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Montag 28. Dezember 2009 - Schweizer Jäger

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faser und können bereits deshalb<br />

schadensauslösend sein. Unruhe<br />

oder Stress im Wildeinstand kann<br />

den Schaden noch verstärken.<br />

Eine Grundsatzfrage, in ein<br />

paar Sätzen beantwortet: Wann<br />

macht eine Fütterung von Rehwild<br />

in Bergregionen Sinn?<br />

Eine Fütterung von Rehwild in<br />

Bergregionen macht Sinn in Lebensräumen,<br />

in denen Rehwild,<br />

z.B. bedingt durch Tourismus<br />

oder Forstwirtschaft, nur wenig<br />

geeignete Wintereinstände vorfindet<br />

und wenn man Rehwild dennoch<br />

in entsprechenden Dichten<br />

hegen will. Grundsätzlich kann<br />

aber die Rehwildfütterung wesentlich<br />

mehr hinterfragt werden<br />

als die Rotwildfütterung im<br />

Alpenraum. Für beide gilt aber:<br />

wenn gefüttert wird, müssen auch<br />

die «Nutzungsraten» (= Abschüsse)<br />

ansteigen. Für mich als «Aussenstehenden»<br />

stellt sich auch die<br />

Frage, ob es nicht auch psychologische<br />

Unterschiede zwischen Revier-<br />

und Patentjagdsystemen be-<br />

«Grundsätzlich kann die Rehwild-<br />

fütterung wesentlich mehr hinterfragt<br />

werden als die Rotwildfütterung.»<br />

treffend das Thema «Fütterung»<br />

gibt. In Revierjagdsystemen führt<br />

das Füttern zu einem gewissen<br />

Revier-Egoismus und zu einem<br />

Anspruch auf «seine» Rehe und<br />

«seine» Hirsche. In Revierjagdsystemen<br />

mit Grundeigentümer-<br />

Bindung des Jagdrechts wird der<br />

Umgang mit der Fütterung durch<br />

den Grundeigentümer massgeblich<br />

beeinflusst – und oftmals zugunsten<br />

der Fütterung verstärkt,<br />

wenn sich dadurch die Jagderlöse<br />

steigern lassen.<br />

Eine flächendeckende Fütterung<br />

von Rotwild ist in Bergkantonen<br />

sehr schwierig, ausser das<br />

Wild wird in die Talsohlen gelockt.<br />

Gross angelegte Fütterungen,<br />

wie z.B. im Kanton Graubünden<br />

in den 60er- und 70er-Jahren,<br />

konnten keine Wintersterben verhindern,<br />

verursachten aber grosse<br />

Schäden an Land- und Forstwirtschaft.<br />

Dazu kommt noch der<br />

finanzielle Aspekt. Mit einem geschätzten<br />

Rotwildbestand von ca.<br />

13 000 Stück und einem täglichen<br />

Futtermittel-Verbrauch von etwa<br />

5 kg über mindestens vier Monate.<br />

Ist da eine Wildfütterung von<br />

Rotwild überhaupt möglich und<br />

sinnvoll?<br />

Es ist auch möglich, oft jedoch<br />

recht aufwändig, Rotwild<br />

mit Fütterungen in meist weniger<br />

schadensanfälligen Bergwäldern<br />

(ausser Schutzwäldern), in manchen<br />

Gebieten sogar knapp unter<br />

der Waldgrenze, zu halten. Eine<br />

Rotwildfütterung ist aber natürlich<br />

arbeits- und kostenintensiv.<br />

Zudem sollte, wenn man sich für<br />

die Fütterung entschliesst, eine<br />

Sättigungsfütterung, auch über<br />

einen Spätwintereinbruch hinaus,<br />

stattfinden. Und dies wird mit<br />

Prossholz oder einzelnen Heutristen<br />

nicht immer möglich sein,<br />

zumal über jede Form der Fütterung<br />

Wild in irgendeiner Form<br />

«konzentriert» wird. Bei Notfütterungskonzepten<br />

mit Fütterungsbeginn<br />

Mitte oder Ende Jänner<br />

besteht die Gefahr, dass bei hohen<br />

Schneelagen eine «Lenkung» des<br />

Wildes nicht mehr so leicht möglich<br />

