32 FUSSBALL MANUEL NEUER Felix Magath beschwert, später dazu öffentlich nicht klar Stellung bezogen, was ihm Mitspieler krummgenommen haben. Heute ist das anders. Als Startrainer Pep Guardiola gerade seine Arbeit beim FC Bayern aufgenommen hat, bestellt er zwei Spieler zu Gesprächen. Einer ist Philipp Lahm, der Kapitän. Der andere: Manuel Neuer, dem er sagt, dass er ein Grund für seine Entscheidung gewesen sei, zum FC Bayern zu gehen, weil er einen Torwart, der auch im Feld spielen könnte, noch nie gesehen hätte. Guardiola, der Lionel Messi trainiert hat! Neuer merkt, er ist wichtig. Und längst akzeptiert. «Ich bin keiner, der unbedingt im Mittelpunkt stehen möchte. Ich lebe eher etwas zurückgezogen», sagt er. Noch heute kann er schwer still sitzen bei Pressekonferenzen. Dann wippt er ständig mit den Füssen oder mit den Beinen. Nach vielen Sätzen sagt er «ne?!» und lächelt dabei, was oft unsicher wirkt, in Wahrheit ist er cooler und souveräner geworden im Umgang mit den Medien. Sein bester Kumpel bei Bayern ist Torwarttrainer Toni Tapalovic, der 2011 mit Neuer aus Schalke zum FC Bayern kam. Gemeinsam gehen sie gern auf einen Cappuccino ins schicke «Schumann’s», in der auch Jens Lehmann hin und wieder aufsagt der Professor vor acht Jahren. Er wird belächelt. Heute weiss jeder, was der Mann meinte. In Deutschland wird Neuer nach waghalsigen Aktionen und Ausflügen aus seinem Strafraum während der WM «Manu, der Libero» getauft – in Anlehnung an «Manni, der Libero», der 13-teiligen Kultfernsehserie aus den 80ern. Miroslav Klose glaubt: «In der 2. Liga würde er als Feldspieler sicher ein paar Buden machen.» Jahrelang hat Neuer seinen linken Fuss trainiert, immer und immer wieder – in Trainingsspielchen mischt er mitunter als Feldspieler mit. Die Schalke-Fans lieben ihren Manu schon ganz am Anfang, er ist einer von ihnen, einer, der bei Spielen ein T-Shirt der Fangruppierung unter seinem Torwart trikot trägt. Einer, der nie ins schicke Düsseldorf ziehen will, wie es viele Schalker machen. Neuer kauft brav eine Doppelhaushälfte in Gelsenkirchen. Doch dann erleidet die Beziehung einen unheilbaren Knacks. Neuer entscheidet sich gegen seine grosse Liebe, gegen den FC Schalke. Unter Tränen verkündet er, dass er seinen Vertrag nicht verlängert – Neuer wird nach 156 Bundesligaspielen 2011 zum FC Bayern gehen, er will Titel, besser werden. Und er wird merken, wie schlimm das ist, wenn einem Hass entgegenschlägt. Die Noch-Anhänger beschimpfen ihn («Ich wünsche dir von ganzem Herzen Sportinvalidität»), Bayern-Fans halten Plakate mit der Aufschrift «Koan Neuer» hoch, «Kein Neuer». Ein Schalke-Fan wird handgreiflich, verpasst dem Ex-Liebling eine Ohrfeige. Es ist die Zeit, die den jungen Manuel reifen lässt. Damals wirkt er oft kindisch, seine Interviews sind belanglos, seine Meinung hat nicht viel Gewicht. Bei Schalkes Chef Clemens Tönnies hat er sich einmal über die seltsamen Methoden von Trainer SAMMLER Manuel Neuer zusammen mit Bastian Schweinsteiger, Franck Ribéry, Thomas Müller, Philipp Lahm und Arjen Robben (v. l.) und dem Uefa-Supercup, dem Champions-League- Pokal, der Meisterschale und dem Pokal der Saison 2012/13. kreuzt. Hier erinnert nichts an seine alte Stammkneipe «Die Zwiebel» in Gelsenkirchen. «Manu ist inzwischen in einer anderen Welt zu Hause», sagt sein erster Trainer Lothar Matuschak. Als Kind ist Neuer immer fasziniert gewesen von der Zeche Hugo, einem Steinkohlebergwerk in Gelsenkirchen- Buer, das 2000 geschlossen wurde. In München hat Neuer jetzt wieder ein Hugo’s. So heisst der In-Italiener in der Innenstadt, bei dem Stars und solche, die es sein möchten, häufig verkehren. Neuer ist ein Star. Vor einem Fussballspiel hat Neuer das gleiche Ritual: Er «begrüsst» beide Torpfosten und die Latte mit jeweils einer Hand. Es wirkt, als baue Neuer da eine «persönliche Beziehung» zu den Torpfosten auf. Seine wirkliche Beziehung war bis Herbst 2014 die vier Jahre ältere Kathrin, eine Coiffeuse, mit der er zuletzt auf Mykonos in den Ferien war. Doch nach fünf Jahren folgte das Aus. Ende Oktober wurde die Trennung bekannt, bestätigt von Neuers Management. Sein Privatleben schottet der Torwart ab – als Spekulationen über eine neue Freundin in der Zeitung stehen, gibts Post vom Anwalt. Dass private Dinge öffentlich werden wie im Jahr 2011, als Diebe bei ihm einbrechen und Schmuck und Uhren stehlen, ist die Ausnahme. Vor fünf Jahren hat er eine Stiftung gegründet, die Hilfsprojekte für Kinder rund um Gelsenkirchen umsetzt: «Ich möchte mein Glück teilen, meiner sozialen Verantwortung gerecht werden, indem ich benachteiligten Kindern in meiner Heimat etwas von dem zurückgebe, was ich in meiner Jugend haben durfte: Chancen und Perspektiven für mein Leben.» Einmal Schalker, immer Schalker. Zumindest im Herzen. Autor Marco Fenske begleitete Manuel Neuer als Reporter der Zeitschrift «Sport Bild» auf Schalke und später für die Münchner «Abendzeitung» beim FC Bayern. Heute ist Fenske Sportchef vom RedaktionsNetzwerk Deutschland. MANUEL NEUER GEBOREN 27. März 1986 in Gelsenkirchen (Deutschland) Sternzeichen Widder ZIVILSTAND ledig ERFOLGE Welt meister 2014, Champions-League- Sieger 2013 (mit Bayern München), Deutscher Meister 2013, 2014 (mit Bayern München), Deutscher Pokalsieger 2011 (mit Schalke 04), 2013, 2014 (mit Bayern München). Goldener Handschuh der Weltmeisterschaft 2014. www.manuel-neuer.com FOTOS: MICHEL COMTE, ADAM PRETTY/ GETTY IMAGES FÜR FC BAYERN MÜNCHEN SCHWEIZER ILLUSTRIERTE <strong>SPORT</strong>· März 2015
AUFGEMOTZT «Ich mag keinen roten Teppich. Der grüne Rasen ist mir lieber»