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Empfehlungen zur kalkulierten parenteralen Initialtherapie ...

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<strong>Empfehlungen</strong> <strong>zur</strong> <strong>kalkulierten</strong> <strong>parenteralen</strong> <strong>Initialtherapie</strong> bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – Update 2010<br />

1. Fieber über 38°C oder in seltenen Fällen<br />

Hypothermie unter 36°C<br />

2. Tachypnoe über 20/min oder Hypokapnie<br />

mit einem PaCO 2 < 32 mm Hg<br />

3. Tachykardie über 90/min<br />

4. Leukozytose über 12 000/mm 3 oder<br />

Leukopenie unter 4 000/mm 3<br />

Septische Zustandsbilder werden gemäß<br />

der amerikanischen Konsensus-Definition<br />

in verschiedene klinische Schweregrade<br />

eingeteilt.<br />

n SIRS (Systemic Inflammatory Response<br />

Syndrome): Das SIRS ist eine allgemeine,<br />

entzündliche Abwehrreaktion auf<br />

unterschiedliche Krankheitsbilder (z. B.<br />

Trauma, Hypoxie, Pankreatitis), die durch<br />

mindestens zwei der oben genannten<br />

Kriterien gekennzeichnet ist, ohne dass<br />

eine Infektion vorliegen muss.<br />

n Sepsis: Die Sepsis ist die systemische<br />

Reaktion auf eine Infektion. Wie beim<br />

SIRS müssen mindestens zwei der oben<br />

genannten Kriterien vorliegen. Der<br />

international erarbeitete Konsens definiert<br />

Sepsis somit ohne Vorliegen einer<br />

Organdysfunktion.<br />

n Schwere Sepsis: Hier liegen zusätzlich<br />

<strong>zur</strong> Sepsis Symptome eines Organversagens<br />

vor. Betroffen können sein: Lunge<br />

(Hypoxie, respiratorische Azidose), Niere<br />

(Oligurie/Anurie, metabolische Azidose),<br />

Leber (z. B. Ikterus, progressiv sklerosierende<br />

Cholangitis), Herz (Herzinsuffizienz,<br />

septische Kardiomyopathie), aber<br />

auch ZNS, Gastrointestinaltrakt, Knochenmark,<br />

Gerinnungs- und Immunsystem.<br />

Aus intensivmedizinischer Sicht<br />

wird von einer Sepsis im Gegensatz <strong>zur</strong><br />

internationalen Konsensusempfehlung<br />

erst dann gesprochen, wenn Symptome<br />

eines zusätzlichen Organversagens<br />

bestehen. Auch diese <strong>Empfehlungen</strong> <strong>zur</strong><br />

antimikrobiellen Therapie beziehen sich<br />

auf schwer kranke Patienten mit Organdysfunktion.<br />

n Septischer Schock: Der septische Schock<br />

geht mit anhaltendem Blutdruckabfall<br />

trotz ausreichender Flüssigkeitszufuhr<br />

einher. Ein therapierefraktärer septischer<br />

Schock liegt vor, wenn der Blutdruckabfall<br />

länger als eine Stunde dauert und<br />

sich durch Flüssigkeitszufuhr und Einsatz<br />

von Vasopressoren nicht beheben lässt.<br />

Die pathophysiologischen Erkenntnisse<br />

der vergangenen Jahre zeigen, dass septische<br />

Zustandsbilder durch ein kompliziertes<br />

Netzwerk pro- und antiinflammatorischer<br />

Zytokine bedingt sind. Im Anschluss<br />

an die proinflammatorische Phase des<br />

SIRS werden vermehrt Zytokine mit antiinflammatorischer<br />

Wirkung gebildet. Diese<br />

Phase wird als CARS (compensatory antiinflammatory<br />

response syndrome) bezeich-<br />

net. Oftmals überlappen sich beim Patienten<br />

SIRS- und CARS-Phasen, dann wird<br />

von einem mixed antagonistic response<br />

syndrome (MARS) gesprochen.<br />

Das Sepsis-Geschehen ist ein dynamischer<br />

Prozess des Übergangs vom Stadium<br />

der „einfachen“ Sepsis <strong>zur</strong> „schweren<br />

Sepsis“ bzw. in den „septischen Schock“<br />

mit Organdysfunktion bzw. Organversagen,<br />

aber auch der Entwicklung von septischen<br />

Organabsiedlungen.<br />

Die Sepsisforschung der letzten 20<br />

Jahre beschäftigte sich vor allem mit supportiven<br />

(Volumen- und Kreislauftherapie)<br />

und adjunktiven Maßnahmen (antiinflammatorischen<br />

Substanzen). Die<br />

anfänglich positiven Ergebnisse konnten<br />

in großen Multicenterstudien häufig nicht<br />

bestätigt werden. Niedrig dosiertes Hydrocortison<br />

kann nicht mehr als Routinetherapie<br />

für Patienten mit septischem Schock<br />

(mehr Superinfektionen ohne Letalitätsbenefit)<br />

empfohlen werden [33], eine intensivierte<br />

intravenöse Insulintherapie (Ziel<br />

≤ 110 mg/dl) wird ebenfalls nicht mehr<br />

generell empfohlen (vermehrt schwere<br />

Hypoglykämien), ebenso Antithrombin (AT<br />

III), niedrig dosiertes Dopamin, Vasopressin<br />

