Klaus-Friedrich Bodmann, Béatrice Grabein und die Expertenkommission der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. Tab. 3.1. Pharmakokinetische Charakteristika parenteraler Antibiotika Plasmakonz. (Cmax , AUC) Halbwertszeit (t½ ) Plasma-Clearance Verteilungsvolumen Fu Beta-Lactame Mittel bis hoch Niedrig bis mittel Niedrig bis hoch Niedrig Mittel bis hoch Fluorchinolone Niedrig Mittel bis lang Mittel bis hoch Mittel bis hoch Niedrig bis hoch Aminoglykoside Niedrig Niedrig Mittel Niedrig Hoch Tetracycline Niedrig Mittel Mittel Mittel bis hoch Mittel Glycylcycline (Tigecyclin) Niedrig Hoch Hoch Mittel bis hoch Mittel Glykopeptide Mittel Mittel bis lang Niedrig bis mittel Mittel Hoch Makrolide Niedrig Niedrig bis lang Mittel bis hoch Niedrig bis hoch Niedrig bis mittel Oxazolidinone (Linezolid) Mittel Mittel Mittel Mittel Mittel Fosfomycin Mittel Niedrig Hoch Niedrig Hoch Zyklische Lipopeptide (Daptomycin) Einteilung Hoch Mittel Niedrig Niedrig Mittel bis hoch Niedrig < 10 FE < 3 h < 50 ml/min < 0,3 l/kg < 10 % der Dosis Mittel 10 – 100 FE 3 – 10 h 50 – 150 ml/min 0,3 – 1,5 l/kg 10 – 50 % der Dosis Hoch > 100 FE > 10 h > 150 ml/min > 1,5 l/kg > 50 % der Dosis Cmax = maximale Plasmakonzentration, Fu = Prozent der Dosis, die im Urin unverändert ausgeschieden wird, FE = Flächeneinheiten (mit Flächeneinheiten ist die AUC gemeint; um die Vergleichbarkeit der Substanzklassen zu vereinfachen, wurden diese drei Klassen mit diesen fiktiven Einheiten gebildet), CI/CE = Verteilung einer Substanz zwischen Intrazellulärraum CI und Extrazellulärraum CE, TS/TR/GFR = Anteil an tubulärer Sekretion, tubulärer Rückresorption oder glomerulärer Filtration, AUC = Fläche unter der Serum-Konzentrations-Zeit-Kurve regimes von entscheidender Bedeutung. Auch die pharmakokinetischen Besonderheiten der kritisch Kranken (die durch endotheliale Schäden erhöhte kapilläre Permeabilität, Hypalbuminämie, extrakorporale Kreisläufe, intravenöse Applikation von großen Flüssigkeitsmengen, Gabe von Vasopressoren) können zum erhöhten Verteilungsvolumen und durch Erhöhung der renalen Perfusion bei Abwesenheit von relevanten Organdysfunktionen <strong>zur</strong> Erhöhung der Clearance von hydrophilen Antibiotika und <strong>zur</strong> Abnahme ihrer Plasmakonzentration führen. Die Daten über PK/PD-Korrelationen bieten die Möglichkeit, besonders bei Risikopopulationen (z. B. bei kritisch Kranken, bei geriatrischen Patienten, Patienten mit Organinsuffizienz) die Dosierung mithilfe des therapeutischen Drug Monitorings (TDM) individuell anzupassen. Clearance und Verteilungsvolumen bestimmen die Halbwertszeit einer Substanz. Diese Parameter sind mitbestimmend für die Zeit, in der sich die Plasmakonzentration oberhalb der MHK befindet, sowie für die Gesamtexposition (AUC) und spielen für die Berechnung des Dosierungsintervalls eine wichtige Rolle. Die Einschränkung der Funktion der Arzneimittel eliminierenden Organe (vor allem der Nieren und der Leber) führt zu einer reduzierten Clearance von Antibiotika und <strong>zur</strong> Verlängerung der Halbwertszeit und kann damit ein Grund für die erhöhte Rate von unerwünschten Wirkungen sein. Die Relevanz der eingeschränk- 