GANZ IN SCHWARZ Noch fehlen auch bei Aegerters Maschine die Beschriftungen für seine neue Kalex-Maschine. «TOM HAT EINEN GANZ ANDEREN FAHRSTIL ALS ICH. ER FÄHRT FEINER, FLÜSSIGER IN DIE KURVEN. ICH BIN EIN SPÄTBREMSER» DOMINIQUE AEGERTER ÜBER TOM LÜTHI FOKUSSIERT Dominique Aegerter ist bei den Valencia- Tests im vorderen Mittelfeld – er brennt auf die neue Saison. WETTKAMPFTYP Dominique Aegerter hat bei den kühlen Temperaturen nicht das Letzte riskiert.
MOTO2 DIE SCHNELLSTEN SCHWEIZER 89 sen Weg gar nicht mehr gehen. Das spart Zeit. Der Zusammenschluss der beiden Alphatiere Lüthi und Aegerter ist keine Selbstverständlichkeit. Die beiden kämpfen nicht nur auf der Strecke um jeden Zentimeter, sie beharken sich in diesem kleinen Markt auch um die beste Crew, die Aufmerksamkeit, die Sponsoren und entsprechend ums Budget. Es war alles andere als Liebe auf den ersten Blick, und auf der Strecke bleiben sie Rivalen, aber hier in der Box nähern sie sich an, wechseln hie und da ein paar Worte, scherzen zusammen. «Wir haben uns besser kennengelernt. Wir beide wollen Rennen gewinnen, das ist klar. Aber wir können miteinander wachsen.» Für Lüthi ist es die 14. WM-Saison, die sechste in der Moto2. Er will konstanter werden, mehr Spitzenränge. Im November ist es zehn Jahre her, seit er in der 125er-Klasse den Weltmeistertitel errang. Seither wechseln sich Licht und Schatten ab. Mit 28 Jahren will er sich zumindest nochmals in den Bereich bringen, damit er um die WM kämpfen kann. Es ist der zweite Testtag hier in Valencia. Ab und zu peitscht ein Regenschauer Richtung Meer. Die Maschinen bleiben in den Boxen. «Der Asphalt hat neun Grad, dann bringt das nichts», sagt Lüthi. Wenn er fährt, dann nur am Limit. Nur so weiss er, was das Motorrad hergibt. «In Le Castellet wars ähnlich, und in Aragon hatten wir sogar Schnee in einer Kurve. Ich dachte, ich sei im falschen Film.» Er vertreibt sich im Fahrerlager die Zeit auf dem Handy, gibt da und dort ein Interview, redet mit Technikern. In der Winterpause gönnte er sich Skiferien, verbesserte die Koordination auf den Langlaufski. Er hat mit Kickboxen begonnen, will so die Schnelligkeit und das Auge verbessern. «Es darf zwischendurch auch mal wehtun», sagt er. Dominique Aegerter hat seine Mütze tief ins Gesicht gezogen. Am ersten Tag war er rund eine Sekunde langsamer als Lüthi. Er ist der Wettkampftyp, hat das Image eines charmanten Draufgängers, der den Mädchen den Kopf verdreht. Im vergangenen Jahr gewann er auf dem Sachsenring. «Das kann mir niemand mehr nehmen», sagt er. Er wurde am Ende WM-Fünfter. Hinter Lüthi, der ihn noch abfing. «Tom hat einen ganz anderen Fahrstil als ich. Er fährt feiner, fährt flüssiger AUF DER SUCHE Tom Lüthi rapportiert nach den Tests den Technikern (stehend und rechts Cheftechniker Alfred Willecke). in die Kurven. Ich bin ein Spätbremser», vereinfacht der 24-Jährige die Unterschiede. Die Strecke in Valencia findet er nicht besonders prickelnd. «Das hier ist langsam», sagt er. In Mugello zeigt der Tacho meter auf der Geraden 300, in Australien haben sie eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 175 Stundenkilometern. Und immer rast auch das Herz. Mit Puls 180 steigen sie vom Motorrad. Durchatmen können sie erst dann. Die Testtage haben nichts von der Sexyness eines Grand Prix. Keine Zuschauer, keine elektrisierende Stimmung, kein Blitzlicht, keine Grid-Girls. Hier wird unter Männern malocht. Geschraubt, gefeilt, geölt – um neue Antworten gerungen. Abends gehen sie gemeinsam essen. Die grosse Welt ist das nicht. Das Restaurant ist im Shoppingcenter. Das Budget verträgt keine anderen Sachen. Und die Hotels haben keine vier Sterne, selten einmal drei. «Mir ist es lieber, wenn jeder Franken in die Maschine investiert wird», sagt Aegerter. So etwas wie Business-Class fliegen kennt er nur vom Hörensagen. Das ist etwas für Multimillionäre wie Valentino Rossi. Geht es nach ihm, können zehn Fahrer Weltmeister werden. Natürlich hat er Rabat, Lüthi und Zarco auf der Rechnung. «Aber wenn einer einen Lauf hat, ist alles offen.» DAS UNSAGBARE AUSBLENDEN 18 Rennwochen plus viele Testwochen ist Aegerter unterwegs. Er hat bei den Eltern in Rohrbach ein Studio. Die Mutter sagt jeweils «heb Sorg», wenn er wieder an ein Rennen fährt, der Vater sagt, er soll Vollgas geben. DIE 5 SCHWEIZER DER MOTO2-WM TOM LÜTHI Geboren am 6. September 1986 in Oberdiessbach BE Erfolge: Weltmeister 125ccm 2005, 4 Siege und 25 Podiumsplätze in der Moto2. www.tomluethi.ch DOMINIQUE AEGERTER Geboren am 30. September 1990 in Rohrbach BE Erfolge: 1 Sieg und 3 Podiumsplätze in der Moto2. www.domi77.com RANDY KRUMMENACHER Geboren am 24. Februar 1990 in Zürich Erfolge: 1 Podiumsplatz in der 125 ccm, ein Vierter Platz in der Moto2. www.randykrummenacher.ch ROBIN MULHAUSER Geboren am 7. November 1991 in Fribourg Erfolge: 17. Platz in der Moto2-Saison 2014 in Valencia www.robinmulhauser.ch JESKO RAFFIN Geboren am 12. Juni 1996 in Zürich Erfolge: Sieger der spanischen Moto2-Meisterschaft (CEV) 2014 www.raffin.ch März 2015· SCHWEIZER ILLUSTRIERTE <strong>SPORT</strong>