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Empfehlungen zur kalkulierten parenteralen Initialtherapie ...

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Klaus-Friedrich Bodmann, Béatrice Grabein und die Expertenkommission der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V.<br />

in den USA 1994: 23,5 %, USA 1996:<br />

20 % (davon 3 % aus der Beers-Liste der<br />

11 „always avoid“-Präparate mit erhöhtem<br />

Risiko für Hospitalisation und Tod),<br />

USA 2002: 19 %, Europa 2005: ~ 20 %.<br />

Der typische Patient für Polypharmazie<br />

mit erhöhtem Anteil inadäquater Medikamente<br />

ist weiblich, Alter > 85 Jahre, allein<br />

lebend, geringer Gesundheitsstatus, niedriger<br />

sozialer Status [26, 31].<br />

Die Beers Criteria [3] umfassen eine<br />

Liste inadäquater Medikationen, bestehend<br />

aus drei Gruppen: „always avoid“<br />

(11 Medikamente), „rarely appropriate“<br />

(8 Medikamente) und „some indication,<br />

but often misused“ (14 Medikamente). In<br />

Anlehung an diese Kriterien sind revidierte<br />

PIM-Listen (PIM = potenziell inadäquate<br />

Medikation) in den USA, Frankreich, den<br />

Niederlanden und Kanada publiziert worden<br />

[2, 7, 17, 20]. Das Risiko für UAW,<br />

die <strong>zur</strong> stationären Aufnahme von älteren<br />

Patienten führen, ist demnach dann<br />

besonders erhöht, wenn mehrere Arzneimittel<br />

gleichzeitig eingenommen werden<br />

(Interaktionsrisiko). Multimedikation, Verordnung<br />

von Neuroleptika oder Antidementiva<br />

sind signifikante Risikofaktoren<br />

für UAWs bei Menschen aus Altenheimen<br />

[12]. Eine an die deutschen Verhältnisse<br />

angepasste Liste „Potentiell inadäquater<br />

Medikation für ältere Menschen“ ist in<br />

Zusammenarbeit mit der Arzneimittelkommission<br />

der Deutschen Ärzteschaft in Bearbeitung<br />

[13].<br />

Die Behandlung alter Patienten mit<br />

einer bakteriellen Infektionskrankheit<br />

bedeutet deshalb typischerweise, einer<br />

langen Liste von verschiedenen Medikamenten<br />

mit zum Teil unübersichtlichem<br />

Interaktionspotenzial und verschiedenen<br />

UAWs eine weitere Substanz, ein Antibiotikum,<br />

hinzuzufügen, welches möglicherweise<br />

selbst über eigene Nebenwirkungen<br />

sowie ein eigenes Interaktionspotenzial<br />

verfügt.<br />

Antibiotika-Verordnungen für<br />

alte Patienten<br />

Bewertung der verschiedenen Antibiotika-<br />

Klassen (bzw. einzelner Substanzen daraus)<br />

nach spezifischen Aspekten und Risiken:<br />

1. Clostridien-Selektion<br />

n Riskante Antibiotika: Cephalosporine,<br />

Fluorchinolone, Ampicillin,<br />

Amoxicillin, Clindamycin.<br />

2. Neuropsychiatrische Nebenwir kun gen<br />

(Enzephalopathie, Krämpfe, Ototoxizität),<br />

Interaktionen mit Psychopharmaka<br />

n Riskante Antibiotika: Fluorchinolone,<br />

Metronidazol, Carbapeneme<br />

(besonders Imipenem), hochdo-<br />

82<br />

sierte Penicilline (besonders Penicillin<br />

G), Cephalosporine (besonders<br />

Cefazolin), Linezolid (Serotoninsyndrom),<br />

Sulfamethoxazol, Clarithromycin<br />

(Psychosen), Gentamicin,<br />

Tobramycin, Streptomycin, Isoniazid.<br />

Die Neurotoxizität der Aminoglykoside<br />

besteht im Wesentlichen<br />

in einer Cochlear- und Vestibularis-<br />

Toxizität, seltener in einer neuromuskulären<br />

Blockade. Die Ototoxizität<br />

wird durch eine Begleitmedikation<br />

mit Schleifendiuretika, Vancomycin,<br />

aber auch durch laute Umgebungsgeräusche<br />

verstärkt. Das Alter selbst<br />

ist ein bedeutender Risikofaktor (QT-<br />

Verlängerung, siehe Punkt 4).<br />

3. Interaktionen mit anderen wichtigen<br />

Arzneimitteln<br />

n Riskante Antibiotika<br />

- Bei Antikoagulation mit Phenprocoumon:<br />

Cephalosporine, Amoxicillin/Clavulansäure,<br />

Cotrimoxazol,<br />

Clarithromycin, UAW: INR-Anstieg<br />

- Bei Lipidsenkung mit CSE-Hemmern:<br />

Makrolide (CYP-3A4-Hemmung),<br />

