DIN – der Verlag heißt Beuth. - Baukammer Berlin
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dass die Baumkontrolle offenbar funktioniert.<br />
Verän<strong>der</strong>ungen nach Einführung <strong>der</strong><br />
FLL-Baumkontrollrichtlinie<br />
Die FLL-Baumkontrollrichtlinie ist bei<br />
den Kommunen angekommen16 . Der<br />
weitaus überwiegende Teil von ihnen<br />
kontrolliert seine Bäume nur noch einmal<br />
jährlich. Vorsichtige Schätzungen gelangen<br />
zu dem Ergebnis von dadurch<br />
bedingten Kosteneinsparungen in einer<br />
Dimension von etwa einer Milliarde Euro<br />
pro Jahr. Dieser Betrag, wäre bedenklich,<br />
wenn sich gleichzeitig die Unfallzahlen<br />
nach Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kontrollhäufigkeit<br />
verdoppelt hätten. Dies ist aber nicht<br />
bekannt geworden. Auch Auskünfte bei<br />
Versicherern zeigen im Vergleich zu vorher<br />
keinen Anstieg <strong>der</strong> Unfallzahlen<br />
durch Baumumsturz o<strong>der</strong> Astabbruch.<br />
Auch ist nicht ein Fall bekannt geworden,<br />
dass ein aufgrund von Kontrollen analog<br />
FLL-Baumkontrollrichtlinie vorgehen<strong>der</strong><br />
Pflichtiger in Regress genommen wurde.<br />
Damit bestätigt sich das Vorgesagte.<br />
Bäume pflegen sich nicht aus Gründen<br />
von Todessehnsüchten von ihren Teilen<br />
zu trennen. Und sie pflegen auch nicht<br />
bei Windstärke 8 Beaufort17 o<strong>der</strong> sogar<br />
im Orkan umzufallen, sonst wäre Europa<br />
baumleer.<br />
Strafrechtliche Konsequenzen<br />
Die nicht selten zu hörende Klage von<br />
Baumkontrolleuren auf Seminaren, sie<br />
befürchten, „mit einem Bein im Gefängnis<br />
zu stehen“, entbehrt je<strong>der</strong> Grundlage<br />
und ist Ergebnis von Angstmacherei<br />
interessenorientierter Kreise18 .<br />
Grundsätzlich ermittelt Kraft Gesetz im<br />
Fall von Personenschäden durch Baumunfall<br />
die Staatsanwaltschaft. Sie eröffnet<br />
ein Strafverfahren. Bis auf wenige<br />
Ausnahmen 19 werden diese Verfahren<br />
eingestellt. Nur wenn feststeht, dass die<br />
Verantwortlichen grob fahrlässig gehandelt<br />
haben, sind strafrechtliche Folgen zu<br />
erwarten. Geschehen dagegen die<br />
Baumkontrollen fachlich korrekt (zum<br />
Beispiel analog FLL-Baumkontrollrichtlinie),<br />
dann dürften die Kontrollpersonen<br />
auch keine strafrechtlichen Konsequenzen<br />
zu befürchten haben. Jedenfalls sind<br />
<strong>der</strong>artige Fälle in den letzten fünf Jahren<br />
nicht bekannt geworden.<br />
Zum Umgang mit Bäumen im Rahmen<br />
von Baumkontrollen<br />
Das Kontrollproze<strong>der</strong>e – vorgesehen in<br />
<strong>der</strong> Rechtsprechung – verlangt die qualifizierte<br />
Inaugenscheinnahme aller Bäume<br />
vom Boden aus. Im Fokus <strong>der</strong> Inau-<br />
genscheinnahme stehen „Verdächtige<br />
Umstände“, die hinsichtlich konkreter<br />
Gefährdungen einzuschätzen sind. Voraussetzung<br />
dafür ist eine erfor<strong>der</strong>liche<br />
