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60 TENNIS SERENA WILLIAMS<br />
hat. Die Fotos in der Boulevardpresse lassen allerdings<br />
einen anderen Schluss zu. «Unsere Beziehung<br />
ist rein professionell. Er ist der Coach,<br />
ich bin die Spielerin», wehrt sich Williams.<br />
Man kann sich die berechtigte Frage stellen,<br />
ob Williams Graf und Court in der Anzahl<br />
Grand-Slam-Siege bereits übertroffen hätte,<br />
wenn sie nicht immer wieder von gesundheitlichen<br />
Problemen und sonderbaren Verletzungen<br />
zurückgeworfen worden wäre, die<br />
sie zu langer Abstinenz vom Tennis zwangen.<br />
Am schlimmsten war die lebensbedrohliche<br />
Lungenembolie, die 2011 einen operativen<br />
Noteingriff erforderte. Damals musste sie<br />
sich die bange Frage stellen: «Werde ich<br />
je wieder Tennis spielen?» Auch 2003 war<br />
sie untröstlich, als ihre Schwester Yetunde in<br />
den Strassen von Compton – dem Ort, dem<br />
sie längst den Rücken gekehrt hatte – erschossen<br />
wurde. Serena nahm erneut eine<br />
Auszeit vom Tennis und kämpfte gemäss<br />
eigenen Angaben mit Depressionen.<br />
Was Serena an diesem Punkt ihrer Karriere<br />
augenscheinlich versöhnlich stimmt, ist die<br />
Erkenntnis, dass man seiner Vergangenheit<br />
nicht entkommen kann, auch wenn man alles<br />
daran setzt, mit ihr Frieden zu schliessen.<br />
Dasselbe gilt für ihre Nerven und den Druck,<br />
den Serena verspürt.<br />
«UNSERE<br />
BEZIEHUNG<br />
IST REIN<br />
PROFESSIONELL.<br />
ER IST DER<br />
COACH»<br />
KEIN PAAR? Serena<br />
Williams beim<br />
Siegershooting in<br />
Melbourne mit<br />
Patrick Mouratoglou.<br />
Ist er nur der Trainer?<br />
«Ich denke, im Grossen und Ganzen<br />
bleibt sich alles gleich», sagte sie in Australien.<br />
«Vielleicht spreche ich einfach offener<br />
darüber als früher.»<br />
Rückblickend auf 2014 gibt Serena heute<br />
unbekümmert zu, dass sie unter dem selbst<br />
auferlegten Druck, mit Chris Evert und Martina<br />
Navratilova auf 18 Grand-Slam-Titel<br />
gleichzuziehen, zerbrach. Mouratoglou hatte<br />
ihrer Karriere bereits einmal einen neuen<br />
Kick gegeben, als sie 2012 frustriert über ihr<br />
Leben und Spiel anfragte, ob sie in seiner<br />
Akademie trainieren könne. Der Coach optimierte<br />
ihre Laufarbeit und verbesserte die<br />
Technik und den Mix ihres Aufschlags, der<br />
bereits der beste aller Zeiten war. Gemeinsam<br />
studierten sie Berichte und arbeiteten<br />
an der Strategie. «Eigentlich ging es hauptsächlich<br />
darum, ihr Selbstvertrauen zu stärken»,<br />
sagt Mouratoglou. Letztes Jahr verfolgten<br />
sie das gleiche Ziel. Doch diesmal riet<br />
Mouratoglou Williams, sich einzugestehen,<br />
dass ihre Karriere selbst dann ausserordentlich<br />
wäre, wenn sie keine weiteren Tennismatches<br />
mehr gewinnen würde. Auch das<br />
berühmte F-Wort war ein Thema. Doch jetzt<br />
hiess es: Fun. Der knallharten Serena zuzuhören,<br />
wie sie sich diese Botschaft immer<br />
wieder vorsagte, schien Aussenstehenden<br />
ein mehr als gekünsteltes Verhalten.<br />
Zwei Grand-Slam-Titel später sagt Serena,<br />
dass sie ihrem Mantra treu geblieben sei.<br />
«Wenn ich heute die vierte Runde überstehe,<br />
ist Party-Zeit», scherzte sie in Australien.<br />
Dieselbe Serena, die einst behauptete, es<br />
sei wichtig, ihre jeweilige Gegnerin – selbst<br />
Venus – zu hassen, versucht heute, sich<br />
gegenüber netter zu sein. Vielleicht findet<br />
sie trotz ihrem Hang zum Perfektionismus<br />
und ihren multiplen Persönlichkeiten ja<br />
endlich zu ihrem persönlichen Frieden und<br />
Stolz auf ihre Erfolge und Leistungen.<br />
Erstaunt stellte sie nach dem Gewinn der<br />
US Open 2014 fest, dass sie mit ihrer neuen<br />
Perspektive keinen Wettbewerbsvorteil ein-<br />
FOTO: MICHAEL DODGE/GETTY IMAGES<br />
SCHWEIZER ILLUSTRIERTE <strong>SPORT</strong>· März 2015