20 ten Nieren- und Leberfunktion spielt dabei eine geringere Rolle für Antibiotika mit großer therapeutischer Breite (breitem Konzentrationsbereich zwischen den wirksamen und den toxischen Spiegeln, z. B. für Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme, Makrolide, Lincosamide, Fluorchinolone, Linezolid) als für Antibiotika mit enger therapeutischer Breite (z. B. Aminoglykoside, Vancomycin). Bei der Auswahl der geeigneten Antibiotika spielt dann neben der mikrobiologischen Wirksamkeit das Ausmaß der renalen und extrarenalen Elimination sowie ein eventuell vorhandenes nephro- und/oder hepatotoxisches Potenzial der Antibiotika selber oder ihrer Metaboliten eine wichtige Rolle. Diese Antibiotika (potenziell nephrotoxisch: Aminoglykoside, Vancomycin; potenziell hepatotoxisch: Amoxicillin/Clavulansäure, Flucloxacillin, Fluorchinolone, Tetracycline i.v.) sollen bei eingeschränkter Funktion des entsprechenden Organs nur bei vitaler Indikation appliziert werden. Mögliche Risiken durch eine Kumulation eventuell vorhandener toxischer Metaboliten bei Patienten mit ausgeprägter Nieren- und Leberinsuffizienz sollen ebenfalls bedacht werden. Prinzipiell sollen bei eingeschränkter Nierenfunktion Antibiotika mit einer hohen extrarenalen Elimination gewählt werden, bei Leberinsuffizienz Antibiotika mit vorwiegend renalem Ausscheidungsmodus. In unterschiedlichem Ausmaß werden die vorwiegend renal eliminierbaren Antibiotika neben der glomerulären Filtration auch tubulär sezerniert (z. B. Penicilline) oder reabsorbiert. Bei eingeschränkter Nierenfunktion soll die Dosierung dem Grad der Nierenfunktionseinschränkung entsprechend der Creatinin-Clearance angepasst werden. Entscheidend für die Notwendigkeit einer Dosisanpassung ist n der Anteil der renalen Elimination des Arzneimittels bei normaler Nierenfunktion, n die Toxizität der Substanz und n der Grad der Nierenfunktionseinschränkung. Grundsätzlich sind dabei vor allem die Dosierungsangaben der Hersteller zu beachten. Fehlen diese, soll die Anpassung des Dosierungsschemas bei Niereninsuffizienz durch die Berechnung der individuellen Eliminationsfraktion (Q) nach Dettli erfolgen [20, 32]. Hilfreiche Weblinks für die Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz: http://www.zct-berlin.de/niereninsuff/; http://www.dosing.de/; http://doseadapt.unibas.ch/. Im Unterschied <strong>zur</strong> Creatinin-Clearance bei Niereninsuffizienz sind klinische Scores bei Leberinsuffizienz (Child-Pugh- Score, MELD-Score) keine guten Prädiktoren für die Beurteilung der Arzneimittelmetabolisierung und -elimination. Lebererkrankungen haben einen unter schiedlichen, schwer vorhersehbaren Einfluss auf die einzelnen Cytochrom- P450-Isoenzyme. Die existierenden Tests lassen lediglich die grobe Beurteilung der
<strong>Empfehlungen</strong> <strong>zur</strong> <strong>kalkulierten</strong> <strong>parenteralen</strong> <strong>Initialtherapie</strong> bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – Update 2010 Metabolisierungsrate CI/CE TS/TR/GFR Niedrig CI >> TR Niedrig bis mittel CI >> CE Niedrig CI CE TR > TS Mittel CI > CE -- Niedrig GFR Niedrig bis hoch CI >> CE TR Mittel bis hoch TR > TS Niedrig CI