Originalarbeitenzusammenhängenden physikochemischenReaktionen o<strong>der</strong> lithobiontischenVorgängen – Lithobiontik istdas Wechselspiel zwischen Lithosphäreund Biosphäre (LÜTTIG, 1971)–, an denen z. B. Bakterien, Algeno<strong>der</strong> höhere Lebewesen beteiligt sind,gebildet, ausgefällt und abgesetzt werden.Derartige Vorgänge spielen v. a.im Kalk-Karst eine große Rolle, undzwar im Zusammenhang mit den Verän<strong>der</strong>ungendes CO2: HCO3-Gleichgewichtes.Die Folge ist die Entstehungvon Quellkalken, fälschlichz. T. immer noch als Kalktuffe bezeichnet.Da die Quellkalke aberschnell zu Travertinen erhärten, kommensie als Peloide kaum infrage.Es muss betont werden, dass dieAbsätze im Quelltümpelbereich bereitszum limnischen Peloidtyp überleiten.Natura non saltet – deswegenist es z. T. Geschmackssache, ob manbei kalkigen, eisenhaltigen, humosenQuellbildungen diese noch zur krenogeneno<strong>der</strong> zur limnischen Peloidgrupperechnet; einige Typen (wiez. B. in Héviz und Philippi – sieheunten) sind besser als Mudden o<strong>der</strong>Nie<strong>der</strong>moortorfe anzusprechen. InDeutschland (und Umland) gibt eskeine therapeutisch genutzten krenogenenPeloide.Hingegen ist die nächste Klasse,die <strong>der</strong> äolischen Peloide, durchaus inDeutschland als Heilmittel bekannt.Löß und Lößlehm wurden schon imAltertum in Form von Aufträgen undUmschlägen mehrerenorts eingesetzt.Heute findet in Mitteleuropa nur impfälzischen Sobernheim Löß therapeutischeVerwendung.Für die Klasse <strong>der</strong> pedogenen Peloide,also die therapeutisch verwendetenBodenbildungen, die in <strong>der</strong>Antike beispielhaft durch die Terrasigillata vertreten waren, die von denRömern in Form von bei Verletzungenaufgetragenen Böden und von denGermanen als (v. a. Buchenwald-)Mull-Umschläge bekannt sind, gibt esin Mitteleuropa nur noch ein Beispielaus Bad Homburg (Taunus), wo offenkundigein dem Bolus ähnlicher fossilerBoden auf einem tertiären Lehmzu Umschlägen und Packungen verarbeitetwird (BENADE, MICHELS &HELLMERS, 1936). Indikationen sindErkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates.Mit diesem Peloidtyp wird dieGrenze zu einem an<strong>der</strong>en Heilmitteltyp,den Heilerden erreicht, die wiraber nicht zu den Peloiden rechnen,zumal da sie innerlich verwendetwerden. Hier sind v. a. Lockergesteineangesprochen, die durch Zwei- o<strong>der</strong>Dreischichten-Silikate (Typ Kaolinitbzw. Montmorillonit o<strong>der</strong> Attapulgit)gekennzeichnet sind. Hinzu kommenKieselgur-Heilerden, teilweise fälschlichvon <strong>der</strong> einschlägigen pharmazeutischenIndustrie als „Kieselerde“bezeichnet. Kieselerde ist aber etwasvöllig an<strong>der</strong>es als Kieselgur; das versucht<strong>der</strong> Verfasser seit Jahren denPharmazeuten klar zu machen – lei<strong>der</strong>ohne den geringsten Erfolg. Die Klarstellunggehört nicht in den hier besprochenenFragenkreis und muss anan<strong>der</strong>er Stelle erfolgen.Interessant ist die letzte Eupeloid-Klasse – sie greift z. T. auf die Parapeloideüber. Es handelt sich um dievulkanogenen Peloide. Hierzu gehören,soweit sie noch Lockergesteinesind, die Tuffe und Tuffite und ihreDerivate, womit insbeson<strong>der</strong>e dieBentonit-Gesteine gemeint sind. DieTuffe und Tuffite sind