UAW: Rhabdomyolyse<br />

- Bei antihypertensiver Therapie mit<br />

Calciumantagonisten (Dihydropyridine):<br />

Makrolide (CYP-3A4-Hemmung),<br />

UAW: Hypotonie, Reflextachykardie<br />

- Bei antiobstruktiver Therapie mit<br />

Theophyllin oder Einnahme von<br />

Coffein: Fluorchinolone (CYP-1A2-<br />

Hemmung), UAW: gesteigerte<br />

ZNS-Erregbarkeit<br />

- Bei diuretischer Therapie mit<br />

Schleifendiuretika, bei antiphlogistischer<br />

Therapie mit nicht steroidalen<br />

Antiphlogistika, bei Gabe von<br />

Cisplatin oder Amphotericin B:<br />

Verstärkung der nephrotoxischen<br />

Effekte von Aminoglykosiden,<br />

Glykopeptiden und Beta-Lactam-<br />

Antibiotika, Verstärkung der Ototoxizität<br />

von Aminoglykosiden und<br />

Erythromycin<br />

- Enzyminduktion der hepatischen<br />

CYP-Isoenzyme durch Rifampicin<br />

führt <strong>zur</strong> Wirkabschwächung von<br />

Calciumantagonisten, Theophyllin,<br />

Phenprocoumon, Kontrazeptiva,<br />

Phenytoin<br />

- Hemmung des hepatischen CYP-<br />

3A-Systems durch Erythromycin<br />

und Clarithomycin kann zu<br />

bedrohlicher Toxizität zahlreicher<br />

Substanzen führen, deren hepatische<br />

Elimination gehemmt wird.<br />

Hierzu zählen insbesondere zahlreiche<br />

Psychopharmaka wie Risperidon,<br />

Clozapin, Clomipramin,<br />

Antikonvulsiva wie Phenytoin,<br />

Carpamazepin und Valproinsäure<br />

sowie u. a. Simvastatin und andere<br />

Statine, Theophyllin, Warfarin<br />

und einige Anti-HIV-Mittel. Das<br />

geringste Interaktionspotenzial hat<br />

Azithromycin.<br />

4. QT-Verlängerung<br />

n Riskante Antibiotika: Fluorchinolone,<br />

Makrolide, Metronidazol,<br />

besonders bei Polypharmazie<br />

zusammen mit Betablockern, Antiarrhythmika,<br />

Psychopharmaka, Phenytoin<br />

5. Nephrotoxizität<br />

n Riskante Antibiotika: Aminoglykoside,<br />

Glykopeptide, Cotrimoxazol,<br />

Nitrofurantoin. Alle Beta-Lactam-<br />

Antibiotika, insbesondere Penicilline<br />

und Cephalosporine, können eine<br />

interstitielle Nephritis in < 1% verursachen.<br />

Dosisanpassung der meisten<br />

Antibiotika an die verringerte<br />

Nierenfunktion, von den Fluorchinolonen<br />

nur Ofloxacin/Levofloxacin ab<br />

einer Creatinin-Clearance < 50 ml/<br />

min und Ciprofloxacin ab < 30 ml/<br />

min.<br />

6. Ototoxizität<br />

n Riskante Antibiotika: Aminoglykoside,<br />

Erythromycin, seltener Clarithromycin<br />

(transienter Hörverlust<br />

bei hohen Dosen bzw. bei Gabe in<br />

der Niereninsuffizienz)<br />

7. Hepatotoxizität<br />

n Riskante Antibiotika: Rifampicin,<br />

Kombinationen mit Clavulansäure,<br />

Isoxazolylpenicilline, Erythromycin.<br />

Fluorochinolone zeigen in 1 bis<br />

10 % einen leichten Transaminasen-Anstieg,<br />

der in den meisten Fällen<br />

weder einen Therapieabbruch<br />

noch eine Dosisreduktion erfordert.<br />

Wegen einzelner schwerwiegender,<br />

zum Teil tödlicher Leberkomplikationen<br />

wurde orales Moxifloxacin 2008<br />

auf einen Reservestatus bei Versagen<br />

alternativer Antibiotika in der<br />

Therapie nicht lebensbedrohlicher<br />

Infektionen wie Bronchitis, Sinusitis<br />

und ambulant erworbene Pneumonie<br />

<strong>zur</strong>ückgestuft. Ein Monitoring<br />

der Leberwerte unter einer Fluorchinolontherapie<br />

ist daher essenziell.<br />

Dosisanpassung einiger Antibiotika<br />

nur bei schwerer Leberinsuffizienz<br />

z. B. Makrolide, Clindamycin, Ciprofloxacin,<br />

Minocyclin, Metronidazol,<br />

Linezolid, Tigecyclin.<br />

8. Arzneimittelexantheme, allergi sche<br />

Reaktionen, Hypersensitivität<br />

n 50 % aller allergischen Hautreaktionen<br />

durch Medikamente bei stationären<br />

Patienten werden durch Beta-<br />

Lactam-Antibiotika verursacht. Je<br />

nach dem Zeitpunkt des Auftretens<br />

werden unmittelbare (0 – 1 Stunde),

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