11.07.2015 Aufrufe

PDF-Download (ca. 11MB) - One week, no media

PDF-Download (ca. 11MB) - One week, no media

PDF-Download (ca. 11MB) - One week, no media

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

100 Vor lauter Langeweile ein Lied geschrieben101Vor lauter Langeweile ein Lied geschriebenVor lauter Langeweileein Lied geschriebenPana Vavelidis, seine Familie und seinFreund Sven am dritten Tag ohne Medien– ein Zwischenbericht.Ich fahre mit der S-Bahn zurNürnberger Straße. Pana Vavelidisund sein Klassenkamerad Svenholen mich ab und begleiten michzur Wohnung von Panas Familie.Pana zeigt mir das Kinderzimmer,das er sich mit seinem jüngerenBruder teilt: zwei Betten, einSchreibtisch und eine Kommode– darauf steht ein Fernseher,darunter eine Playstation. DieMedienausstattung der gesamtenFamilie entspricht wahrscheinlichdem <strong>no</strong>rmalen Durchschnitt: zweiFernseher, eine Stereoanlage, dreiHandys, eine Playstation, ein Computerund ein Radio.Ich frage die Familie, wie sie diemedienfreie Woche findet undwie sie damit klarkommt. HerrVavelidis sagt, er fände das Projektganz große Klasse. Es sei insgesamtruhiger geworden in derFamilie. Man könne Gespräche zuEnde führen, ohne an die nächsteFernsehsendung oder das Spiel ander Playstation denken zu müssen.Die Kinder könnten nun nach derSchule sofort die Hausarbeitenmachen. Ihre frei gewordene Zeitverbringen sie mit Backgammonspielen oder lesen. Alle Familienmitgliedergingen früher schlafen,vielleicht weil die Müdigkeit jetztbewusster wahrge<strong>no</strong>mmen wird.Herr Vavelidis findet das alles sotoll, dass er auch künftig ab undan eine Woche ohne Medien einschiebenwill. Panas kleiner Bruderfindet das Projekt ganz okay, ermache gern mit. Frau Vavelidis sagt,sie habe sowieso keine Zeit zumFernsehschauen, weil sie sich umden Haushalt kümmern müsse.Ich frage Frau Vavelidis, ob sieUnbehagen empfindet, wenn Panaviel Fernsehen schaut und vielPlaystation spielt. Sie meint, Ängstehabe sie keine. Sie selbst wäre ohneden ganzen Kram gut groß gewordenund wolle jetzt einfach, dass ihrSohn damit klarkommt.Ob und wie Pana und sein FreundSven jetzt mit der medienfreienWoche klarkommen, lasse ich mirin Ruhe von den beiden im Kinderzimmererzählen.Ich frage Sven, was sich in seinerFamilie geändert hat, seit die Wocheohne Medien begonnen hat. Ererzählt, dass seine Familie mitmachtund ihn unterstützt. Sie redeten seitzwei Tagen wieder mehr miteinander,erzählten sich, was sie so amTag erlebt haben. Vor der medienfreienWoche sei er nach der Schulenach Hause gekommen und hättegleich den Fernseher eingeschaltet,seine Geschwister ihre Computer.Die Mutter habe ihnen dann dasEssen gebracht.Gestern Abend sei er einfach frühschlafen gegangen. Am Montagmorgenwollte er wie immerdirekt nach dem Aufstehen Musikund Fernseher einschalten – seineMutter habe ihn dann an dieProjektwoche erinnert. Normalerweiseschaue er etwa drei Stundenam Tag Fernsehen, dazu komme<strong>no</strong>ch Zeit fürs Computerspielen.Er finde selbst, dass das zu viel istund wolle das eigentlich auf eineStunde reduzieren.Sven spielt Basketball im Verein. Ersagt, er sei ein guter Spieler undwerfe pro Spiel an die zwanzigKörbe. Den Tag im Wald fand ersehr schön, abends sei er richtigkaputt gewesen. Dann schaut erzum Fenster und sagt, sich selbstentschuldigend, oft sei das Wetterja auch nicht gut, da könne mannicht raus.Ich frage Pana, was er jetzt mit dervielen freien Zeit anstellt. Er habesich „Die Geistermeister“ aus derStadtbibliothek ausgeliehen undlese, vor allem abends. Er geheschwimmen oder Fußball kicken.Oder er schreibe Gedichte. Ihmfehlten die gewohnten Fernsehserien,die sonst den Tag strukturieren.Der Verzicht aufs Fernsehen tueihm am meisten weh. Sonst schaueer bis zu drei Stunden am Tag. DerFernseher im Kinderzimmer werdeeingeschaltet, wenn sie abends <strong>no</strong>chnicht müde sind, dann könnten sie<strong>no</strong>ch ein bisschen schauen.Pana und Sven erzählen stolz, dasssie am heutigen Nachmittag auslauter Langeweile einen Liedtextgeschrieben haben. Sie wollten<strong>no</strong>ch daran feilen und den Songdann am Samstag beim Abschlussfestzum Besten geben.Die Stimmung ist gut, alle genießendas Zusammensein und dieAtmosphäre. Den<strong>no</strong>ch steht dieAbwesenheit der Medien spürbarim Raum – Pana und Sven bekräftigen<strong>no</strong>chmals, dass der Verzichtaufs Fernsehen am meisten wehtue. Doch ebenfalls spürbar ist derStolz auf die wiedererlangte Souveränität:Jetzt bestimmen sie selbst,was sie wann tun.Ich frage die beiden Jungen, ob siemich <strong>no</strong>ch zur S-Bahn begleiten.Die Mutter fährt uns schließlichmit dem Auto und schaltet beimStart sofort das Autoradio aus. KeineMedien, dazu gehört für FrauVavelidis auch das Radio.Wir winken Sven <strong>no</strong>ch zu, derebenfalls nach Hause geht. Er wirdmit seiner Familie reden, vielleichtein wenig spielen oder lesen unddann wahrscheinlich wieder frühschlafen gehen. Medien-Entzugführt zu viel freier Zeit, die aktivgestaltet werden muss. Das strengtan und ist manchmal wohl auchschwer auszuhalten.Ganz beschwingt fahre ich mit derS-Bahn heim und denke, dass einemedienfreie Woche an den nurscheinbar alten Zopf des Fastensanknüpft. Sie entfaltet ihre Kraftund versorgt aus sich selbst herausFamilien mit der <strong>no</strong>twenigen Energie,eine Woche lang ihre Gewohnheitenradikal zu verändern. Undsich dem Vakuum zu stellen, um esaktiv mit Eigenem zu füllen.Martin Tertelmann„Aus lauter Langeweile haben Svenund ich heute Nachmittag einenRapsong geschrieben.“Pana„Ich finde das Projekt ganz großeKlasse. Es ist insgesamt ruhigergeworden in der Familie. Man kanndie Gespräche zu Ende führen,ohne an die nächste Fernsehsendungoder das Spiel an der Playstationzu denken. Wir werden auchkünftig eine Woche ohne Medieneinschieben.“Vater von Pana

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!