die klassischenVertreter <strong>der</strong> unter dem BegriffFango in <strong>der</strong> Naturmedizin bezeichnetenPeloide.Bezüglich dieser Bildungen bestehtein nur schwierig auflösbarer –jedoch klärbarer – nomenklatorischerWirrwarr, und zwar aus folgendenGründen:– Der größte Teil <strong>der</strong> unter dem – indiesem Falle eher als Handelsnameanzusprechenden – Namenvertriebenen Fango-Arten gehtnicht auf Eupeloide, son<strong>der</strong>n gemahlenesFestgesteins-Materialzurück, muss also den Parapeloidenzugerechnet werden. (Das istaber im Übrigen keinesfalls einMakel!).– Das aus dem Gotischen stammendeWort „fango“ ist ein Synonymfür „Heilschlamm“. Die Herkunftdes Wortes ist übrigens ein bemerkenswertesSignal für die Tatsache,dass die im Zusammenhangmit <strong>der</strong> so genannten Völkerwan<strong>der</strong>ungin Italien eingefallenenGermanenstämme – mindestensjedenfalls Teile <strong>der</strong>selben – durchauskeine zivilisationslosen undstumpfen Barbaren gewesen sind,als die sie durch die Römer undihre Nachäffer bezeichnet wordensind, und dass sie, was vor allemfür die Ostgoten und THEODERICHden Großen gilt, für die Erhaltung<strong>der</strong> antiken Kultur mehr getanhaben als <strong>der</strong> überwiegende Teil<strong>der</strong> Spätrömer. Das gilt vornehmlichfür das Badewesen.– Die aus <strong>der</strong> Antike überlieferteVerwendung von tuffitischem Materialim eugenidischen Bä<strong>der</strong>bezirk,die zu <strong>der</strong> terminologischenEinschätzung des Fango als„vulkanischer Schlamm“ bis in dieZeiten von KEILHACK (1916) geführthat, ist bereits durch HYNIE,KOUTEK und KORINEK (1933) in<strong>der</strong>en bemerkenswertem Buchüber die Peloidtherapie, das lei<strong>der</strong>viel zu wenig beachtet und heutekaum noch zitiert wird, hinterfragtworden. Den Fachgenossen istweitgehend entgangen, dass dieBä<strong>der</strong> Abano, Battaglia und Montogrotto– entgegen dem bei HYNIEetc. zitierten Gutachten von 1899,in dem auch noch von vulkanischemThermalschlamm gesprochenwird – schon längst reinlimnische Peloide verwenden. Dasist lange Zeit von den eugenidischenBä<strong>der</strong>verwaltern, wie indem Bericht von OTA HYNIE (s. o.)in amüsanter Weise zu lesen ist,nicht deutlich genug klargestelltworden. Unsere gegenwärtig imRaume Abano tätigen italienischenFreunde haben diesen Irrtumlängst richtig gestellt (ZANOTTO etal., 1991; BELLOMETTI et al., 2000,2005; GALZIGNA et al., 2001; TO-Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 4 (2006)215
OriginalarbeitenAbb. 4: Schematisiertes Strukturmodell eines Zeolith-Kristalls, aus dem dieMikrofilter-Wirkung verständlich wird.LOMIO et al., 2001 und an<strong>der</strong>e),aber richtig bemerkt worden istdas, v. a. von den deutschen Fachleuten,auch wie<strong>der</strong> nicht. Die mitdem Heilschlamm von Abano etc.befassten italienischen Fachkollegenverwenden jedenfalls den Ausdruck„Fango“ nicht im Sinneeines vulkanischen Gesteinsmaterials.Der Badebezirk <strong>der</strong> Eugenidenfällt daher als Typregion des BegriffesFango im Sinne <strong>der</strong> mitteleuropäischenNomenklatur aus.