16 Pilotprojekt Jahn-Realschule, Stuttgart-Bad Cannstatt17Pilotprojekt Jahn-Realschule, Stuttgart-Bad CannstattWir machendas jetzt malDas Pilotprojekt an derJahn-Realschule, Stuttgart-Bad CannstattDie Probleme waren erkannt, die Ideezum Projekt ONE WEEK. NO MEDIA!geboren:Eine Woche Verzicht auf audiovisuelleMedien, um eine intensiveReflexion über den eigenen Medienkonsumanzustoßen. Ein Rezept,um dauerhaft etwas zu verändern?Die beste Möglichkeit, die Qualitäteines Rezeptes zu testen, bestehtdarin, es selbst auszuprobieren. Ineinem Pilotprojekt wollten wirmehr über Hintergründe undUrsachen des steigenden Medienkonsumslernen, zu einem tieferenVerständnis kommen und ausloten,ob eine Woche des Verzichts einenBeitrag zu einem gesunderen Umgangmit den Medien leisten kann.Rüdiger Schillinger und MarcBürkle, die an der Projektentwicklungvon Anfang an beteiligt waren,sind Lehrer an der Jahn-Realschulein Stuttgart-Bad Cannstatt. Sie beschlossen,das Projekt im Juli 2007mit einer sechsten Klasse zu testen.Und taten das auch, da sich Lehrer,Schüler und Eltern der Klasse 6abereit erklärt hatten, im Selbstversucheine Woche lang ohne TV,Computerspiele, MP3-Player undHandy zu leben. Sie sagten: „Wirmachen das jetzt mal und schauen,was so passiert“. Und es ist eineMenge passiert.Die Eltern an Bord holenNach der Abstimmung mit denSchülern galt es, die Eltern beieinem Elternabend vom Projektzu überzeugen. Überraschenderweisehaben alle Eltern sehr positivreagiert. Da auch sie eine Wochelang auf Medien verzichten sollten,hatten wir mit mehr Widerstandgerechnet.Da in der Urlaubszeit oft keinerleiMedien konsumiert werden,konnten sich viele vorstellen, wiedie medienfreie Woche ablaufenkönnte. Die Eltern rieten uns, nichtzuviel Alternativprogramm anzubieten,damit die Kinder auch selbstetwas entwickeln könnten.Was wir im Vorfeld nicht bedachthatten, waren die Geschwister. Sowurde beschlossen, dass die Elterndarüber entscheiden, ob diesemitmachen oder nicht.Es wurde überdeutlich: Die Elternsind Verbündete. Hier rennt ma<strong>no</strong>ffene Türen ein, denn Elternempfinden selbst großes Unbehagen,wenn ihre Kinder übermäßigMedien konsumieren und wisse<strong>no</strong>ft nicht, wie sie damit umgehensollen. Eltern müssen Orientierunggeben und Widerstand leisten, fallsetwas aus dem Ruder läuft, und dasscheint sehr schwierig zu sein.Aktiv statt passiv – DasProgrammDem Ziel von ONE WEEK. NOMEDIA! entsprechend ging es inder medienfreien Woche darum,die Teilnehmenden vom passivenMedienkonsum zum aktiven undkreativen Handeln zu bewegen.Konkret hieß das: Selbermachen –Musik und Texte schreiben, Bildermalen, Filme produzieren undeigene Abenteuer erleben.Zeit war genug vorhanden:Ausgehend von einem durchschnittlichenMedienkonsum vondrei Stunden täglich wurden beiden 28 Schülern, deren Eltern undeinem Geschwisterkind pro Tag336 Stunden freigesetzt, die gefülltwerden mussten.Ideen für die Gestaltung derfreiwerdenden Zeit mussten alleTeilnehmenden selbst entwickeln.In der Schule wurde an drei Tagenein Programm angeboten, das bewussteinfach und leicht zugänglichgehalten wurde und ohne Kostenund großen Aufwand realisiertwerden konnte.Alle Kinder haben die Aufgabebekommen, ein Tagebuch überihre Erlebnisse und Erfahrungenzu führen. Zudem wurde dieWoche filmisch und fotografischdokumentiert.Funke der BegeisterungVom Rapworkshop bis hin zumKreativsein draußen im Wald – dieKinder haben in dieser Woche eineMenge Neues erlebt.Nach der medienfreien Zeitempfand Rüdiger Schillinger dieKlasse als ungewohnt ruhig. DieSchüler redeten viel und lachten, esherrschte eine heitere Stimmung.Beim Abschlussfest wurden dieBilder der Woche gezeigt. Dabeisprang wieder der Funke der Begeisterungüber, der die ganze medienfreieWoche getragen hatte. Eswar eine richtige Klassengemeinschaftentstanden. Alle Beteiligtenhatten eine schöne, erfahrungsreicheund fröhliche Zeit.Auch wenn sich in der Rückschauzwei Jahre später zeigte, dasssich einiges verändert, wenn ausKindern Jugendliche werden – dasProjekt war nicht vergebens. In derJugendzeit mögen Gefühle wie diein der Projektwoche aufgekommenenals uncool bewertet werden– doch sie bleiben im Herzen undtragen irgendwann Früchte. Undhaben das zum Teil bereits getan.Martin Tertelmann
18 Pilotprojekt Jahn-Realschule, Stuttgart-Bad Cannstatt19 Pilotprojekt Jahn-Realschule, Stuttgart-Bad CannstattKurz vor der Rückgabe der Handys und MP3-Player