Gesamte Ausgabe runterladen - Zentralverband der Ãrzte für ...
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H. Süß, Homöopathie<br />
Schriften immer wie<strong>der</strong> (dies nennt<br />
man „Iteration") gleich angewandt<br />
werden, d. h., daß trotz gleicher Rechenschritte<br />
ab Erreichen eines Attraktors<br />
ein gänzlich an<strong>der</strong>es und<br />
neues Ergebnis erreicht wird (daß eine<br />
Zelle auf einmal zu einer an<strong>der</strong>en,<br />
z. B. malignen Zelle wird). Dies bedeutet<br />
wie<strong>der</strong>um, daß kleinste Verän<strong>der</strong>ungen<br />
(z. B. die sechste Stelle hinter<br />
dem Komma, ein Reiz durch eine<br />
Akupunkturnadel) über eine Strecke<br />
Zeit gesehen (<strong>der</strong> immer wie<strong>der</strong>holte<br />
Rechenvorgang) zu einer großen Verän<strong>der</strong>ung<br />
im En<strong>der</strong>gebnis führen kann<br />
(ab Erreichen eines Attraktors). Auch<br />
scheinbar unwichtige Dinge (z. B. Modalitäten<br />
des Essensvorgangs) können<br />
am Punkte des Attraktors eine gewaltige<br />
Wirkung haben. Finden diese z. B.<br />
im Bereich <strong>der</strong> Chromosomen statt,<br />
wo Gene sich hin- und herbewegen<br />
können (1), ist selbst die unverän<strong>der</strong>t<br />
erscheinende Erbinformation Wandlungen<br />
unterworfen.<br />
Der Attraktor scheint dabei eine magische<br />
Anziehungskraft für alle Vorgänge<br />
zu besitzen. Auf <strong>der</strong> Stufe <strong>der</strong><br />
Attraktoren springt das rechnerische<br />
Ergebnis zwischen verschiedensten<br />
Zahlen hin und her. Dieses Verhalten<br />
wird als chaotisch beschrieben und hat<br />
zu <strong>der</strong> Bezeichnung „Chaostheorie"<br />
geführt.<br />
Als „fraktal" wie<strong>der</strong>um wird ein Phänomen<br />
bezeichnet, das durch die Einsicht<br />
gegeben ist, daß Zufälligkeit und<br />
Ordnung miteinan<strong>der</strong> verwoben sind,<br />
daß das Einfache Komplexes einschließt,<br />
die Komplexität wie<strong>der</strong>um<br />
das Einfache umfaßt und daß Gesetzmäßigkeiten<br />
und Chaos sich auf immer<br />
kleineren Skalen abwechseln können.<br />
So finden sich im Bereich des „Chaos"<br />
Werte bzw. Strukturen, die in ihrer<br />
Einzelheit und Einzigartigkeit eine<br />
„Ähnlichkeit" mit <strong>der</strong> Gesamtstruktur<br />
zeigen, ohne im Detail eine hun<strong>der</strong>tprozentige<br />
Übereinstimmung zu zeigen.<br />
Offenbar ist es möglich, mit einem<br />
einfachen repetierten Rechenvorgang<br />
dynamische Prozesse in verschiedenen,<br />
aber ähnlichen Zustandsformen<br />
zu beschreiben. Diese Ähnlichkeit <strong>der</strong><br />
einzelnen Struktur (das Homöopathikum)<br />
mit dem Gesamtzustand im Bereich<br />
des Attraktors (das Krankheitsbild),<br />
ermöglicht einen Eingriff an genau<br />
diesem so empfindlichen Punkt<br />
des Geschehens.<br />
Die Schärfe <strong>der</strong> Darstellung, die Ähnlichkeit<br />
<strong>der</strong> Substruktur steigt mit zunehmen<strong>der</strong><br />
Zahl des Rechenvorgangs,<br />
so daß durch Erhöhung <strong>der</strong> Anzahl<br />
nicht Information verlorengeht, son<strong>der</strong>n<br />
Details immer deutlicher werden.<br />
Für die Homöopathie könnte dies bedeuten,<br />
daß durch exakte „Repertorisierung"<br />
des Arzneimittelbildes trotz<br />
ähnlicher, für den Unwissenden als<br />
gleich empfundenen Symptombeschreibungen<br />
und Modalitäten das pathognomonische<br />
und individuelle Detail<br />
(Schlüsselsymptom) des Arzneimittels<br />
unter Multiplikation des Rechenvorgangs,<br />
