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Empfehlungen zur kalkulierten parenteralen Initialtherapie ...

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<strong>Empfehlungen</strong> <strong>zur</strong> <strong>kalkulierten</strong> <strong>parenteralen</strong> <strong>Initialtherapie</strong> bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – Update 2010<br />

schen Gründen wünschenswert, da bei<br />

der Weichgewebeinfektion, die kein klassisches<br />

Erysipel darstellt, ein breiteres Erregerspektrum<br />

erwartet werden muss.<br />

Der Begriff Zellulitis (Cellulitis) ist dem<br />

angloamerikanischen Sprachgebrauch ent -<br />

lehnt und bezeichnet im weiteren Sinn alle<br />

sich von Eintrittspforten ausbrei tenden<br />

Hautinfektionen. Im engeren Sinn ist mit<br />

der Zellulitis eine akute, sich in Dermis<br />

und Subkutangewebe ausbreitende Entzündung<br />

gemeint, die von einer vorbestehenden<br />

Hautläsion (Wunde, Geschwür)<br />

ihren Ausgang nimmt. Erreger sind meist<br />

S. aureus, aber auch Escherichia coli, Klebsiella<br />

spp. u. a.. In diesem definierten Sinn<br />

wird der Begriff allerdings auch im angloamerikanischen<br />

Schriftum nicht immer<br />

streng gebraucht, sondern auch als Oberbegriff<br />

für alle kutanen Weichgewebeinfektionen,<br />

einschließlich des Erysipels und<br />

der Phlegmone [33], benutzt.<br />

Der häufigste Erreger ist S. aureus,<br />

bei Ausgang von chronischen Wunden<br />

wie Dekubitalgeschwüren, Ulzera bei<br />

peripherer arterieller Verschlusskrankheit<br />

(pAVK) oder venöser Insuffizienz sind es<br />

aber oft auch polymikrobielle Infektionen<br />

(S. aureus, beta-hämolysierende Streptokokken,<br />

Enterobacteriaceae).<br />

Die Therapie kann bei leichter bis mittelschwerer<br />

Infektion mit Clindamycin (3 –<br />

4 x 300 – 600 mg/Tag) p.o. erfolgen, bei<br />

mittelschwerer oder schwerer S.-aureus-<br />

Infektion oder bei kritischer Lokalisation<br />

(z. B. Hand- oder Gesichtsbereich) wird die<br />

parenterale Gabe eines Isoxazolylpenicillins<br />

(Flucloxacillin oder Oxacillin 4 x 1 – 2 g/Tag<br />

i.v.), alternativ eines Cephalosporins der<br />

Gruppe 2 (z. B. Cefuroxim 3 x 0,75 – 1,5 g/<br />

Tag i.v.) empfohlen.<br />

Bei komplizierten chronischen, meist<br />

polymikrobiellen Infektionen (z. B. Dekubitus,<br />

Ulcus cruris) liegt häufig eine Mischinfektion<br />

aus grampositiven und gramnegativen<br />

Erregern und typischerweise auch<br />

Anaerobiern vor. Hier wird zunächst parenteral<br />

bevorzugt mit Aminopenicillin/BLI<br />

(z. B. Amoxicillin/Clavulansäure 3 x 2,2 g/<br />

Tag i.v. oder Ampicillin/Sulbactam 3 – 4 x<br />

1,5 – 3 g i.v.) oder mit Moxifloxacin behandelt.<br />

Bei ausbleibendem Therapieerfolg<br />

sollte in jedem Fall die gezielte Therapie<br />

nach Erregernachweis und Empfindlichkeitsprüfung<br />

erfolgen, wobei der Erregernachweis<br />

nach Möglichkeit aus einer<br />

Gewebeprobe geführt werden sollte.<br />

n Bei komplizierten Infektionen durch Diabetes<br />

mellitus oder pAVK (siehe unten)<br />

n Bei Nachweis von MRSA (siehe unten).<br />

Bei septischen Krankheitsbildern, die<br />

ätiologisch auf polymikrobiell infizierte<br />

Ulzera <strong>zur</strong>ückzuführen sind, werden kalkuliert<br />

zunächst parenteral Carbapeneme,<br />

Piperacillin/BLI oder Fluorchinolone der<br />

Gruppe 2 oder 3, eventuell in Kombination<br />

mit Metronidazol, oder Moxifloxacin<br />

als Monotherapie empfohlen.<br />

Folgende Erreger erfordern spezielle<br />

Antibiotika oder Antimykotika:<br />

n Aeromonas hydrophila nach Süßwasser-,<br />

und Vibrio spp. (Vibrio vulnificus,<br />

Vibrio alginolyticus, Vibrio parahaemolyticus)<br />

nach Salzwasserexposition (siehe<br />

oben)<br />

n Mykobakterien<br />

n Haemophilus influenzae bei Kindern<br />

(periorbitale Zellulitis)<br />

n Pseudomonas aeruginosa bei Neutropenie<br />

n Cryptococcus neoformans bei Störungen<br />

der zellvermittelten Immunantwort<br />

Tab. 9.2. Definition „komplizierte Haut-/Weichgewebeinfektion“ nach FDA<br />

n Die Infektion erfordert eine größere chirurgische Intervention (z. B. Débridement von<br />

devitalisiertem Gewebe, Abszessdrainage, Entfernung von infektionsunterhaltenden<br />

