Strategische Gesamtbanksteuerung - Sparkassenzeitung
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Qualitative Anforderungen: Die regelmäßige<br />
Berechnung des Solvenzkapitals<br />
gemäß Standard- oder internem Modell hat<br />
der Versicherer konsequent in seine Geschäfts-<br />
und Steuerungsprozesse (Säule 2)<br />
einzubinden. 18 Dafür ist ein entsprechendes<br />
Governance-System einzurichten, wofür das<br />
künftige Regelwerk eine unternehmenseigene<br />
Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung (Own<br />
Risk and Solvency Assessment, ORSA) vorsieht.<br />
19 Sie muss integraler Bestandteil der<br />
Geschäftsstrategie sein, kontinuierlich in die<br />
strategischen Entscheidungen einfließen<br />
und zumindest drei Bestandteile umfassen:<br />
> Gesamtsolvabilitätsbedarf<br />
> Einhaltung der Anforderungen an Eigenkapital<br />
und versicherungstechnische<br />
Rückstellungen<br />
> Signifikanz der Abweichung des Risikoprofils<br />
von den Annahmen, die der Solvenzkapitalanforderung<br />
zugrunde liegen.<br />
Zudem muss der Versicherer über Prozesse<br />
verfügen, die der Wesensart, dem Umfang<br />
und der Komplexität seiner Risiken angemessen<br />
sind, und die es ihm gestatten, die<br />
Risiken richtig zu beurteilen. ORSA beinhaltet<br />
im Grunde nichts anderes als die gesamte<br />
finanzielle Unternehmenssteuerung. Das<br />
Management muss gegenüber der Aufsicht<br />
nichts Geringeres als den Nachweis seiner<br />
Steuerungskompetenz erbringen.<br />
Publizitäts- und Berichtspflichten: Die Berichtspflichten<br />
werden künftig umfangreicher<br />
sein als heute, denn Solvency II verpflichtet<br />
die Gesellschaften zur Veröffentlichung ihres<br />
Berichts über die Solvabilität und Finanzlage<br />
sowie Informationen an die Aufsicht (Säule<br />
3). Der zuständige Referatsleiter bei der<br />
EU-Kommission Karel van Hulle sieht die<br />
umfangreichen Berichtspflichten allerdings<br />
mit Humor. „Das Modell ist einfach: Sie müssen<br />
vor der Aufsicht nackt dastehen. Vor der<br />
Öffentlichkeit können sie eine Badehose anlegen,<br />
bei der wir bestimmen, wie groß sie ist.“ 20<br />
Vorbereitungen<br />
laufen auf hochtouren<br />
Versicherer sind hinsichtlich der neuen<br />
Kapitalanforderungen des Solvency II-<br />
Regelwerks (Säule 1) intern relativ weit fortgeschritten.<br />
Offen gegenüber der Aufsicht<br />
kritisiert werden allerdings noch die Quantifizierung<br />
von Risiken aus Naturkatastrophen<br />
und die hohe Komplexität des Standardmodells.<br />
Hinzu kommen noch Unsicherheiten<br />
bei der Behandlung von Versicherungsgruppen<br />
und der Wunsch nach einer spürbareren<br />
Betriebswirtschaftliche Blätter 03|2012<br />
Anwendung des Proportionalitätsprinzips<br />
für kleine und mittlere Gesellschaften. Das<br />
betrifft vor allem die umfangreichen Berichts-<br />
und Veröffentlichungspflichten.<br />
Bei den Versicherungsunternehmen gibt<br />
es jedoch Nachholbedarf in Säule 2 mit Blick<br />
auf den vorgeschriebenen ORSA-Prozess.<br />
Dazu kommen im laufenden Jahr große<br />
Anstrengungen zur Erfüllung von Veröffentlichungs-<br />
und aufsichtlichen Berichtspflichten<br />
(Säule 3). Denn viele Gesellschaften haben<br />
entweder mit dieser Aufgabe noch gar nicht<br />
begonnen oder befinden sich erst in einem<br />
anfänglichen Planungsstadium. 21<br />
Wie vom Autor bereits im letzten Jahr<br />
erwartet, wird es zu einer sechsten Auswirkungsstudie<br />
(QIS 6) kommen. 22 Der Versicherungsverband<br />
GDV will sie für den deutschen<br />
Markt von März bis Juni 2012 durchführen.<br />
Schließlich müssen die EU-Mitgliedstaaten<br />
die Vorschriften noch in diesem Jahr in nationales<br />
Recht umsetzen.<br />
Doch während für Kreditinstitute durch<br />
Basel III und EBA die „Daumenschrauben“<br />
angezogen werden, könnte den europäischen<br />
Versicherern eine Verschiebung<br />
des für sie vorgesehenen, neuen Aufsichtsregimes<br />
von 2013 auf voraussichtlich<br />
2015 gelingen. Die entsprechende EU-<br />
Richtlinie 23 ist zwar bereits 2009 verabschiedet<br />