und Hydroxyethylstärke in den untersuchten<br />

Formulierungen [5].<br />

Etabliert haben sich die lungenprotektive<br />

Beatmung [1], die Therapie nach<br />

hämodynamischen Zielgrößen (Early Goal<br />

Directed Therapy) [29] und bei Patienten<br />

mit hohem Sterberisiko (mindestens<br />

Versagen von zwei Organen) und ohne<br />

Kontraindikationen die frühe Gabe (< 48<br />

Stunden) von rekombinantem aktiviertem<br />

Protein C [2].<br />

Das Scheitern neuer Therapieansätze<br />

<strong>zur</strong> Behandlung der schweren Sepsis und<br />

des septischen Schocks ist mit den Defiziten<br />

einer frühzeitigen und differenzierten<br />

Diagnose verbunden. Wann immer eine<br />

Sepsis vermutet wird, muss eine „aggressive“,<br />

vor allem frühzeitige Diagnostik<br />

(z. B. CT, BAL) erfolgen [36].<br />

Entscheidend für das Überleben der<br />

Patienten ist die frühe adäquate antimikrobielle<br />

Therapie.<br />

Kumar konnte in einer retrospektiven<br />

Studie 2006 [20] zeigen, dass mit jeder<br />

Stunde Therapieverzögerung nach Beginn<br />

der Hypotension im septischen Schock<br />

die Sterblichkeit um 7,6 % steigt. In einer<br />

Folgearbeit aus 2009 [19] wurden diese<br />

Daten eindrucksvoll bestätigt.<br />

Die Schwere der Erkrankung kann<br />

nach einfachen klinischen Kriterien bewertet<br />

werden: Beatmungspflicht, Katecholaminpflicht,<br />

insbesondere Vasopressoren,<br />

und Organdysfunktion, vor allem Niereninsuffizienz.<br />

Allerdings steht für dieses Vorgehen<br />

eine Evaluierung in klinischen Studien<br />

aus.<br />

Aufgrund der Zunahme multi re sistenter<br />

Erreger (MRSA, VRE, Pseudomonas<br />

aeruginosa, ESBL-Bildender Erreger<br />

u. a.) muss häufig eine breit wirksame,<br />

auch kombinierte, antimikrobielle Therapie<br />

begonnen werden, um das Erregerspektrum<br />

ausreichend zu erfassen. Eine antimikrobielle<br />

Vortherapie sollte unbedingt in die<br />

therapeutischen Erwägungen einbezogen<br />

werden.<br />

Spätestens am 3. Tag sollte die Notwendigkeit<br />

der antimikrobiellen Therapie<br />

überdacht [7] und mindestens alle 48<br />

Stunden reevaluiert werden [32]. Bei einer<br />

Kombinationstherapie sollte 3 bis 5 Tage<br />

nach Erhalt der mikrobiologischen Befunde<br />

deeskaliert werden (weniger breit, Absetzen<br />

eines Kombinationspartners).<br />

In der physiologisch und pharmakologisch<br />

komplexen Situation der Sepsis wird<br />

empfohlen, zunächst am ersten Tag hochdosiert<br />

zu therapieren, um schnell suffiziente<br />

Wirkspiegel beim Sepsispatienten mit<br />

hohem Verteilungsvolumen zu erzielen. Es<br />

existieren jedoch wenig Daten zu diesem<br />

Thema.<br />

An den Folgetagen sollte die Dosierung<br />

an die Organinsuffizienzen (Niere,<br />

evtl. Nierenersatzverfahren, Leber) angepasst<br />

und Interaktionen beachtet werden.<br />

Zur Steuerung der Therapie sollte nach<br />

aktuellen Erkenntnissen der Nachweis von<br />

Procalcitonin (PCT) im Serum verwendet<br />

werden. So konnte in einer Studie [24] die<br />

Dauer der Antibiotika-Therapie bei schwerer<br />

Sepsis um 3,5 Tage bei gleichzeitiger<br />

Reduktion der Intensivliegedauer um<br />

2 Tage ohne klinische Nachteile verkürzt<br />

werden. Das Antibiotikum wurde abgesetzt,<br />

wenn der PCT-Wert um mehr als<br />

90 % des Ausgangswerts abfiel.<br />

Um diese Strategie im klinischen Alltag<br />

umsetzen zu können, bedarf es der engen<br />

Zusammenarbeit des Intensivmediziners<br />

mit der klinischen Infektiologie und der<br />

Mikrobiologie. Der moderne Begriff „Antimicrobial<br />

Stewardship“ [10] beschreibt<br />

dieses Vorgehen.<br />

Mikrobiologie und aktuelle<br />

Resistenzsituation<br />

Die aktuellen <strong>Empfehlungen</strong> <strong>zur</strong> Blutkulturdiagnostik<br />

wurden im Rahmen der<br />

„MiQ-Richtlinien“ (Qualitätsstandard in<br />

der mikrobiologisch-infektiologischen Diagnostik<br />

der Deutschen Gesellschaft für<br />

Hygiene und Mikrobiologie, DGHM) publiziert.<br />

Dort finden sich Angaben <strong>zur</strong> Entnahme<br />

von Blutkulturen, zum Entnahmeort,<br />

<strong>zur</strong> Vorgehensweise bei der Venenpunktion<br />

sowie zum Probentransport und<br />

<strong>zur</strong> Verarbeitung mit und ohne automatisches<br />

Detektionssystem. Bei der Abnahme<br />

von Blutkulturen, möglichst vor Beginn der<br />

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