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Rechtliche Würdigung der Empfehlungen und Leitlinien des ...

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kretisierende <strong>und</strong> überprüfbare technische Regeln „übersetzt“ werden, die sich kohärent in das<br />

bestehende technische Regelwerk einfügen. Technische Normen sollen den Herstellern von<br />

Erzeugnissen <strong>und</strong> Betreibern von Anlagen Wege aufzeigen, wie sie die rechtlichen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

erfüllen können. Die zuständigen Behörden haben die Erzeugnisse bzw. Anlagen zu<br />

dulden, die den in Bezug genommenen technischen Normen genügen. Die Marktpräferenzen<br />

für normgerechte Erzeugnisse bzw. Anlagen erzeugen einen faktischen Befolgungszwang,<br />

auch wenn es in rechtlicher Hinsicht einem Anlagenbetreiber o<strong>der</strong> Hersteller freisteht, eine<br />

an<strong>der</strong>e als in <strong>der</strong> technischen Norm vorgesehene Lösung zu wählen, sofern diese den verbindlichen<br />

rechtlichen Anfor<strong>der</strong>ungen min<strong>des</strong>tens in gleichwertiger Weise genügt.<br />

Die normkonkretisierende gleitende Verweisung, die sich generalklauselartiger „Scharnierbegriffe“<br />

wie „Stand <strong>der</strong> Technik“ bedient, genügt dem Prinzip <strong>des</strong> Gesetzesvorbehalts, solange<br />

in <strong>der</strong> verweisenden Rechtsnorm selbst eine vollständige Regelung getroffen wird. Sie<br />

hat in <strong>der</strong> deutschen Rechtsetzungspraxis eine lange Tradition <strong>und</strong> wurde schon im Jahre 1794<br />

im Preußischen Allgemeinen Landrecht auf dem Gebiet <strong>des</strong> Bauwesens angewandt:<br />

§ 768 Landrecht für die Preußischen Staaten, 2. Teil, 2. Band, 20. Titel: „Baumeister, die<br />

bei einem Baue o<strong>der</strong> einer Reparatur, o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Materialien dazu, wi<strong>der</strong><br />

die allgemein anerkannten Regeln <strong>der</strong> Baukunst <strong>der</strong>gestalt gehandelt haben, daß daraus<br />

eine Gefahr für die Einwohner o<strong>der</strong> das Publikum entsteht, sollen den Fehler auf eigne<br />

Kosten zu verbessern angehalten werden.“<br />

Sie ist die heute in <strong>der</strong> deutschen Gesetzgebungspraxis absolut vorherrschende Methode <strong>und</strong><br />

gilt als „Königsweg einer für selbstregulative Normen offenen Gesetzgebung“. 20<br />

Trotz <strong>des</strong><br />

unvermeidlichen Nachteils, dass Rechtsanwen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Rechtsvorschrift nicht unmittelbar im<br />

Detail entnehmen können, was von ihnen verlangt wird, hat sie bisher praktisch reibungslos<br />

funktioniert.<br />

Die gemeinschaftlichen Richtlinien nach <strong>der</strong> neuen Konzeption zur technischen Harmonisierung<br />

<strong>und</strong> Normung gehen mit ihren mehr o<strong>der</strong> weniger ausführlichen <strong>und</strong> relativ präzisen<br />

Katalogen wesentlicher Sicherheitserfor<strong>der</strong>nisse über die Min<strong>des</strong>tanfor<strong>der</strong>ungen an die Generalklauselmethode<br />

deutlich hinaus. In Ermangelung eines gesicherten <strong>und</strong> gemeinschaftsweit<br />

konsentierten Bestan<strong>des</strong> einschlägiger harmonisierter technischer Regeln stellen diese gr<strong>und</strong>legenden<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen zugleich umfangreiche Vorgaben <strong>und</strong> Bewertungsmaßstäbe für die<br />

Erstellung harmonisierter technischer Normen <strong>und</strong> für die Richtlinienkonformität von technischen<br />

Lösungen dar, die nicht durch die harmonisierten Normen gedeckt sind.<br />

1.3 Publikationserfor<strong>der</strong>nisse bei <strong>der</strong> Verweisung auf technische Normen<br />

Im juristischen Schrifttum ist bisweilen die For<strong>der</strong>ung erhoben worden, die technischen Regeln<br />

bzw. Normen müssten in <strong>der</strong> gleichen Weise verkündet werden wie die verweisende<br />

Rechtsnorm, also im B<strong>und</strong>esgesetzblatt o<strong>der</strong> im B<strong>und</strong>esanzeiger bzw. in den Gesetz- <strong>und</strong> Verordnungsblättern<br />

<strong>der</strong> B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>. 21 Unterbleibe, wie es gängige Praxis ist, eine solche Verkündung,<br />

so sei die Verweisung unwirksam. Seit längerem hat sich aber die Ansicht durchgesetzt,<br />

dass damit die Anfor<strong>der</strong>ungen an die Verkündung technischer Regeln, die durch Rechtsnormen<br />

in Bezug genommen werden, überspannt werden. Das rechtsstaatlich begründete Ge-<br />

20 Vgl. Schmidt-Preuß 1997, 254 <strong>und</strong> Schmidt-Preuß 1998, 95. Siehe auch die Empfehlung <strong>der</strong> Arbeitsgruppe<br />

„Rechtsetzung <strong>und</strong> technische Normen“ beim B<strong>und</strong>esministerium für Wirtschaft, in Rechtsvorschriften<br />

solle die Bezugnahme auf technische Regeln, die nicht bereits Bestandteil von Rechtsvorschriften seien,<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich mit Hilfe von Generalklauseln erfolgen, vgl. B<strong>und</strong>esministerium für Wirtschaft 1990, 5.<br />

21 So Ossenbühl 1967, 405-407; Karpen 1970, 142 f. 154 ff.; Backherms 1978; Baden 1979, 526.<br />

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