worden. Sie muss aber aufgrund<br />
des zwischenzeitlich in Kraft getretenen<br />
Lissabon-Vertrages durch die so genannte<br />
Omnibus-Richtlinie modifiziert werden. Die<br />
wird derzeit vom zuständigen Wirtschafts-<br />
und Währungsausschuss des Europaparlaments<br />
behandelt. Anders als geplant hat der<br />
Ausschuss jedoch nicht im Januar darüber<br />
abgestimmt, sondern seine Entscheidung<br />
– nun bereits zum dritten Mal – auf Mitte<br />
März vertagt. Dadurch ist die anschließend<br />
notwendige Abstimmung mit der EU-Kommission<br />
und dem Europäischen Rat vor der<br />
Sommerpause unwahrscheinlich geworden.<br />
Da die Kommission den Versicherern eine<br />
Einführungsfrist von 18 Monaten zugesagt<br />
hat, verschiebt sich der Zeitplan voraussichtlich<br />
auf 2015. 24 Hinzu kommt eine<br />
Übergangsperiode (die EU-Kommission<br />
spricht von einem ‚Phasing-in’) von einem<br />
Jahr, so dass sämtliche Vorgaben wohl erst<br />
ab 2016 erfüllt werden müssen. Dennoch<br />
laufen die Vorbereitungen gegenwärtig<br />
bei der EU-Kommission, im zuständigen<br />
Ausschuss des EU-Parlaments, bei der Ba-<br />
Fin und in der Versicherungswirtschaft auf<br />
Hochtouren.<br />
Controlling<br />
Fazit<br />
Kreditinstitute sollten vorbereitet sein.<br />
Denn das neue Regelwerk kann die Refinanzierung<br />
und das Produktangebot<br />
beeinträchtigen. Banken und Sparkassen<br />
sollten sich deshalb möglichst zeitnah mit<br />
den neuen Rahmenbedingungen intensiv<br />
beschäftigen. Direkte Folgen könnte<br />
Solvency II auch für den Kapitalbedarf<br />
haben. Kreditinstitute werden daher ihre<br />
Versicherungspolitik im Hinblick auf die<br />
aufsichtliche Akzeptanz (Solvabilitätsverordnung)<br />
von Kreditrisikominderungstechniken<br />
und die Verlagerung operationeller<br />
Risiken überprüfen müssen. Nur so kann<br />
vermieden werden, dass die europäischen<br />
Versicherungsaufsichtsregeln auf die eigene<br />
Kapitallast durchschlagen.<br />
Das gilt gleichermaßen für das Provisionsgeschäft,<br />
denn im Vertrieb spielen<br />
gerade Versicherungsprodukte eine große<br />
Rolle. 25 Die Betreuer im Privat-, Gewerbe-<br />
und Firmenkundengeschäft müssen<br />
deshalb zumindest die Grundzüge des<br />
neuen Aufsichtsrechts kennen, damit<br />
sie die Auswirkungen auf Produkte, die<br />
Gesamtverzinsung aus Ablaufleistung,<br />
Überschussbeteiligung und laufender<br />
Verzinsung sowie die Kosten abschätzen<br />
und ihre Kunden hinreichend beraten<br />
können. Aufgrund der komplexen Materie<br />
sind für Mitarbeiter in vertriebsnahen und<br />
Verwaltungsbereichen interne und externe<br />
Schulungen hilfreich. ¯<br />
18 Vgl. Meybom, Peter: Kapitalmodelle konsequent in<br />
die Geschäfts- und Steuerungsprozesse einbetten<br />
– Zahlreiche Betriebsabläufe und Unternehmenseinheiten<br />
betroffen, in: ZfV 10/2011 vom 15. Mai<br />
2011, S. 364-368.<br />
19 Weitergehend als der Internal Capital Adequacy<br />
Assessment Process (ICAAP) in Kreditinstituten.<br />
20 Zitiert nach Krieger, Friederike: GDV will eigenen<br />
Testlauf, in: www.ftd.de vom 14. Oktober 2011,<br />
11:40 Uhr.<br />
21 Vgl. o.V.: Assekuranz hat großen Nachholbedarf, in:<br />
Börsen-Zeitung vom 12. Januar 2012, S. 4, und List,<br />
Thomas: Solvency II fordert kleinere Versicherer,<br />
ebd. vom 22. November 2011, S. 4.<br />
22 Vgl. Fußnote 6, S. 340.<br />
23 Vgl. Directive of the European Parliament and the<br />
Council on the Taking up and Pursuit of the Business<br />
of Insurance and Reinsurance (Solvency II)<br />
vom 25. November 2009.<br />
24 Vgl. Fromme, Herbert u.a.: Der Zeitplan wackelt, in:<br />
www.ftd.de vom 26. Januar 2012, 11:02 Uhr.<br />
25 Vgl. Meybom, Peter: Erhebliche Ertragspotenziale<br />
im Vermittlungsgeschäft schöpfen – Provisionsergebnis<br />
im Verbundgeschäft steigern, in: B.Bl.<br />
8/2011, S. 433-436 und ders.: Modell für den erfolgreichen<br />
Vertrieb vermittelter Produkte, in: B.Bl.<br />
9/2011, S. 534-538.<br />
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