– Auch was die Peloidklasse <strong>der</strong>Bentonit-Gesteine, die als Derivatgesteineauf Vulkanite, nämlichumgewandelte vulkanische Gläser,zurückgehen, anbelangt, herrschteiniger nomenklatorischer Wirrwarr.Diesen richtigzustellen, istein Problem <strong>der</strong> mineralogischlagerstättenkundlichenNomenklaturund soll hier nur kurzgestreift werden. Festgehaltenwerden sollte an dieser Stelle nurFolgendes: „Bentonit“ ist eine Industriebezeichnungfür eine Reihevon Gesteinen, die bestimmte undwichtige technische Eigenschaftenbesitzen und aus Dreischichten-Tonmineralen bestehen, unter deneneine Smektit- und eine Hormit-Gruppezu unterscheiden sind.Wichtigstes Smektit-Mineral ist<strong>der</strong> Montmorillonit, Hauptvertreter<strong>der</strong> Hormite <strong>der</strong> Attapulgit(o<strong>der</strong> Palygorskit, deutsch: Walkerde).V. a. Walkerde besitzt hervorragen<strong>der</strong>heologische Eigenschaften,spielt daher in <strong>der</strong> Kosmetikeine beachtliche Rolle; sieist auch das Bademedium in demaltbekannten Heilbad Bath inEngland (siehe unten). Bentonitmineralewerden örtlich den Peloidenauch zugesetzt (u. a. in Abano).Für eine Propagierung destherapeutisch-kosmetischen Einsatzessprechen mehrere Gründe,die hier nicht näher erörtert werdenkönnen.Aus dem Gesagten erscheint vernünftig,obwohl eine Typ-Lagerstättenoch nicht definiert worden ist, denBegriff Fango tatsächlich auf dieAusgangsgesteine Tuff und Tuffit,also auf die vulkanogenen Peloide zubeschränken. Gesagt werden mussdazu freilich, dass, da sich <strong>der</strong> gegenwärtigepraktische Einsatz von Parapeloiden,also gemahlenem Festgesteinsmaterial– Besprechung folgt– bezieht, diese Peloide besser typisierbarsind als die eupeloidischen.Die zur Klasse <strong>der</strong> vulkanogenenPeloide gehörenden Bentonitgesteineals Fango zu bezeichnen, wi<strong>der</strong>strebtdem Verfasser hinwie<strong>der</strong>um. Die Suchenach dem als Ur-Fango bezeichenbarenEupeloid sollte aufgenommenwerden; es ist damit zu rechnen,dass sie Erfolg haben wird, wenn mansich in weniger bekannten Vulkanregionenbalneogeologisch genauerumsieht.Für die Gruppe <strong>der</strong> Parapeloidegenügt, da sie, verglichen mit den Eupeloiden,eine geringere Rolle in <strong>der</strong>Balneotherapie spielt, eine etwas kürzereBeschreibung und diese mussauch nicht alle <strong>der</strong> in Tabelle Ibezeichneten Klassen behandeln.Unter den parapeloidischen Tonsteinenspielt, soweit dem Verfasserbekannt ist, praktisch nur <strong>der</strong> gemahlenePosidonienschiefer von BadBoll (in Württemberg, WELLER, 1995)heute noch eine Rolle. Es handelt sichum einen – in paläontologischer undlagerstättenkundlicher Hinsicht berühmten– bituminösen Schiefer, dessenErdölanteil in <strong>der</strong> Vergangenheitmehrfach Anlass zu einer (i. W. erfolgsschwachen)Extraktions-Tätigkeitgeführt hat, nicht nur im Raumevon Bad Boll. Ob <strong>der</strong> BitumenanteilEinfluss auf die ansonsten nur aufthermophysikalische Wirkung bezogeneEffizienz des in Packungen undAufträgen verwendeten Parapeloidshat, muss dahingestellt bleiben.Bentonitische Tonsteine werdenseit alters her in Bath (England) verwendet.R. H. S. ROBERTSON (1936)beschrieb diesen Bentonit als „Fuller’sEarth“; das ist aber (siehe oben) einirreführen<strong>der</strong> Begriff, weil man in <strong>der</strong>Industrie sowohl das Hormit-MineralAttapulgit als auch (durch Ionen-216Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 47, 4 (2006)