Sachkunde. Etwa 99 Prozent <strong>der</strong> zu kontrollierenden<br />
Bäume sind abschließend<br />
hinsichtlich eventueller Gefährdungen<br />
von den Kollegen und Kolleginnen in den<br />
Fachämtern zu beurteilen.<br />
Eingehende Untersuchungen, gegebenenfalls<br />
mit gerätetechnischer Unterstützung,<br />
sind und bleiben die Ausnahme.<br />
Der zu beobachtende inflationsmäßige<br />
Geräteeinsatz (insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> mit<br />
geringem Zeitaufwand verbundene Einsatz<br />
invasiver Geräte) erschließt sich<br />
nicht. Mit dem demnächst erscheinenden<br />
FLLRegelwerk „Eingehende Untersuchungen“<br />
sind auch hier Versachlichungen<br />
zu erwarten.<br />
Zusammenfassung<br />
Bäume sichern unsere Existenz. Sie<br />
bedrohen uns nicht und wir brauchen<br />
keine Angst vor ihnen zu haben.<br />
Dieses Wissen soll die Baumkontrolleure<br />
beruhigen, aber nicht übermütig o<strong>der</strong><br />
gleichgültig machen. Aufgabe <strong>der</strong> Kontrolleure<br />
ist es, ihr Wissen um das Lebewesen<br />
Baum mit den Fachkenntnissen<br />
von Standort und Baumumfeld sowie die<br />
Lebensäußerungen von Bäumen (Habitus,<br />
Zuwachs, Blattgröße sowie -färbung,<br />
Wuchsentwicklung an Krone,<br />
Stamm und Wurzelanlauf und an<strong>der</strong>es)<br />
zu verknüpfen und den Handlungsbedarf<br />
hinsichtlich möglicher, sich aufdrängen<strong>der</strong><br />
Gefährdungen zu fixieren. Ergeben<br />
sich nach einer solchen substantiierbaren<br />
Überprüfung, die keine Gefahr<br />
erkannt hat, trotzdem Unfälle, dann sind<br />
sie dem Gefahrensegment zuzuordnen,<br />
das als Restrisiko im Sinne des BGH<br />
(1965 a. a. O) nicht erkennbar war.<br />
Literatur<br />
1) Richtlinie zur Überprüfung <strong>der</strong> Verkehrssicherheit<br />
von Bäumen, Hrsg. ForschungsgesellschaftLandschaftsentwicklung,<br />
Landschaftsbau e. V. (FLL),<br />
Bonn, 2004.<br />
2) Der FLL-Regelwerksausschuss (RWA)<br />
aus Vertretern von Gartenamtsleiterkonferenz<br />
(GALK), Deutsche Kommunalversicherer,<br />
aller einschlägigen Berufsverbänden,<br />
Wissenschaftlern, Sachverständigen<br />
unter Leitung des Autors, waren<br />
sich ohne größere Diskussion darüber<br />
einig, dass die einmalige Baumkontrolle<br />
jährlich i. d. R. ausreicht.<br />
3) Dujesiefken, D. (2009) Verkehrssicherheit<br />
und Baumkontrollen – Erfahrungen mit<br />
<strong>der</strong> FLL-Baumkontrollrichtlinie und Hinweise<br />
für die Praxis, in Forstwissenschaftliche<br />
Beiträge Tharandt, Beiheft 8,<br />
Seite 108. Aber auch an an<strong>der</strong>er Stelle: Z.<br />
Baukultur<br />
B. OLG München, Richter am OLG<br />
Schnei<strong>der</strong>, W. Haftungsfragen im Zusammenhang<br />
mit <strong>der</strong> Verkehrssicherheit von<br />
Bäumen, VersR 2007, 743 – 760; OLG<br />
Brandenburg, Präsident und Vors. Richter<br />
des 2. Senats, Prof. Dr. Farke (Referat<br />
auf FLL-Symposium in Frankfurt am<br />
