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SPORT

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104 TAEKWONDO NINA KLÄY<br />

B<br />

eweglich wie eine Balletttänzerin,<br />

schwingt sie ihr Bein in die Höhe.<br />

Den Fuss bis in die Zehenspitzen gestreckt,<br />

jeden Muskel ihres Körpers<br />

angespannt. Die Fäuste sind geballt, ihr Blick<br />

ist starr. Statt eleganter Pirouette folgt ein<br />

blitzschneller Kick, begleitet von einem<br />

lautstarken «ha!». «Der Schrei gehört dazu,<br />

so wird in der Nebenniere Adrenalin ausgeschüttet,<br />

und ich kann mehr Kraft entwickeln»,<br />

erklärt Nina Kläy – 25-jährig, Taekwondo-Europameisterin<br />

und momentan<br />

Weltranglistenerste in ihrer Gewichtsklasse<br />

bis 62 Kilo.<br />

Die koreanische Kampfkunst ist in ihrem<br />

Ursprungsland ein Volkssport und weltweit<br />

die meistbetriebene Kampfsportart. Hierzulande<br />

muss Kläy den Leuten jeweils erklären,<br />

was sie genau macht. «Es ist wie Fechten,<br />

einfach zu 90 Prozent mit den Füssen.» Neben<br />

dem Schlagen, Stossen und Kicken mit<br />

Händen und Füssen hat im Taekwondo der<br />

mentale Aspekt eine grosse Bedeutung, wie<br />

das dreisilbige Wort, vom Koreanischen ins<br />

Deutsche übersetzt, zeigt: Tae = Fuss, Kwon<br />

= Faust, Do = Weg. Gelehrt werden diszipliniertes<br />

Denken, Respekt und Durchhaltewillen.<br />

Heute habe diese Philosophie aber<br />

nicht mehr viel mit der olympischen Disziplin<br />

zu tun, sagt Nina. «Besser gesagt, es ist<br />

ähnlich wie in anderen Sportarten – ich<br />

kämpfe, um zu gewinnen.»<br />

KAMPF<strong>SPORT</strong> STATT MÄDCHENRIEGE<br />

Schon als kleines Kind wusste Nina Kläy genau,<br />

was sie wollte und was nicht: Der Abstecher<br />

in die Mädchenriege als Sechsjährige<br />

sollte ein kurzer werden. «Ich war zu egoistisch,<br />

wollte lieber etwas für mich machen<br />

und auch für mich allein verantwortlich sein.»<br />

Wieso also nicht in die Fussstapfen ihres Vaters<br />

treten, der in den 70er-Jahren als Taekwondo-Kämpfer<br />

an den Europameisterschaften<br />

teilnahm? Mit acht Jahren stand<br />

Nina in der Kim Taekwondo-Schule Biel auf<br />

der Matte, zusammen mit ihrer älteren<br />

Schwester Nathalie und ihrem Zwillingsbruder<br />

Kevin. Genau das, was vielen kleinen Kindern<br />

Mühe bereitet – Disziplin, Konzentration,<br />

Ruhe – das entsprach Nina. «Zwei Stunden<br />

zu schweigen, zu gehorchen und danach<br />

FLEXIBEL<br />

FLEXIBEL<br />

«ES GIBT NICHTS<br />

BESSERES, ALS DIE<br />

BESTE ZU SEIN.<br />

ABER WENN ES<br />

NICHT KLAPPT,<br />

GEHT DIE WELT<br />

NICHT UNTER»<br />

körperlich und mental ausgepowert zu sein,<br />

das gefiel mir.»<br />

Aufgewachsen in Port bei Biel, wohnt die<br />

junge Frau heute in Bellmund und trainiert<br />

im Leistungszentrum von Swiss Taekwondo<br />

in Magglingen.<br />

25 Stunden pro Woche beträgt der Trainingsaufwand<br />

– Kraft training, Ausdauer,<br />

Technik, Kämpfe. Dank einer 50-Prozent-<br />

Anstellung als Zeitmilitär-Spitzensportlerin<br />

der Schweizer Armee und der Unterstützung<br />

der Sporthilfe kann sie seit 2009 als Profi<br />

leben.<br />

Zu ihren Trainingskolleginnen gehört mit<br />

Manuela Bezzola, 25, eine weitere Spitzenkämpferin.<br />

Die beiden haben im gleichen<br />

Club angefangen, ihre ganzen Karrieren<br />

zusammen trainiert und standen schon oft<br />

zusammen auf dem Podest. Etwa Anfang<br />

Februar, beim ersten Weltcup dieses Jahres<br />

im arabischen Emirat Fudschaira, wo Nina<br />

zuoberst steht und Manuela Bronze holt.<br />

«Unter uns herrscht kein Konkurrenzkampf,<br />

aber wir spornen einander enorm an. Ohne<br />

Manuela wäre ich nicht da, wo ich heute bin.»<br />

DIE RICHTIGE MISCHUNG GEFUNDEN<br />

Als Europameisterin und Bronzemedaillengewinnerin<br />

der letzten WM 2013, sind die<br />

Ambitionen Kläys diese Saison hoch. «Klar,<br />

dass ich meine Resultate toppen will. Es gibt<br />

nichts Besseres, als an diesem einen Tag die<br />

Beste zu sein. Doch wenn es nicht klappt,<br />

geht die Welt nicht unter.» Dies ist die Lehre,<br />

die sie aus der verpassten Olympiaqualifikation<br />

für London 2012 zog. «Ich war so verkrampft,<br />

dass im Wettkampf nichts mehr<br />

ging. Seitdem bin ich lockerer, versuche,<br />

auch das Leben neben dem Sport mehr zu<br />

geniessen. Die Abwechslung ist wichtig, mal<br />

mit Kollegen ins Kino oder Kaffee trinken.»<br />

Dieses Umdenken verhalf ihr schliesslich zum<br />

Durchbruch. Aus dem Grund will sie sich<br />

auch jetzt noch nicht zu stark auf Olympia<br />

2016 in Rio fixieren. «Natürlich ist das Ziel<br />

Olympiamedaille in meinem Kopf. Aber der<br />

Weg dahin ist noch lang, und ich nehme<br />

Schritt für Schritt.»<br />

Der nächste grosse führt sie Mitte Mai<br />

an die WM in Tscheljabinsk, Russland. Dort<br />

wird sie mit der Kombination aus Angriffslust,<br />

der nötigen Lockerheit, explosiven Beinen<br />

und lauten Schreien um eine Medaille<br />

kämpfen.<br />

NINA KLÄY<br />

GEBURTSTAG 19. Juni 1989 Biel, Schweiz,<br />

Sternzeichen Zwillinge ZIVILSTAND ledig<br />

ERFOLGE Europameisterin 2014, WM-<br />

Bronze 2013, Weltranglistenerste in der<br />

Kategorie bis 62 kg PARTNER Sporthilfe,<br />

Swiss Olympic, Schweizer Armee<br />

PRODUKTION: HAARE UND MAKE-UP: JANA MÜLLER; STYLING: JULIA GRUNZ; VORHERIGE SEITE: HOSE VON ADIDAS, TOP VON AMERICAN APPAREL;<br />

DIESE SEITE: HOSE UND TOP VON AMERICAN APPAREL<br />

SCHWEIZER ILLUSTRIERTE <strong>SPORT</strong>· März 2015

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