sprich <strong>der</strong> „Potenzierung",<br />
eine große Wirkung haben<br />
kann. Diese Vorstellung ergibt sich aus<br />
Untersuchungen von Davenas et al.<br />
(1988) (5), die nachweisen konnten,<br />
daß basophile Granulozyten auch<br />
noch durch sehr geringe Konzentrationen<br />
von Anti-IgE-Antiserum degranulierten,<br />
obwohl nach biophysikalischem<br />
Wissen keine Materie für eine<br />
ausreichende Wirkung vorhanden sein<br />
durfte.<br />
Die Potenzierung, ein Vorgang, <strong>der</strong><br />
dem naturwissenschaftlich geschulten,<br />
rational denkenden Menschen unserer<br />
Zeit als Irrtum <strong>der</strong> Logik erscheint,<br />
kann somit in an<strong>der</strong>em Licht gesehen<br />
werden: Eine niedrige Potenz umfaßt<br />
zwar ähnliche Symptome und Modalitäten,<br />
aber erst die Potenzierung hat<br />
durch zunehmenden Gewinn an Detailinformationen<br />
das Wissen zur individuellen<br />
Lösung des dargelegten Beschwerdekomplexes.<br />
Daß <strong>der</strong> individuelle Beschwerdekomplex<br />
und die damit gegebene individuelle<br />
Therapie kein Wunsch eines sich<br />
gegen gleichmachende Computervorstellungen<br />
gerichteten Anhängers des<br />
Individualismus ist, ergibt sich aus Untersuchungen<br />
<strong>der</strong> HLA-Antigene und<br />
ihrer Untergruppen (5), die beweisen<br />
(!!), daß Zellen z. B. eines Körperorgans<br />
bei verschiedenen Menschen<br />
gleiche HLA-Antigene enthalten können,<br />
aber in ihren Subgruppen und <strong>der</strong><br />
Kombination, <strong>der</strong> Anordnung dieser<br />
kein zweites Individuum mit gleichen<br />
HLA-Antigen-Kombinationen in unserer<br />
Welt existiert (aber ähnlichen).<br />
Ist ein Homöopathikum gegeben worden<br />
und hat sich eine Reaktion gezeigt,<br />
ist bei verän<strong>der</strong>ter Situation unter Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> oben beschriebenen<br />
möglichen Vorgänge ein erneutes vorurteilsloses<br />
Betrachten des Menschen,<br />
seiner Beschwerden und seiner Reagibilität<br />
notwendig, um die weiteren<br />
Schritte <strong>der</strong> Genesung mit möglicherweise<br />
verän<strong>der</strong>ter Potenz o<strong>der</strong> ergänzendem<br />
Arzneimittel zu begleiten und<br />
zu unterstützen.<br />
So bewegen sich die Homöopathie und<br />
ihre Begrifflichkeiten, wie „Potenzierung"<br />
und „Ähnlichkeitsregel", durchaus<br />
in gängigen wissenschaftlichen<br />
Vorstellungen <strong>der</strong> Funktionsweise unseres<br />
Kosmos und des menschlichen<br />
Körpers. Wer aber meint, dies sei alles<br />
„nur" Glauben (Aberglauben), sollte<br />
sich einer <strong>der</strong> wichtigsten wissenschaftlichen<br />
Fragen erinnern: „Woher wissen<br />
Sie, ob nicht doch "<br />
Literatur<br />
1. Briggs, ]., F. D. Peat: Die Entdeckung<br />
des Chaos. DTV Sachbuch, 2. Auflage<br />
1993.<br />
2. Dulbecco, R.: Der Bauplan des Lebens.<br />
Pieper, München, Zürich, 1991.<br />
3. Eisenhardt, R, D. Kuth, H. Stickl: Du<br />
steigst nie zweimal in denselben Fluß.<br />
Rowohlt GmbH, Reinbek b. Hamburg,<br />
1988.<br />
4. Hawking, S. W.: Eine kurze Geschichte<br />
<strong>der</strong> Zeit. Rowohlt GmbH, Reinbek b.<br />
Hamburg, 1988.<br />
5. Hock, N., C. Garner: Chaostheorie<br />
und Homöopathie. Journal für Homöopathie,<br />
1 und 2 (1991) 1-8.<br />
6. Köhler, G.: Lehrbuch <strong>der</strong> Homöopathie,<br />
Band 1 und 2. Hippokrates-Verlag,<br />
Stuttgart, 1988.<br />
Anschrift des Verfassers:<br />
Dr. med. H. Süß<br />
Haager Weg 126, D-53217 Bonn<br />
IV Arztezeitschnft für Naturheilverfahren 35 4 (1994)