22.09.2009 (s. unter http://fll.de); OLG<br />
Köln, Beschluss vom 01.06.2005, AuR<br />
2005, 277; OLG Koblenz (ITZEL, MDR<br />
2005, 545 – 547 sowie MDR 2007, 689 –<br />
691).<br />
4) Wittek, Rechtliche Risiken bei Anwendung<br />
<strong>der</strong> FLLBaumkontrollrichtlinie in<br />
AuR 2009, 287<br />
5) Fürstenberg, Regelzeiträume und Verfahrensmöglichkeiten<br />
bei Baumkontrollen<br />
im Rahmen <strong>der</strong> kommunalen Verkehrssicherung,<br />
DAR 2007, 293. Der Auffassung<br />
von Fürstenberg wi<strong>der</strong>sprechen Bauer, J.<br />
(Gartenamtsleiterkonferenz), Braun, A.<br />
(GVV-Versicherung Köln) und Hünnekens,<br />
A. (Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
Deutscher Kommunalversicherer) in DAR<br />
2008, 3587 „Baumkontrollen zur Erfüllung<br />
<strong>der</strong> Verkehrssicherungspflicht“<br />
6) Der Autor überblickt als hauptberuflich<br />
überwiegend forensisch tätiger Gutachter<br />
für die Verkehrssicherheit von Bäumen<br />
(zumindest weitgehend) Baumunfälle<br />
in <strong>der</strong> Republik, insbeson<strong>der</strong>e die mit<br />
Personenschaden.<br />
7) Wenn Baumteile von Wissenschaftlern<br />
mit „Unglücksbalken“, „sozialer Astabstieg“,<br />
„biomechanische Tragödie“, „Teufelsohren“,<br />
„Astbruch am Chinesenbart“,<br />
„Lochfraß“ u. ä. bezeichnet werden, dient<br />
dies nicht einer Versachlichung.<br />
8) Gruber, F. Aktuelles zu Versagens-<br />
/Sicherheitskriterien und Adaption von<br />
Bäumen, Martin Meidenbacher <strong>Verlag</strong>sbuchhandlung,<br />
München 2009<br />
9) Auch nach umfassen<strong>der</strong> Untersuchung<br />
kann <strong>der</strong> als „völlig gesund“ von Ärzten<br />
testierte Mensch kurz danach tot umfallen.<br />
10) BGH-Urteil – III ZR 217/63; NJW 1965,<br />
815<br />
11) Schätzung des Autors aufgrund in Erfahrung<br />
zu bringen<strong>der</strong> Fälle.<br />
12) Angabe von Versicherungen.<br />
13) Jährliche Unfallstatistik <strong>der</strong> einschlägigen<br />
Institutionen<br />
14) Zahlen <strong>der</strong> Ärztevertreter.<br />
15) Vortrag von Patientenschutzorganisationen.<br />
16) S. Fußnote 3<br />
17) Terminus lingua <strong>der</strong> Versicherungen; ab<br />
dieser Windstärke setzt höhere Gewalt<br />
ein.<br />
18) Auf Nachfrage z. B. bei allen Vertretern<br />
<strong>der</strong> <strong>Berlin</strong>er Bezirksämter anlässlich einer<br />
Veranstaltung am 26.11.09, welcher Kollege/in<br />
momentan im Zusammenhang<br />
mit Baumkontrollen strafrechtlich belangt<br />
werde, meldete sich niemand, was Indiz<br />
dafür ist, dass allein die rd. 400.000 <strong>Berlin</strong>er<br />
Straßenbäume problemlos (hinsichtlich<br />
evtl. strafrechtlicher Konsequenzen)<br />
kontrolliert werden.<br />
19) Aus 30-jähriger Gutachtertätigkeit weiß<br />
<strong>der</strong> Unterzeichner von an einer Hand<br />
abzuzählen<strong>der</strong> strafrechtlicher Konsequenzen.<br />
<strong>Baukammer</strong> <strong>Berlin</strong> 3/2010 | 41