ist, zumal im Bergland Rotwild<br />

ohnedies nicht so leicht zu<br />

lenken ist wie im Flachland.<br />

Ganz spontan nachgefragt:<br />

Macht eine Fütterung, ausser mit<br />

qualitativ gutem Heu, wirklich<br />

Sinn?<br />

Eine reine Heufütterung ist<br />

beim Rotwild durchaus sinnvoll,<br />

beim Rehwild ist aber zu berücksichtigen,<br />

dass die Verdaulichkeit<br />

von Heu, selbst von bestem<br />

Kleeheu, deutlich unter jener<br />

beim Rotwild liegt. Auch im österreichischen<br />

Alpenraum haben<br />

einige Fütterungsbetreiber<br />

«Viele <strong>Jäger</strong> sind gewohnt, bei<br />

ihrem Nachhaltigkeitsdenken in<br />

kurzen Zeiträumen zu denken<br />

und lassen Wildbestandsschwankungen<br />

nur ungern zu.»<br />

von einer ehemals breiteren Futtermittelpalette<br />

wieder auf reine<br />

Heufütterung beim Rotwild umgestellt<br />

und dies mit einem überwiegend<br />

positiven Echo. Beim<br />

Rehwild muss man sich aber die<br />

Frage stellen, ob man nicht die<br />

Heuration mit Kraftfuttermitteln<br />

(«Ergänzungsfutter», siehe auch<br />

«Monatsthema») «aufbessert».<br />

Ansonsten läuft man aus meiner<br />

Sicht auch Gefahr, dass den Rehen<br />

gerade die Energie zusätzlich<br />

zugefüttert wird, die die Rehe zur<br />

Bewältigung des innerartlichen<br />

Stresses an Fütterungsstandorten<br />

verbrauchen.<br />

Gäms- und Steinwild wird<br />

kaum gefüttert. Es ist eine Tatsache,<br />

dass nur Tiere in Siedlungs-<br />

nähe als «hungernd» wahrgenom-<br />

men werden. Es ist aber auch eine<br />

Tatsache, dass Störungen in Siedlungsnähe<br />

nicht zu unterschätzen<br />

sind und dadurch der Energieverbrauch<br />

deutlich höher liegen<br />

kann als bei Gäms- und Steinwild.<br />

Wie schätzen Sie in diesem<br />

Zusammenhang die Wirkung von<br />

Wildruhezonen mit einem generellen<br />

Zutrittverbot über die Wintermonate<br />

ein. Würde «Ruhe» alleine<br />

genügen?<br />

Viele <strong>Jäger</strong> sind gewohnt, bei<br />

ihrem Nachhaltigkeitsdenken in<br />

Jagdjahren, Pachtperioden oder<br />

ähnlich kurzen Zeiträumen zu<br />

denken und lassen Wildbestandsschwankungen<br />

(z.B. durch strenge<br />

Winter) nur ungern zu. Ruhezonen<br />

in entsprechend geeigneten<br />

Winterlebensräumen würden dem<br />

Schalenwild das Überwintern<br />

– auch ungefüttert – stark erleichtern,<br />

stärkere Wildbestandsschwankungen<br />

nach strengen<br />

Wintern wären aber zu erwarten.<br />

Die Einrichtung von Ruhezonen<br />

oder überhaupt Zutrittsverbote<br />

sind eine unabdingbare Voraussetzung<br />

für eine Überwinterung<br />

ohne Fütterung. Sie sind in einer<br />

Gesellschaft, die einen sehr<br />

hohen Anspruch an die persönliche<br />

Freiheit stellt, in vielen Gegenden<br />

jedoch derzeit leider nur<br />

schwer durchsetzbar. Und dort<br />

spricht aus meiner Sicht nichts<br />

gegen eine wildwiederkäuergerechte<br />

Winterfütterung von Rot-<br />

und Rehwild. Dabei dürfen aber<br />

nicht die kapitale Trophäe oder<br />

das Aufhegen von Wildbeständen<br />

die vorherrschenden Triebfedern<br />

für die Fütterung sein.<br />

Herr Deutz, ich bedanke mich<br />

für Ihre interessanten Ausführungen<br />

und wünsche Ihnen weiter alles<br />

Gute. Kurt Gansner<br />

<strong>Schweizer</strong> <strong>Jäger</strong> 12/<strong>2009</strong> 23<br />

Interview

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