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glosse
Schicksale
Diesmal nix zum
Lachen!
Im Dezember letzten Jahres freute ich mich darauf,
an dieser Stelle eine Glosse zum Thema „Hurra,
endlich Krise!“ zu schreiben. Ich hatte schon einige
Ideen gesammelt: Ein wenig spöttisch äußern
wollte ich mich über die große Ehrfurcht, mit der
die längst verloren geglaubten Kardinaltugenden
Bescheidenheit und Demut beschworen wurden,
nachdem zuvor alle sieben Todsünden zugleich
gewütet und uns an den Rand des Abgrunds
gebracht hatten.
Mokieren wollte ich mich über den düsteren Tonfall
derjenigen, die nun unablässig auf allen Fernsehkanälen
das überfällige Jüngste Gericht verkündeten,
während Firmen ihre Restrukturierung geschickt so
gestalten, dass beim nächsten Auftragsrückgang
der Sozialplan umgangen werden kann.
„ In den Reflektions-Workshops für
Trainees schlägt mir inzwischen Angst
und Kummer entgegen.
Kritisch hinterfragen wollte ich die Logik all jener,
die sich in den fetten Monaten über Stress beklagten.
Die gehetzt und am Rande des Herzinfarkts
gerödelt haben und jetzt die Ruhe und Besinnung
nicht so recht genießen mögen.
Loben wollte ich dagegen jene alten, weisen Leithammel
und erfahrenen Elefantenkühe, die die
Krise schon vor Monaten rochen und ihre Herde
antrieben, Vorräte anzulegen, breit gestreute Kundenkontakte
zu festigen und sich sehr, sehr warm
anzuziehen.
Jeder lernfähige Mensch – so wollte ich anmerken
– hätte doch spätestens nach den letzten Krisen
der Jahre 1992 und 2004 seinem Bankenvertreter
einschärfen müssen, dass er das Wort „Rückkaufwert“
n i e wieder in seinem Leben hören wolle.
Müssen denn – so wollte ich fragen – alle büßen
für die zockerischen Verirrungen der Unbelehrbaren
mit anschließendem Dauerwundenlecken auf allen
14 wirtschaft + weiterbildung 03_2009
„
Dr. Claudia Harss,
TWIST Consulting Group
Kanälen? Auch hätte ich die hierfür verantwortlichen
Redakteure und Intendanten gerne einmal
gefragt, ob sie im Ernst glauben, dass der Finanzkrise
wirklich so hartnäckig die erste Priorität
unter den anstehenden Themen unserer Tage eingeräumt
werden müsse. Ob man sich nicht lieber
darauf konzentrieren solle, absehbare Katastrophen
der Zukunft abzuwenden – wie zum Beispiel
die bislang missglückte Integration unserer Kinder
mit Migrationshintergrund.
Aber leider ist mir das Lachen und Schimpfen im
Halse steckengeblieben, denn einigen meiner Kunden
geht’s auf deutsch gesagt inzwischen richtig
dreckig.
In den Reflektions-Workshops für Trainees schlägt
mir Angst und Kummer entgegen. Wozu hat man
uns von der Eliteuni geworben, auf
der wir zu den Besten zählten, uns
obendrein sozial engagierten und
tapfer zwei Auslandssemester in
China bewältigten, wenn jetzt kein
Übernahmevertrag kommt?
Anderntags erreicht mich ein Abschiedsbrief. „Die
Umstrukturierung hat meine langjährige Position
leider überflüssig gemacht“, schreibt der liebe,
alte Kunde. Er bedanke sich bei allen internen und
externen Kollegen für die langjährige, gute und
vertrauensvolle Zusammenarbeit und ist weg – einfach
so.
Eine Personalerin fragt mich nach einem Psychotherapeuten.
Sie wird allein nicht mehr fertig mit
der Aufgabe, jeden Tag fünf- bis zehnmal Überbringerin
der Hiobsbotschaft für gekündigte Kollegen
zu sein, während die direkten Vorgesetzten abgetaucht
sind. Junge Familienväter mit Kindern und
50-jährige Sekretärinnen, die schon als Lehrmädchen
im Unternehmen angefangen haben, sitzen
fassungslos vor ihr oder weinen einfach los.
Nein, das alles ist leider ganz und gar nicht
komisch! Deshalb gibt es dieses Mal leider keine
Glosse!
Dr. Claudia Harss, ist Top-Management-Coach und Geschäftsführerin der TWIST Consulting Group in München, die sich seit 1990 auf die Begleitung nationaler
und internationaler HR-Projekte spezialisiert hat. www.twist.de