Fremdkörpern, operativer Faszienschnitt).<br />

n Der Infektionsprozess erfasst nachweislich auch tiefergelegenes Weichgewebe<br />

(Faszie und/oder Muskelschicht).<br />

n Es liegt eine schwere Grundkrankheit, welche ein Ansprechen der Therapie erschwert, vor.<br />

Dies sind u. a.:<br />

– Diabetes mellitus<br />

– Bakteriämie<br />

– Cellulitis mit Beteiligung von mehr als 3 % der Körperoberfläche<br />

– Glucocorticoid-Therapie (> 7,5 mg/Tag Prednisolon-Äquivalent)<br />

– Neutropenie (Granulozytenzahl > 500/mm 3 )<br />

– Leberzirrhose (Child-Pugh-Klassifikation B oder C)<br />

– Verbrennung (> 10 % der Körperoberfläche)<br />

– Strahlentherapie lokal oder systemisch<br />

– Anamnestisch bekannter Alkoholismus (über 6 Monate)<br />

– Organtransplantation<br />

– Mangelernährung<br />

– Immunsuppressive Therapie<br />

n Pasteurella spp. und Capnocytophaga<br />

spp. nach Tierbissen siehe unten [10,<br />

12, 22, 33]<br />

Infektionen mit dringlicher<br />

chirurgischer Versorgung<br />

Bei diesen Infektionen, wie dem Abszess,<br />

dem Panaritium, der Phlegmone oder<br />

der eitrigen Bursitis, muss eine chirurgische<br />

Intervention mit ausreichendem Débridement<br />

erfolgen. Bei Risikofaktoren im Sinne<br />

einer komplizierten Haut-/Weichgewebeinfektion<br />

und bei Allgemeinsymptomen<br />

ist eine ergänzende Antibiotika-Therapie<br />

in oraler oder parenteraler Form indiziert.<br />

Eine lokale Antibiotika-Behandlung ist<br />

abzulehnen. Die kalkulierte <strong>Initialtherapie</strong><br />

erfolgt mit einem Aminopenicillin/BLI, Acylaminopenicillin/BLI,<br />

einem Cephalosporin<br />

der Gruppe 1 oder 2, einem Isoxazolylpenicillin<br />

oder Clindamycin. Fluorchinolone<br />

der Gruppe 4 eignen sich aufgrund ihres<br />

Wirkungsspektrums ebenfalls <strong>zur</strong> Behandlung<br />

dieser Erkrankungen [5, 14, 25]. Nach<br />

Erregernachweis und Empfindlichkeitsprüfung<br />

kann die Therapie optimiert werden.<br />

Bei Rückgang von Temperatur, Allgemeinsymptomen,<br />

CRP und Leukozytose unter<br />

8 000/µl kann die Antibiotika-Behandlung<br />

beendet werden. Die Durchführung einer<br />

5-tägigen antibiotischen Therapie ist einer<br />

10-tägigen gleichwertig [32].<br />

Schwere, lebensbedrohliche<br />

Weichgewebeinfektionen<br />

Charakteristisch für diese selten auftretenden<br />

nekrotisierenden Weichgewebeinfektionen<br />

ist der akute Verlauf und ein<br />

frühzeitig einsetzendes Organversagen.<br />

Diese Erkrankungen werden im angloamerikanischen<br />

Schriftraum unter der<br />

Bezeichnung „necrotizing skin and soft<br />

tissue infections“ (nSSTI) zusammengefasst<br />

[25]. Für den oft charakteristischen<br />

quälenden Schmerz und die ausgeprägten<br />

Gewebenekrosen sind Toxin-vermittelte<br />

Mikrothromben mit Verminderung<br />

der Perfusion und Hypoxie im betroffenen<br />

Areal verantwortlich [7].<br />

Die Erkrankungen stellen sich klinisch<br />

meist unscharf dar, was eine rechtzeitige<br />

und lebensrettende Diagnosestellung<br />

häufig erschwert. Als charakteristisch gilt<br />

eine früh auftretende, intraoperativ oder<br />

durch Biopsien festgestellte Gewebsnekrose.<br />

Eine Nekrose der Haut ist bei Diagnosestellung<br />

in der Regel noch nicht vorhanden<br />

und tritt erst im Spätverlauf der<br />

Erkrankung auf. Als Sofortmaßnahme ist<br />

das radikale chirurgische Débridement<br />

mit einer spätestens intraoperativ begonnenen,<br />

ergänzenden Antibiotika-Therapie<br />

und einer intensivmedizinischen Betreuung<br />

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