-Luther-Viertel

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Haben Sie Kunst studiert oder auch Wirtschaftswissenschaften?<br />

Es ist doch die Aufgabe eines Künstlers, Prozesse<br />

zu visualisieren. Ich spüre eine Riesenlücke<br />

in der Vorstellung dessen, was ökonomisch<br />

Sache ist. Ich versuche, das mit Bildern<br />

zu verdeutlichen. Das ist ein starkes, visuelles<br />

Anliegen - neben der Neigung, hinter die Kulissen<br />

zu schauen, was politisch und ökonomisch<br />

eigentlich so abläuft.<br />

Sie haben offensichtlich eine Bildsprache entwickelt,<br />

die international verstanden wird. Wie<br />

hat sich das bei Ihnen entwickelt?<br />

Ich verlange zwar vom Betrachter sehr viel.<br />

Aber vieles, was ich zeige, ist nachvollziehbar.<br />

Meine Arbeit ist auf verschiedenen Ebenen<br />

lesbar. Man kann relativ schnell etwas verstehen.<br />

Bei "Trickle down" sieht man den Presscontainer,<br />

der beklebt ist mit Silhouetten von Tieren<br />

samt Städtenamen, wo überall diese Figuren<br />

für die Bewerbung der Innenstädte auftauchen.<br />

Man kann nachvollziehen, dass die Tiere, die<br />

ich vorher bemalt habe, mit diesem Container<br />

zerstört worden sind. An den Wänden des<br />

Erbdrostenhofes sieht man außerdem die<br />

Banderolen, die wie eine Bildgeschichte angelegt<br />

sind. Hier kann man lesen, welche Städte<br />

es warum betrifft, um was es geht, welche<br />

Theorien dahinterstecken. Und dann sieht man<br />

die zerstörten Figuren, bei denen es nicht nur<br />

um die Zerstörung ging, sondern auch um das,<br />

was sich um die Figuren herum gruppiert habe.<br />

Wer will, kann in die Tiefe gehen und alles im<br />

Glossar nachlesen.<br />

Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Kunst<br />

beim Betrachter?<br />

Es geht um Wissensvermittlung. Die vermisse<br />

ich auch in den Medien. Kunst muss lesbar<br />

bleiben. Dass sie zu einer Veränderung des<br />

Bewusstseins führt, ist meine Hoffnung. Diese<br />

Arbeit soll so etwas wie ein Rat an die Städte<br />

sein: Bitte hört auf mit diesen komischen Viechern!<br />

Das ist vom Image her provinziell und<br />

für den Künstler nicht gut. Denn es geht gar<br />

nicht darum, wie die bemalt sind.<br />

Sie meinen also nicht, dass die tierischen<br />

Farbtupfer immer noch besser sind als graue<br />

Tristesse?<br />

Diese Viecher sind einfach die Degradierung<br />

des Künstlerischen.<br />

Da hilft es auch nicht, wenn Künstler sie bemalen?<br />

Nein, denn es bleibt vorgedacht, vorgekaut.<br />

Künstler arbeiten anders, sie arbeiten aus den<br />

Räumen und den Situationen selbst heraus.<br />

Künstler sollen etwas machen, das den öffentlichen<br />

Raum herausfordert. Das ist ja alles nur<br />

billig, aber die werden extrem teuer verkauft.<br />

Der Materialwert von diesem abgelutschten Eis<br />

beträgt 50 Euro, aber wenn ich es kaufen will,<br />

kostet es 2500 Euro. Wer steckt sich das in die<br />

Tasche? Es ist eine Verkürzung des Künstlerischen,<br />

wenn man es sich nur bunt machen<br />

will. In ihrer Buntheit sind diese Figuren unterschiedslos.<br />

Portrait des Künstlers Andreas Siekmann<br />

Andreas Siekmann (*1961 in Hamm) ist ein<br />

deutscher Künstler (Zeichnungen, Malerei,<br />

Film, Objekte). In seinen Werken beschäftigt er<br />

sich mit der Ökonomisierung und Privatisierung<br />

des öffentlichen Stadtraumes. Seine Ar-<br />

beiten stehen in der Tradition der Kölner<br />

Progressiven.<br />

2002 nahm er an der Documenta11 teil, <strong>2007</strong><br />

dann an den münsterschen Skulptur Projekten.<br />

55

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!